54. Gäste aus dem Norden Teil 2

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Saphira ließ sich vom Wind zunächst einmal über das Feldlager der verstoßenen Elfen tragen. Eragon hatte den starken Verdacht, dass sie die bewundernden Zurufe die von unten zu ihnen heraufwehten mehr als nur genoss. Dieser Meinung behielt der Reiter jedoch für sich. Wahrscheinlich war es, dass er sich sonst auf eine unsanfte Landung hätte vorbereiten müssen.
Dem Anführer der Reiter selbst war die Verehrung der verstoßenen Elfen etwas peinlich. Bisher hatte bei jedem Kontakt mit den Elfen im Grunde Saphira im Vordergrund gestanden. Er, der Reiter, wurde mehr als das Sprachrohr der Drachendame angesehen. In früheren Jahren hatte Eragon dass ein wenig geärgert doch inzwischen schenkte er dem keine Beachtung mehr. Er hatte akzeptierte, dass die Freundschaft zwischen Elfen und Drachen schon Jahrhunderte bevor die Menschen nach Alagaesia kamen, geschlossen worden war. Sie ruhte auf einem wesentlich besseren Fundament als die Beziehungen zwischen dem schönen Volk und den Menschen.
Im Laufe der Jahre hatte sich der Status der Eragon zugebilligt wurde durchaus gehoben.
Sein Sieg über Galbatorix und seine Leistungen beim Wiederaufbau des Ordens der Reiter hatte dazu geführt, dass man ihn und Saphira nun als die beiden Teile eines Ganzen ansah.
Dadurch fühlte Eragon sich im Grunde gerecht behandelt. Die Ansicht der Elfen war durchaus nachvollziehbar. Wer war er den gewesen als er zum ersten Mal ihrer Hauptstadt betrat. Sicher hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits Durza besiegt gehabt und noch einige andere Abenteuer bestanden aber wenn sich der Anführer der Reiter zurück erinnerte musste er feststellen, dass er des Öfteren nur durch reines Glück mit heiler Haut davongekommen war. Saphira musste für die Elfen damals ein kleines Wunder gewesen sein. Sie erinnerten sich an die Zeiten als die Drachen den Himmel bevölkerten und hatten ihr verschwinden miterlebt. Konnte man es ihnen also übel nehmen, dass sie einem Drachenreiter der bisher nur durch seine Karriere gestolpert war, nicht denselben Respekt entgegengebrachten wie seiner Drachendame?
Eragon hatte schließlich akzeptiert, dass nicht jede Ablehnung immer auf Überheblichkeit zurückzuführen war. Man hatte ihn aufgefordert zu beweisen was er konnte und brachten ihm nun den gebührenden Respekt entgegen. Respekt den er sich durch Taten verdient hatte.
Bei den verstoßenen Elfen verhielt es sich etwas anders. Eragon hatte stets das Gefühl, dass sie ihm mehr Verehrung entgegenbrachten als er wirklich verdiente.
- "Ich denke du bist zu bescheiden." - schaltete sich Saphira ein während sie langsam immer weiter Richtung Boden glitt.-" Durch dich sind diese Wesen zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich frei. Denk mal darüber nach Kleiner: Direkt nach ihrer Geburt hat man diese Kinder in eine geheime Siedlung gebracht und ihre Existenz vor ihrem ganzen Volk geheim gehalten. In den ersten Jahren ihres Lebens hat man ihnen beständig erzählt, dass ihre bloße Existenz eine Beleidigung darstellt und eine Belastung für ihr eigenes Volk. Dann hat man sie gezwungen im Norden zu leben. An einem Ort den sie sich für sich selbst niemals als Wohnsitz gewählt hätten und es war ihnen verboten diese "Heimat" zu verlassen. Nicht jeder Käfig besteht aus Gitterstäben."-
-" Da hast du schon recht Saphira." - murmelte Eragon leicht verlegen. - "Ich sehe in dem was ich getan habe nur deshalb einfach nichts besonderes, weil es eine meiner Überzeugungen ist, dass jedes Wesen das Recht hat frei zu sein. Ich habe ihn nur gegeben was ihnen schon immer gehört hat." -
- "Was ihnen schon immer hätte gehören sollen!" - verbesserte Saphira. - "Es ist ihnen weggenommen worden und du hast es ihnen zurückgegeben. Die lange Zeit, die diese Kinder auf ihre Freiheit warten mussten hat ihre Spuren hinterlassen. Irgendwie müssen diese Elfen nun das Unrecht verarbeiten, das ihnen angetan wurde. Im Augenblick tun sie das indem sie dir Dankbarkeit zeigen und sich bemühen etwas zu sein, dass deiner Großzügigkeit Rechnung trägt. Wäre es dir lieber wenn sie mit Wut und Hass gegen ihr eigenes Volk reagieren würden?" -
Eragon schüttelte lächelnd den Kopf.
