Eragon-OS-Sammlung

104. Silberzunge

Der alte Darus starrte wie gebannt auf die beiden Dracheneier. Naja konnte förmlich sehen wie es hinter der Stirn des alten Reiters zu arbeiten begann.
"Wir sollten den Reiterzauber über diese Eier sprechen." Darus Worte, da war sich Naja völlig sicher, waren nicht an die Zuhörer gerichtet. Es waren vielmehr die Worte eines Mannes der es nicht mehr gewöhnt war viele Zuhörer zu haben und seine intimsten Gedanken einfach laut aussprach.
-"Nein!"- donnerte Lumaja indessen. -"Als ihre Mutter ist es meine Pflicht und mein Recht zu entscheiden auf welchen Weg ich meine Kinder schicke und ich will dass sie als Wilde aufwachsen!"-
"Verstehst du denn nicht was es für uns bedeuten würden wenn wir....."
Darus Widerspruch ging in einem donnernden Brüllen unter. Lumajas Geduld war am Ende.
-"Ich habe meine Wahl getroffen. Das du sie nicht respektierst ist der letzte Fehler den du je machen wirst!"-
Lumaja war aufgesprungen, ihr Schuppenkleid gesträubt wie das Fell einer Katze! Dunkler Rauch stieg aus ihren Nüstern über dem furchterregenden Gebiss.
Darus jedoch blieb unbeeindruckt. Ein überhebliches Lächeln lag auf seinem Gesicht.
-"Du wirst uns nicht töten Lumaja. Weder mich noch Harkor. Du brauchst uns. Wenn du uns tötest gibt es niemanden mehr der berechtigt ist den Zauber zurück zu nehmen der auf deinen Eiern liegt. Deshalb hast du uns nicht getötet als wir deinen Sohn ausgeschickt haben und deshalb wirst du es auch heute nicht tun! Nur wenn wir freiwillig den Zauber beenden können deine Jungen schlüpfen. Die einzige Möglichkeit den Zauber eines anderen Magiers aufzuheben ist es ihn mit mehr Lebenskraft zu durchbrechen als die die den Zauber aufrecht erhält! Der Bann um die Eier bezieht seine Kraft von deinen ungeborenen Kindern. Das weißt du! Wenn man versucht den Zauber mit Gewalt zu brechen tötet man die ungeborenen Drachen in ihren Eiern!"
Nun war sich Naja sicher, dass sie diesen alten Reiter nicht mochte. Glücklicherweise nahm ihm Geoff den Wind aus den Segeln.
"Lumaja, bitte."
Es kostete die wilde Drachendame einiges an Überwindung ihren Zorn zu ignorieren und sich auf den Reiter ihres Sohnes zu konzentrieren.
"Du brauchst diesen Mann nicht um deinen Kindern ins Leben zu helfen. Als Arget Un Eragon den König besiegt hat sind uns viele Geheimnisse von Galbatorix in die Hände gefallen. Darunter auch ein ganz bestimmter Teil der alten Sprache."
Naja war erleichtert, dass Geoff klug genug war nicht genau zu enthüllen um was es sich bei diesem "Teil" der alten Sprache handelte. Vollwertige Reiter wussten, dass dem Rat das Wort aller Wörter zur Verfügung stand. Man teilte ihnen jedoch nicht mit wo es aufbewahrt wurde oder wie es gesichert war. Aber selbst diese begrenzten Informationen wollte die junge Reiterin nicht in Darus Händen sehen.
Geoff fuhr indessen fort:
"Mit diesem Teil der alten Sprache ist es möglich magische Banne, wie den der über diesen Eiern liegt, spurlos aufzulösen ohne das Leben der Küken zu gefährden. Ihr müsstet uns zum Sitzt des neuen Ordens begleiten, der Ostmark. Dort..."
"Das ist unmöglich." bellte Darus dazwischen. "Du erzählst dummes Zeug Junge. Die Lehrer dieses neuen Ordens taugen wohl nicht viel!"
Geoff blieb ungerührt, wechselte in die alte Sprache und wiederholte Wort für Wort was er gesagt hatte.
