Nachdem er seine morgendliche Wäsche abgeschlossen hatte verließ Garath gemeinsam mit Aurelia sein Zimmer. Sie schritten durch den Korridor mit den Schülerquatieren und erreichten die Freitreppe die in die Haupthalle hinunter führte.
Garath schmunzelte als sein Drachenmädchen mit einem Satz auf das Treppengeländer sprang, dort seine Flügel entfaltete und in die Halle hinuntersegelte.
-"Ist das gnädige Fräulein zu faul die Treppe zu benutzen?"- fragte Garath als er selbst die Stufen hinab stieg.
-"Nein, aber der gnädige Herr vergisst offenbar, dass ich eine Himmelstochter bin. Stufen sind für Zweibeiner ohne Flügel."- erwiderte das Drachenmädchen schlagfertig und fügte hinzu:-"Außerdem was heißt hier faul? Glaubst du Fliegen wäre so leicht?"-
Noch bevor Garath antworten konnte erregten aufgeregte Stimmen aus der Küche seine Aufmerksamkeit. Schnell überwand er die letzten Stufen und stellte sich neben Aurelia.
Gemeinsam beobachteten sie die Küchentür.
Bereits nach einigen Augenblicken waren sowohl Drache als auch Reiter sich sicher, dass die aufgebrachte Stimme zu ihrem Lehrmeister Marek gehörte.
Angestrengt lauschten sie.
"....kein Wunder, dass Marlena und Kenai die Flucht ergriffen haben."
"Sei nicht albern!" antwortete eine zweite Stimme die die beiden Schüler als die der Elfe Narie erkannten. "Die beiden wollten alleine sein und ich denke wir beide wissen wieso."
Garath konnte sich vorstellen warum diese beiden Reiter ein wenig "Abstand" suchten. Ihm war nicht entgangen, dass da etwas war zwischen der Reiterin der weißen Alonvy und seinem älteren Mitschüler.
"Das mag einer der Gründe gewesen sein." räumte Mareks Stimme ein. "Aber der Zweite bist du. Ganz sicher! Sei mir bitte nicht böse aber ich esse im Arbeitszimmer."
"Wenn du meinst." Naries Stimme klang eher belustigt als beleidigt.
Augenblicke später öffnete sich die Küchentür und Meister Marek erschien. Er hielt ein Tablett in der Hand auf dem sich der Drachenreiter ein gutes Frühstück zusammengestellt hatte.
Garath war etwas verwirrt. Bisher hatten alle Reiter von Cosaria ihrem Mahlzeiten stets zusammen eingenommen. Meist war dies eine sehr fröhliche Runde gewesen und Garath hatte sie stets genossen. Es war so ganz anders gewesen als das was er von zu Hause kannte.
Zwar hatte man auch dort immer die Mahlzeiten zusammen eingenommen aber es war nie viel gesprochen worden. Er selbst und seine Schwester Reana hatten nie viel zu erzählen gewusst da sie ja das Haus nicht verlassen durften. Und ihre Mutter hatte nie viel erzählt. Auch auf Nachfragen hin hatte sich Elena sehr einsilbig gezeigt.
rückwirkend betrachtet war Garath sich sicher, dass sie ihre Kinder einfach nicht auf dumme Gedanken bringen wollte indem sie von der Welt da draußen erzählte. Mehr noch: Der junge Schüler war sich sicher, dass ihr die Stille bei den Mahlzeiten willkommen gewesen war. Bedeutete sie doch, dass alles unter Kontrolle war.
Garath verscheuchte diese düsteren Erinnerungen schnell, konnte aber eine gewisse sorge nicht abschütteln. Hatte es Streit gegeben?
-"Frag doch einfach."- schlug Aurelia vor als ihr Lehrmeister die Küchentür hinter sich schloss.
Noch bevor Garath auf diesen Vorschlag seines Drachenmädchens reagieren konnte hatte Marek die beiden Schüler bereits entdeckt.
"Ah, da seit ihr zwei ja."
Ein warmes Lächeln begrüßte die beiden Schüler.
"Mich müsst ihr heute morgen entschuldigen. Ich esse in meinem Arbeitszimmer."
"Ist etwas vorgefallen Meister?" erkundigte sich Garath und gab sich alle Mühe nicht zu aufdringlich zu klingen.
Marek verharrte einen Augenblick. Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder und blickte die beiden Novizen etwas hilflos an.
"Nun..." murmelte er schließlich. "Ihr wisst doch in welchem zustand sich meine Gefährtin befindet oder?"
-"Sie bekommt einen kleinen Zweibeiner."- erwiderte Aurelia fröhlich.
"So ist es." bestätigte Marek und warf Garath einen vielsagenden Blick zu.
"Oh! Ich verstehe Meister."
Garath lächelte verständnisvoll.
"Da bin ich ja erleichtert." erwiderte der ältere Reiter.