- "Nein das möchte ich natürlich nicht Saphira. Wie üblich hast Du recht und ich werde deinen weisen Rat befolgen und die Bürde der Verehrung tragen die mir auferlegt worden ist. Achte aber bitter auf, dass es mir nicht zu Kopf steigt.
- "Immer!" - Versprach die blaue Drachendame.
Auf einer Anhöhe, unweit des Lagers, entdeckte Eragon die imposanten Gestalten von Saphiras Enkeln. Tailon und Anarie begrüßten den ankommenden Donner mit trompetenhaften Lauten und wurde im Gegenzug von ihren Großeltern begrüßt.
Der Donner setzte auf der Anhöhe auf und die beiden ältesten Drachen des Ordens ließen ihre Passagiere absteigen. Anschließend begannen die vier Drachen ein ausführliches Gespräch über ihre Erlebnisse und ihre Reitern zogen sich respektvoll zurück.
Eragon ließ den Blick über das Lager der verstoßenen Elfen schweifen während er gemeinsam mit Roran darauf wartete, dass Arya und Marlena zu ihnen herüber kamen.
Erst jetzt, da er sie im Tageslicht sah, fiel dem Anführer der Reiter auf, wie sehr sich die Verstoßenen doch vom Hauptteil des Elfenvolkes unterschieden. Dabei standen nicht ihre körperlichen Fehlbildungen im Vordergrund. Der Unterschied war wesentlich subtiler. Im Zwielicht ihres künstlichen Waldes war Eragon nicht aufgefallen wie blass die Meisten der Verstoßenen waren. Einige hatten dunkle Ringe unter den Augen und alle wirkten sie etwas schmächtiger als es selbst für Elfen normal war.
"Mirie!"
Marlenas begeisterter Ausruf unterbrach diese etwas düsteren Gedanken wie ein Sonnenstrahl eine geschlossene Wolkendecke. Mit wenigen Blicken erfasste Eragon die Situation: aus dem Lager hatten sich vier Personen gelöst und kamen auf die Neuankömmlinge zu. Rorans älteste Tochter Ismira gehörte zweifelsohne zu dieser Gruppe. Marlena hatte ihre Cousine sofort erspäht, sich von ihrer Mutter gelöst und rannte nun auf die junge Drachenreiterin zu. Dieser war in die Hocke gegangen und breitete einladend die Arme für das heranstürmende Mädchen aus. Marlena flog förmlich in die ausgebreiteten Armen, riss Ismira mit ihrem Schwung um und lachend kugelten die beiden Cousinen ein Stück den Abhang der Anhöhe hinunter.
Bei diesem harmonischen Anblick konnte sich Eragon nicht mehr beherrschen. Ein warmes Lachen brach uns im hervor in das Roran mit einstimmte.
Grinsen sahen die beiden Cousins sich an als sie sich wieder unter Kontrolle hatten.
"Deine Tochter ist genauso ein Wildfang wie meine es war." schmunzelte der Graf.
"In der Tat." lachte Eragon.
Inzwischen hatten Ismira und Marlena sich wieder erhoben und die jüngere zog Rorans Tochter wie einen Handwagen hinter sich her in direkter Richtung auf ihrem Vater zu.
"Meine Tochter und ihren Gefährten kenne ich ja." hob Roran nun wieder an. "Aber wer sind die anderen beiden Elfen?"
"Das sind Sina und ihr Bruder Legartis. Sie sind die Sprecher für die Gemeinschaft der verstoßenen Elfen." Erklärte Eragon. "Gut dass wir uns mit ihnen zunächst privat beraten können. Du willst sie schließlich zum Fest in Carvahall einladen und ich muss Ihnen offenbaren, dass sie bald eine Reiterprüfung erwartet."


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