Die stille, freundliche Art des alten Mannes war eine Wohltat für Marlenas Seele.
Die irrationale Ablehnung von Garaths Mutter Elena hatte bei der jungen Halbling zu einer inneren Anspannung geführt. Erst jetzt begann die junge Halbling zu bemerken wie sehr sie sich innerlich verkrampft hatte.
"Theoderich!" Kenai kam lächelnd näher und schüttelte die Hand des alten Mannes. "Was macht ihr denn hier?"
"Mich der Prüfung stellen, so wie immer junger Kenai." lächelte der Mann dessen Name offenbar Theoderich war.
Marlena musterte ihn kurz von oben bis unten. Die sandfarbene Kutte des alten Mannes erinnerte Eragons Tochter an die Tracht eines religiösen Ordens.
Marlena konnte keine religiösen Symbole entdecken die auf den Glauben des Unbekannten schließen ließen. Das einzige Schmuckstück, das die junge Reiterin nicht sofort zuordnen konnte war ein Lederband am Gürtel des alten Mannes.
Auf das Band waren kleine Kugeln aufgefädelt. Einige waren aus einfachem hellen Holz, andere waren aus edleren Materialien. Eine oder Zwei der Kugeln waren, da war sich Marlena sicher, aus Gold.
Trotz des edlen Metalls konnten die nur etwa Traubengroßen Kugeln nicht viel wert sein.
Inzwischen wandte sich der alte Mann dem dunkelblauen Drachen an Kenais Seite zu.
"Na Irucan? Du bist ja schon wieder gewachsen! Und wen haben wir hier?"
Während Kenais Seelenbruder das Kompliment Theoderichs mit sichtlichem Stolz aufnahm verneigte sich der Mönch vor Alonvy und sagte:
"Ich grüße dich edle Himmelstochter. Es ist mir eine Ehre dich zu treffen. Wisse, dass deiner Reiterin von mir keine Gefahr droht. Ich hoffe das wir uns als Freunde gegenüber stehen."
Marlena erkannte in den Worten des Mönchs eine Abwandlung eines traditionellen Elfischen Grußes an einen Reiterdrachen. Ihr Vater hatte ihr einmal erzählt, das ihre Mutter Saphira einst Saphira auf diese Art begrüßt hatte, kurz nachdem sie von der Vergiftung durch den Schatten Durza genesen war. Es war in der Hauptstadt der Zwerge gewesen, kurze Zeit später war es zu der großen Schlacht gegen den Schatten Durza und die Urgals gekommen.
Das der Ordensbruder diesen Gruß beherrschte war ein klarer Hinweis für seine hohe Bildung.
Alonvy reagierte auf den Gruß des Mannes mit einem zutraulichen Brummen.
-"Sag diesem Zweibeiner bitte, dass sein Gruß mich sehr freut, kleine Halbling."- bat die weiße Drachendame. -"Auch ich hoffe, dass eine Freundschaft zwischen uns wachsen wird."-
Pflichtbewusst leitete Marlena die Worte ihrer Drachendame weiter und stellte dann sich und Alonvy vor.
"Oh, dann bist du wohl die Tochter von Eragon, nicht wahr mein Kind?"
Marlena war etwas verwirrt. Es war nichts ungewöhnliches, dass man sie als die Tochter des Schattentöters und Königsmörders erkannte aber Theoderich machte diese Feststellung mit einer höflichen Leichtigkeit die ungewohnt war für die junge Halbling. Die Leute versanken normalerweise fast vor Ehrfurcht wenn die Sprache auf ihre Eltern kam oder, wenn sie Eragon oder Arya als Gegner betrachteten, wurden sie Feindselig.
Marlena schätzte weder das eine noch das andere aber der Umstand, dass ihre Abstammung lediglich im höflichen Plauderton zur Kenntnis genommen wurde war eine erfrischende Abwechslung.
Marlenas Verwirrung hatte offenbar Einzug auf ihren Gesichtszügen gehalten. Ihr Gegenüber schmunzelte.
"Keine Sorge Mädchen, ich werde nicht vor Ehrfurcht erstarren. Es ist nicht die Art meiner Bruderschaft ein Lebewesen über den Rest der Schöpfung zu stellen."