-"Ich verstehe aber nicht."- beschwerte sich Aurelia.
"Nun, das erklärt dir dein Reiter." entschied Marek. "Solltet ihr beide auch nicht in der Küche frühstücken wollen, seit ihr mir willkommen."
Mit diesen Worten setzte der Reiter der gelben Laorie seinen Weg fort und verschwand in seinem Arbeitszimmer.
Schmunzelnd wollte Garath seinen Weg ebenfalls fortsetzen, kam jedoch nicht weit.
Aurelia hatte sich direkt vor dem Eingang zur Küche auf die Hinterbeine gesetzt und blickte in durchdringend an.
-"Erklär es mir!"- forderte das rote Drachenmädchen nachdrücklich.
Garath kannte seine junge Begleiterin genau und er wusste, dass er keinen Fuß in die Küche setzen würde bevor Aurelia ihre Antwort hatte.
-"Weißt du...."- druckste er. -"Wenn Weibchen bei den Zweibeinern Kinder bekommen, dann werden sie manchmal komisch."-
Aurelia legte verständnislos den Kopf schief. Es war klar, dass ihr das als Antwort nicht reichte.
Verlegen kratzte sich Garath am Hinterkopf.
-"Sie essen komisch."-
Aurelia legte den Kopf auf die andere Seite und eine Spur von Ungeduld lag nun in ihrem Blick.
-"Sie essen komische Dinge. dinge die eigentlich nicht zusammenpassen. Und wenn man ihnen dabei zusehen muss, dann vergeht einem meist der Appetit."-
Misstrauisch blickte Aurelia ihren Reiter an. Da sie jedoch spürte, dass seine Antwort ehrlich war schüttelte sie nur verständnislos den Kopf und gab den Weg frei.
Gemeinsam betraten sie die Küche wo die Elfe Narie bereits am Tisch saß.
Das Grauen erfasste Garath sofort.
Die Reiterin der roten Drachendame Kira schnitt sich gerade einen Apfel klein. Allerdings handelte es sich dabei um ein Exemplar, dass seine Tage der Frische bereits weit hinter sich gelassen hatte. Die gelbe Haut der Frucht war verschrumpelt und daran änderte auch die Tatsache nichts, dass Narie die Apfelstücke in Honig stippte bevor sie sie aß.
Als Beilage hatte sich die Elfe eingelegte saure Gurken gewählt und als Getränk ein großes glas Buttermilch.
-"Verstehst du es jetzt?"- erkundigte sich Garath.
-"Zweibeiner werde ich nie verstehen."- erwiderte Aurelia trocken.
"Guten morgen ihr Zwei." begrüßte Narie die beiden Novizen und schob sich eine weitere Gurke in den Mund. "Es gibt eine kleine Änderung im Ablauf eures Unterrichts heute."
"In wie fern?" erkundigte sich Garath höflich und schluckte die Übelkeit hinunter die in ihm aufkam als er seine Lehrmeisterin beobachtete wie sie die gurke mit einem großen Schluck Buttermilch hinunterspülte.
"Deine Unterweisung am Schwert verschieben wir auf den Nachmittag. Heute morgen werdet ihr zwei Kira begleiten."
"Wohin Meisterin?"
"Nun," die elfische Reiterin unterbrach ihr Frühstück und wandte sich den beiden Schülern direkt zu. "Es geht um deine Eltern Aurelia. Sie wollen zu neuen Jagdgründen aufbrechen und sich verabschieden. Natürlich wollen sie dich noch einmal sehen und Kira wird die Reiter in diesem Teil von Alagaesia vertreten."
"Ich dachte du hättest gesagt, dass deine Eltern schon vor einiger Zeit weitergereist sind?" fragte Garath die kleine Rote an seiner Seite.
"Schon aber nicht so richtig......" Aurelia unterbrach ihre Erklärung. Offenbar suchte sie nach den richtigen Worten.
In solchen Momente wurde Garath klar wie jung sein Drachenmädchen doch noch war. Aurelia gab in den meisten Fällen kluge Antworten zu den verschiedensten Themen aber von Zeit zu Zeit gab es Augenblicke wie diesen. Momente in denen es ihr einfach schwer fiel die Sicht ihres Volkes in Begriffen auszudrücken die ein Zweibeiner verstehen konnte.
Der Blick des jungen Drachenmädchens wanderte schließlich hilfesuchend zu Narie.
Die Elfe verstand die unausgesprochene Bitte und begann zu erklären:
"Weißt du Garath: Ein rollender Donner, wie der aus dem Aurelias Ei stammt, ist ständig in Bewegung. Sie bleiben nie lange an einem Ort.
Aber es gibt durchaus Unterschiede auf welche Art sie weiterreisen. "
Narie unterbrach sich kurz und sammelte ihre Gedanken.
Garath wartete geduldig.
Schließlich fuhr die erfahrene Drachenreiterin fort.
