Murtagh streckte sich genüsslich auf dem Bett seiner Unterkunft aus. Narie und Marek waren so weitsichtig gewesen ein halbes Duzend Schülerquatiere anzubauen und so war es ihnen nicht schwer gefallen ihre Gäste unterzubringen.
Auch der Drachenhort war großzügig angelegt worden aber da nun zwei der ältesten lebenden Drachen dort untergebracht waren wurde es zumindest eng. Glücklicherweise erstreckte sich die künstlich angelegte Höhle tief in den Felsen, so dass auch Dorn und Lenjara einen geschützten Unterschlupf gefunden hatten, gemeinsam mit Alonvy, Kira Laorie und Irucan.
Die kleine Aurelia schlief aufgrund ihrer Jugend noch im Zimmer ihres Reiters. Murtagh war bereits aufgefallen, dass das Drachenjunge nur ungern die Seite ihres Reiters verließ. Zwar war es nicht ungewöhnlich, dass Küken die Nähe ihrer menschlichen Partner schätzten aber normalerweise heilt sich dieser Wunsch die Wage mit der hervorstechendsten Charaktereigenschaft aller Drachenkinder: Der Neugier. Jedes Küken wollte die Welt erkunden und war dabei kaum zu bremsen.
Bei Aurelia war dieser Impuls zwar auch vorhanden aber mehr als einmal hatte sich das Drachenfräulein energisch rückversichert ob ihr Reiter, der junge Garath, noch in der Nähe war.
Dieses Verhalten war Murtagh zunächst seltsam vorgekommen. Erst als sich die Gelegenheit zu einem vertraulichen Gespräch mit seiner Nichte ergeben hatte begann sich ein Bild zu formen.
Marlena hatte Murtagh über die Familie von Garath aufgeklärt und über die unglücklichen Vorfälle bei der Reiterprüfung.
Es hatte Murtagh einen Stich versetzt. Er hatte sich an den Moment erinnert gefühlt als Dorn das Licht der Welt erblickte.
Er verkrampfte sich als die Erinnerungen in ihm aufstiegen. Er war damals mehr tot als lebendig gewesen.
Galbatorix Strafe für seinen Ungehorsam war grausam gewesen. Folter, gefolgt von Einzelhaft. Man hatte ihn allein gelassen mit seinen Schmerzen.
Dann, er wusste selbst nicht wie lange er allein gewesen war, hatten die Zwillinge ihn aus seiner Zelle geholt und ihn in einen Raum geschleift wo die beiden Dracheneier des Königs ruhten. Dort hatte man ihn eingeschlossen.
Murtagh wusste, dass er nur augenscheinlich allein gewesen war. In Urû'baen war niemand jemals wirklich allein gewesen. Er wusste, dass Galbatorix ihn niemals mit den eiern unbeaufsichtigt allein gelassen hätte. Er war sich sicher gewesen, dass der König ihn beobachtete.
Er hatte still in einer Ecke gekauert und zu den Götter gefleht, dass keiner der Drachen schlüpfen möge. Er wollte nicht so werden wie sein Vater!
Einmal mehr jedoch hatte das Schicksal seine eigenen Pläne gehabt. Das rote ei hatte zu wackeln begonnen. Risse hatten sich gebildet und schließlich war Dorn geschlüpft.
Noch genau erinnerte Murtagh sich an den Moment als ihre Seelen sich verbanden. Es war erschreckend und wunderbar zugleich gewesen.
Erschreckend weil er seinen Verstand stets so verbissen verteidigt hatte und wundervoll weil Dorn ihn so vollständig akzeptierte wie er war. Noch nie hatte er so bedingungslose Liebe erfahren.
Rückblickend betrachtet musste Murtagh Galbatorix Respekt zollen. Was folgte war eine brilliante Manipulation gewesen.
Man hatte ihn und Dorn zunächst allein gelassen. Man hatte ihnen Essen gebracht und Decken damit sie es warm hatten. Galbatorix hatte Murtagh alle Zeit gelassen Dorn kennen zu lernen. Die Unschuld und Lebensfreude des jungen Drachens und dann hatte er seinen Zug gemacht:
Er hatte Murtagh enthüllt, dass er ihn zu jedem Zeitpunkt seiner "Flucht" überwacht hatte. Ein Wort von ihm wäre genug gewesen um ihn wieder in seine Gewalt zu bekommen. Murtagh hatte sich hilflos gefühlt, dumm und naive. Wie hatte er glauben können, dass er gegen Galbatorix erfolgreich sein konnte? Der bloße Gedanke war ihm in seiner Verzweiflung lächerlich vorgekommen.