"Theoderich, auch Theo für Freunde, ist der Älteste der hiesigen Gemeinschaft der Wächter des Lichts." erklärte Kenai der noch immer unsicheren Marlena.
"Oh, eure Glaubensgemeinschaft hat sich nach der Verwandlung des Helgrinds gebildet oder?" erkundigte sich Alonvys Reiterin nun und schüttelte die Hand die Theoderich ihr anbot.
"Richtig." erwiderte dieser. "Der Sieg eurer Eltern hat zu unserer Erleuchtung geführt. Ich hoffe ihr empfindet mein Auftreten nicht als Mangel an Respekt vor euren Eltern. Sie haben die Prüfung an jenem Tag bestanden aber es ist nicht der Weg meiner Bruderschaft lebende Wesen auf ein Podest zu heben, welches sie von anderen Lebewesen isoliert oder gar über jeden Zweifel erhebt."
"Im Gegenteil." lächelte Marlena. "Mein Vater wäre glücklich darüber, dass ihr ihn auf diese Weise seht. Die Tatsache, dass die Leute viele seiner Entscheidungen aufgrund seines Ruhm nicht mehr hinterfragen ist eine seiner größten Sorgen. Und das es sogar Wesen geben soll die Drachenreiter als gottgleich verehren ist ein Alptraum für ihn. Er lehnt es ab und versucht das zu unterbinden wo immer es geht."
"Dann ist er ein so weiser Mann wie man sagt." schmunzelte Theoderich. "Eine weitere Prüfung die er gemeistert hat."
"Was meint ihr mit Prüfung Theoderich?" erkundigte sich Marlena höflich.
"Oh, das ist eine Eigenart meines Ordens." erklärte der alte Mönch. "Wenn es euch interessiert erzähle ich euch gern mehr aber gehen wir doch bitte ein Stück. So lange wir hier vor ihrem Haus stehen wird Elena nicht zur Ruhe kommen und letztlich ist es ihre Tochter die Darunter dann leiden muss."
"Dann kennt ihr sie, Theoderich?" erkundigte sich Marlena. Sie begrüßte die Gelegenheit mehr über Garaths Familie erfahren zu können.
"Oh bitte, nennt mich Theo." schmunzelte der alte Ordensbruder während er gemeinsam mit Marlena und Kenai den Vorhof von Elenas Haus verließ und auf den Weg einbog der nach Cosaria zurück führte. Irucan und Alonvy trotteten hinter ihren Reitern her. Auch sie lauschten interessiert
Trotz seines offensichtlichen Alters schien der Mönch gut zu Fuß zu sein. Er schlug einen strammen Schritt an.
"Theoderich klingt immer so salbungsvoll." lächelte der alte Mann. "Und ja, ich kenne Elena und ihre Familie seit sie hierher gezogen sind."
Er schüttelte mit sichtlichem Bedauern den Kopf.
"Es ist tragisch, dass sie ihren Mann verloren hat. Besonders hat es sie getroffen, dass es keine Leiche gab. Ihr Mann ist nicht nur verstorben. Er ist ihr weggenommen worden und war einfach verschwunden. Das hat sie nie verwunden!
Sie hat mein Mitgefühl aber trotzdem ist es nicht recht was sie ihren Kindern antut! Ihr habt das ganz richtig erkannt Marlena Aryatochter: Jeder junge Vogel muss einmal sein Nest verlassen. Das ist eine unserer Prüfungen!
Ich versuche seit einem Jahr ihr das begreiflich zu machen. Ich besuche sie einmal jede Woche. Unterhalte mich mit ihr. Es hat mich fast drei Monate gekostet bis Elena mir genug vertraute um meinem Besuch nicht feindselig gegenüber zu stehen. Trotzdem bleibt das was ich zu tun vermag begrenzt. Ich höre zu, versuche, mit kleinen Schritten, ihr die angst zu nehmen, in der Hoffnung, dass sie sich wieder dem Leben zuwendet."
Theoderich seufzte.
"Leider war mein Erfolg sehr begrenzt. Zumindest konnte ich für ihre Kinder ein Fenster zur Welt sein. Ansonsten bin ich an dieser Prüfung bisher gescheitert."
"Ihr sprecht immer wieder von Prüfungen Thoder..... Verzeihung Theo. Was hat es damit auf sich?"
Der alte Mönch lächelte.