"Drachen sehen die Welt ein wenig anders als wir. Das liegt an der Art wie sie ihr Leben führen. Sie sind Jäger und unter diesem Gesichtspunkt betrachten sie die Welt. Heimat ist für sie nicht ein bestimmter Ort. Nicht eine Stadt wie Cosaria und auch nicht das Haus in dem sie leben. Heimat ist für sie ein Gebiet in dem sie alles finden was sie brauchen, damit ihr überleben gesichert ist. Gebiete in denen sie Beute jagen können, Wasser und Schlupfwinkel wo sie vor der Kraft der Elemente sicher sind.
Auch wir Zweibeiner streben nach diesen Dingen aber wir verändern unsere Umwelt um sie zu bekommen. Drachen tun dies nicht und da sie sich im Flug schnell von einem Ort zum anderen begeben können brauchen sie es auch nicht. Was sie als "Heimat" oder "Zu Hause" betrachten kann sich oft über viele Meilen erstrecken. Manche.....Jagdgründe können Ausmaße haben wie ganze Königreiche.
Wilde Drachen, und ganz besonders ein rollender Donner, ist in seinem heimatlichen Jagdgrund immer in Bewegung.
Du hast also recht, Aurelias Eltern haben die unmittelbare Nähe von Cosaria verlassen aber noch befinden sie sich innerhalb des selben Jagdgrundes. Das liegt hauptsächlich daran, dass sie sich ja um ein Küken kümmern müssen."
-"Meine Brutschwester!"- steuerte Aurelia fröhlich bei.
"Du meinst das Küken, dass gemeinsam mit deinem ei zur Welt gekommen ist?"- erkundigte sich Garath.
-"Genau!"- bestätigte Aurelia.
"Sehr richtig." stimmte auch Narie zu. "Nun jedoch ist Aurelias Brutschwester, wie sie selbst ja auch, in der Lage zu fliegen. Sie kann ihrem Donner durch den Himmel folgen und selbst wenn ihre Kräfte nachlassen kann sie sich von einem älteren Mitglied ihrer Gruppe ziehen lassen. Solange sie ihre Flügel offen hält ist das keine große Anstrengung für einen ausgewachsenen Drachen. Wichtig ist nur, dass sie die Regeln des Fliegens begreift. Die Natur der Winde und was sie in einem Notfall tun muss.
Dieser Punkt ist erreicht und deshalb will der rollende Donner nun zu einem neuen Jagdgrund aufbrechen."-
"Ich verstehe." murmelte Garath. "Bisher waren sie Cosaria noch so nah, dass Aurelia und ich Teil ihrer Welt waren. Jetzt jedoch......"
Sein Blick wanderte zu seiner kleinen Drachendame.
Zu seiner Überraschung jedoch zeigte Aurelia nicht die Spur von Trauer.
-"So ist der Weg der Kinder des Himmels und des Feuers."- erklärte das Drachenmädchen. -"Ich werde ihre Seelen noch einmal genau betrachten, damit ich weiß wer sie sind und erkenne was sie geworden sind wenn das Schicksal unsere Lebenswege wieder kreuzt."-
Verwirrt stellte Garath fest, dass damit wohl für Aurelia alles gesagt war.
Narie bemerkte offenbar seine Verwirrung und lächelte.
"Genau deshalb wirst du Aurelia und Kira auch begleiten. Natürlich wollen ihre Eltern auch dich kennen lernen aber du, du sollst auch mehr über die Art der Drachen lernen."
Nachdenklich nickte der junge Reiter. Er verstand nicht genau. wieso es Aurelia so leicht fiel ihre Eltern ziehen zu lassen aber er war bereit zu lernen.
"Vorher solltet ihr aber frühstücken." schlug Narie vor und griff nach einer weiteren Gewürzgurke.
"Wir wollen Meisterin Kira nicht warten lassen." entschied Garath spontan und fügte noch hinzu. "Außerdem bin ich gar nicht so hungrig."
-"Und ich fange mir unterwegs einfach einen Hasen!"- erklärte Aurelia schnell während sie ihrem Reiter aus der Küche in die Eingangshalle folgte.
Sorgfältig schlossen sie die Tür hinter sich.
-"Verstehst du Meister Marek jetzt?"- erkundigte sich Garath.
-"Zweibeiner!"- murrte Aurelia. -"Euch werde ich nie verstehen!"-
-"Du meinst Zweibeinerinnen!"- verbesserte Garath.
Abstimmen nicht vergessen;)
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Eragon-OS-Sammlung
FantasyDiese One-shot Sammlung von Eragon gehört nicht mir. Ich habe sie nur auf ff.de gefunden der eigentliche Autor heißt auf ff.de Traeumer. Die One-shots beziehen sich auf seine Eragon Fortsetzungen. (Man kann die Geschichte auch auf Fanfaction.de lese...