Purer Unglaube war immer noch überall auf Darus Gesicht abzulesen doch er wusste: Eine Lüge war in der alten Sprache unmöglich. Erneut glühte der Seelenhort auf den Darus bei sich trug. Eine lautlose, hitzige Unterhaltung begann. Der Geist des fremden Drachens achtete sorgsam darauf, dass nur sein Reiter ihn hören konnte. Zum ersten mal störte Naja dieser Umstand. Viele Drachen des Ordens sprachen lieber durch ihre Reiter als direkt mit anderen zu kommunizieren. Sie fühlten sich zu angreifbar wenn sie sich anderen Wesen öffneten! Naja hatte das immer hingenommen aber nun, hier in dieser Lage störte es sie.
Als Darus wieder aufblickte hatte sich sein Auftreten grundlegend gewandelt er schien freundlich und offen zu sein.
"Du wirst diesen Teil der alten Sprache nicht brauchen Lumaja. Du hast mich missverstanden. Ich will deinen Kindern nicht das Leben verweigern. Du musst verstehen, dass auch ich überwältigt war von diesen wunderbaren Neuigkeiten! Ein neuer Orden! Frei von Galbatorix. Ich habe aus einem Impuls gehandelt. Aus dem Wunsch heraus die Erlöser der Welt zu ehren. Ich dachte ihnen zwei Eier für die Reitersuche zu übergeben wäre eine Möglichkeit unsere guten Absichten zu beweisen."
"Wir haben nie einen Beweis von euch gefordert!" erwiderte Naja.
"Das begreife ich jetzt Kind." gab Darus zurück und fuhr an Lumaja gewandt fort. "Wenn es dein Wunsch ist werden wir den Zauber sofort auflösen aber ich bitte dich vorher eine Sache zu bedenken."
-"Welche?"- knurrte die alte Drachendame und ihre Schwanzspitze zuckte angriffslustig.
"Willst du wirklich das deine Jungen heute HIER schlüpfen? Wäre es nicht besser, schöner für sie wenn sie es in dieser "Ostmark " zur Welt kommen würden. Hier sind sie allein wie du es all die Jahre gewesen bist. Die einzigen anderen Drachen sind wesentlich älter! Dort hätten sie Spielgefährten in ihrem Alter! Hier....hier liegt noch immer ein Echo des vermeintlichen Todesschreis ihres Volkes in der Luft. Ein Schatten der Dunkelheit die uns ins Exil getrieben hat. In der Ostmark ist dieser Schatten lange Vergangenheit. Sie könnten aufwachsen wie du vor 100 Jahren!"
Darus Worte verfehlten ihre Wirkung auf Lumaja nicht. Die Drachendame setzte sich auf ihre Hinterbeine und schien gründlich nachzudenken.
Darus sprach weiter. Seine Stimme war zu einem eindringlichen Flüstern gesenkt.
"Ich weiß das du deine Wünsche nie über das Wohlergehen deiner Kinder stellen würdest aber ich weiß wie sehr du die Gesellschaft deiner eigenen Art in all den Jahren vermisst hast. Wenn deine Jungen jetzt schlüpfen, dann werden wir erst einige Monate warten müssen bevor wir zur neuen Heimat der Reiter reisen können. Deine Jungen....sie werden die Zeit brauchen bevor sie eine solche Reise antreten können."
-"Das ist wahr."- murmelte Lumaja und ihr Blick wanderte zu Varus. -"Es wäre auch eine schöne Ehrung an diese Drachendame, Vervarda, die dich aufgezogen hat mein Sohn. Es wäre ein angemessener Ausdruck meiner Dankbarkeit, dass ich ihre Jagdgründe wähle um meine Küken ins Leben zu entlassen."-
Der Blick der Drachendame wurde wieder hart als sie zurück zur Darus blickte.
-"Also gut. Aber ich will dein Versprechen in der alten Sprache, dass du und Harkor dann keine weiteren Ausflüchte mehr suchen werdet!"
Bereitwillig begannen Darus und Harkor diese Eide abzulegen. Naja beobachtete sie dabei. Es war nichts was die beiden sagten oder taten aber die junge Reiterin konnte ein Gefühl nicht abschütteln das sie völlig vereinnahmte wenn sie den alten Reiter anblickte: Sie war sich sicher, dass man ihm nicht vertrauen konnte.

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