"So betrachtet mein Orden das Leben mein Kind. Anders als die dunklen Jünger des Helgrinds verehren wir keine Götter. Wir glauben lediglich, dass das Leben, welches wir führen nur ein Teil unserer Daseins ist. Genauer gesagt ist es eine große Prüfung. Wir sollte bei all unserem Tun danach streben Glück und Zufriedenheit um uns zu verbreiten. Gelingt uns das haben wir die Prüfung, die die große Herausforderung, also das Leben, an uns stellt bestanden. Es ist nicht immer einfach. Man muss die dinge in sich bekämpfen die uns vom rechten Weg abbringen. Gefühle wie Stolz, Eitelkeit, Hochmut und Gier. Auch Eifersucht und Zorn. All diese Dinge bringen uns vom rechten Weg ab und mehren nur Leid und Unfrieden in unserem Leben und in dem unserer Mitmenschen.
Deshalb auch meine Einstellung euren Eltern gegenüber Marlena. euer Vater hat richtig erkannt, dass es nicht gut ist sich über andere zu stellen. Eine Weisheit die auch wir Wächter verinnerlicht haben. Deshalb achten wir ihn für die Prüfungen die er gemeistert hat aber wir erheben ihn nicht auf ein Podest, dass ihn über jeden Zweifel erhebt.
Man kann eine Prüfung des Lebens bestehen aber an einer Anderen Scheitern und umgekehrt! Man darf ein Wesen nicht nur für das Achten was es getan hat. Was es tut, jetzt und hier, ist ebenso bedeutend! Es ist sogar das was entscheidend ist!
Manchmal wählt das Leben die Prüfungen für uns, manchmal beginnt die Prüfung schon damit sie als solche zu erkennen! Oft sehen wir Leid bei unseren Mitmenschen und fragen uns: Was geht mich das an? Wir gehen einfach weiter anstatt stehen zu bleiben und Hilfe anzubieten."
"So wie ihr bei Elena." folgerte Marlena.
"Richtig." bestätigte Theo. "Ich sehe ihren Schmerz und den ihrer Kinder und versuche etwas dagegen zu tun. Soweit es mir möglich ist. Leider...."
Theoderich ließ den Satz unvollendet. eine Weile schritten Marlena, Kenai und ihre Drachen gemeinsam mit dem Ordensmann nebeneinander her.
Erneut fiel der Blick auf die Kette von Kugeln die die der Ordensmann an seinem Gürtel trug.
"Was sind das eigentlich für Kugeln Theo?" erkundigte sich die junge Halbling höflich.
"Oh!" Theoderich hob die Kette an und ließ sich die Kugeln durch die Finger gleiten. "Eine weitere Tradition von uns Wächtern. Unsere Gemeinschaften kommen regelmäßig zusammen und unsere Mitglieder berichten von den Prüfungen denen sie sich gestellt haben. unsere Ältesten entscheiden dann ob sie nach den Grundsätzen unseres Ordens gemeistert wurden. Als Anerkennung für besondere Leistungen erhält man dann eine solche Kugel. Das Material steht für die Qualität der Prüfung der wir uns stellen mussten. Goldene Kugeln wie diese."
Thoderich zeigte Merlena eine.
"Solche stehen für ganz besondere Leistungen. Diese hier habe ich erhalten für eine Nothilfe bei einem Brandt."
Erneut ließ Theoderich die Kugeln durch seine Finger gleiten und verweilte bei einer hölzernen ganz am Anfang der Kette.
"Ob ihr es glaubt oder nicht Marlena aber diese Kugel hat sogar entfernt mit eurer Familie zu tun."
"Wirklich?!" erkundigte sich Alonvys Reiterin verblüfft.
Theoderich nickte.
"Ich war ein junger Novize unserer Gemeinschaft, als wir ein neues Mitglied aufnahmen. Einen alten Mann, der lange Jahre bei den Elfen gelebt hatte um für ein Verbrechen zu büßen. Er scheiterte an einer Prüfung die das Leben an ihn stellte. Sein Name war Sloan."
Marlena erkannte den Namen sofort.
"Der Großvater meiner Cousine Ismira?"
"So ist es." lächelte Theoderich. "Sloan hatte sich Furcht und Hochmut ergeben und diese Dinge trieben ihn zum Morde. Als er zu uns kam hatte er begriffen was für ein Verbrechen er begangen hatte und wollte Buße tun. Der Vorstand unserer Gemeinschaft wollte ihm diese nicht verwehren aber einige meiner Glaubensbrüder hatten Zweifel."
Theoderich hob die Schultern zu einer stillen Entschuldigung.
"Auch wir Wächter sind nur Sterbliche die Fehler begehen können. Viele mieden Sloan wegen seiner Taten. Ich jedoch habe damals den Versuch gemacht mich mit ihm anzufreunden. Ihm den Weg in unsere Bruderschaft leichter zu machen und ich wurde mit einem guten Freund belohnt der mir einiges über das Volk der Elfen zu berichten wusste. Der Abt war von meiner Offenheit angetan und verlieh mir diese Kugel. Sloan war mir ein guter Freund. Es hat mir große Freude bereitet, dass er in der Lage war seine Schuld einzugestehen und das er sich mit seiner Tochter ausgesöhnt hat. Ich habe ihm geholfen sich in unserer Gemeinschaft einzufinden und ich habe ihn bis zur Schwelle begleitet. Ich war bei ihm als er ins Licht getreten ist. "
Marlena nickte anerkennend. Natürlich kannte sie die Geschichte von Ismiras Großvater. Sie erinnerte sich an den Besuch den sie ihrer Tante Katrina abgestattet hatte kurz nachdem Königin Nasuada verstorben war. Auch die alte Gräfin des Plancartals war froh gewesen, dass sie und ihr Vater sich wieder zusammengefunden hatten.
Sloan war schon vor Jahren verstorben. Theoderich musste ein junger Mann gewesen sein als Sloan sich den Wächtern anschloss. Es beeindruckte sie, dass sich der Mönch bereits in jungen Jahren nicht von Vorurteilen hatte leiten lassen.
"Ihr habt euch diese Kugel verdient." sagte sie. "Ich weiß, dass es meiner Tante Katrina viel bedeutet hat, dass ihr Vater Frieden gefunden hat."
"Das freut mich zu hören." lächelte der Mönch. "Ich hoffe, dass ich auch Elena helfen kann. Stimmt es das ihr Sohn zum Reiter berufen wurde?"
"Allerdings." bestätigte Marlena lächelnd
"Ein kleines rotes Drachenmädchen ist für ihn geschlüpft." erklärte Kenai schmunzelnd. "Ein kleines Bündel voll Lebensfreude mit Namen Aurelia."
"Das freut mich für ihn!" lachte Theoderich. "Ein neuer Morgen zieht für ihn herauf."
Der Ordensbruder überlegte kurz, dann trat er näher zu Marlena und legte ihr die Hand auf die Schulter.
"Tut mir einen Gefallen und habt ein Auge auf ihn. Er ist sehr wütend auf seine Mutter. Helft ihm diesen Zorn loszulassen. Wut kann eine Seele ebenso zerfressen wie Angst es vermag."
"Das werden wir." versicherte Marlena. "Ich hoffe ihr könnte Elena und Garaths Schwester helfen. Ich war wohl keine Hilfe."
"Da irrt ihr mein Kind!" Theoderich hob den Zeigefinger um seine Worte zu unterstreichen. "Ihr habt Elena erreicht Marlena! Für einige Augenblicke nur hat sie hinterfragt wie sie ihre Kinder behandelt. Ich hatte die Hoffnung schon fest aufgegeben, dass das überhaupt möglich ist aber ihr habt es erreicht. Grämt euch nicht weil ihr sie nicht völlig überzeugen konntet. Diese dinge brauchen Zeit! Ihr habt mir jedoch bewiesen, dass es möglich ist und deshalb werde ich nicht aufgeben! Ihr habt euch heut einer Prüfung gestellt und sie bestanden."
Er lächelte warm.
"Ihr hättet heute eine Kugel verdient."
Abstimmen nicht vergessen;)
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Eragon-OS-Sammlung
FantasyDiese One-shot Sammlung von Eragon gehört nicht mir. Ich habe sie nur auf ff.de gefunden der eigentliche Autor heißt auf ff.de Traeumer. Die One-shots beziehen sich auf seine Eragon Fortsetzungen. (Man kann die Geschichte auch auf Fanfaction.de lese...