In diesem Zustand hatte Galbatorix dann den Treueschwur gefordert. Er hatte Dorns Leben bedroht um von Murtagh zu bekommen was er wollte und dem jungen Mann war nur eine einzige Möglichkeit eingefallen wie er das schützen konnte was ihm wertvoller geworden war als alles andere zuvor. Er gab dem Tyrannen was er wollte.
Auch Dorn war damals jung und unschuldig gewesen und es versetzte Murtagh in Wut, dass einem jungen Drachen, der seinem eigenen so ähnlich war, die ersten Momente mit seinem Reiter genommen worden waren.
Er atmete tief durch und verbannte die dunklen Erinnerungen wieder in die Tiefe seines Geistes. Er dachte an etwas angenehmeres. Seine Nichte, Eragons Tochter, ja, sie war ein wirksames Mittel alte Dämonen zum Schweigen zu bringen.
Alonvys Reiterin erinnerte Murtagh so sehr an ihren Vater.
Dorns Reiter schmunzelte. Genau wie Eragon war die junge Frau jemand, der mit dem Herzen dachte. Er erinnerte sich wie er Eragon damals kennen gelernt hatte. Es war das erste gewesen, was ihm an dem jungen Reiter damals aufgefallen war.
Eragon dachte mit dem Herzen. Wenn er eine Ungerechtigkeit sah, dann konnte er sich nicht abwenden! Er musste etwas dagegen tun, egal wie gefährlich es war.
War das nicht, zumindest damals, der größte Unterschied zwischen Selenas Söhnen gewesen? Murtagh hatte gelernt die Unwillen des Schicksals zu überleben. Eragon versuchte sie zu ändern.
.......Und seine Tochter ist ganz genau so......schmunzelte der dunkelhaarige Reiter.
Ein Geräusch vom Fesnter her erregte die Aufmerksamkeit des Drachenreiters. Murtagh erhob sich und ging zum Fenster. Unter ihm erstreckte sich der mondbeschienene Jörmundur. Im sibernen Licht sah Murtagh wie Dorns Silouette davon glitt, fast lautlos über dem Wasser schwebte und auf einen Punkt des Ufers zusteuerte der etwas außerhalb von Cosaria lag.
Murtag reckte seine geistigen Fühler aber Dorns Seele war fest verschlossen. Unschlüssig sah der Dunkelhaarige seinem Drachen nach. Ihm war nicht entgangen, dass Dorn in letzter Zeit rastlos geworden war.
Noch während Murtagh überlegte was er nun tun sollte stieß ein anderer Geist den seinen an.
Behutsam senkte er seine geistigen Schilde und spürte nach wenigen Augenblicken Kiras Anwesenheit.
Die Drachendame war Dorns Schwester und Murtagh kannte sie daher gut.
-"Komm bitte zu mir."- forderte die rote Drachendame sanft aber nachdrücklich.
Murtagh war lange genug ein Reiter um zu wissen, dass es keinen Sinn hatte mit Drachen zu diskutieren. Seine Hose trug er noch, daher brauchte er sich nur sein Wams überzustreifen, in seine Stiefel zu schlüpfen und Zar roc umzuschnallen. Schnell lenkte er seine Schritte in den Drachenhort. Wie überall im Anwesen war auch hier die nächtliche Ruhe eingekehrt. Die Drachen schliefen. Allein Kira war wach und erwartete den Reiter ihres Bruders an der Einflugöffnung. Vor ihr lag ihr Sattel.
Etwas unsicher trat Murtagh neben die Drachendame und blickte zu ihr auf.
Vielsagend legte Kira sich nieder. Ein stumme Aufforderung sie zu satteln.
Murtagh blickte sie unsicher an.
-"Er braucht dich jetzt."- erklärte Dorns Schwester schlicht. -"Und ich werde dich zu ihm bringen."-
So sanft Kiras Stimme auch war, Murtagh war klar, dass sie keinen Widerspruch duldete und kam ihren Wünschen nach.
Augenblicke später glitten sie über den Jörmundur. Der Flug währte nur kurz. Dorn lag etwa eine halbe Meile von den Stadtmauern entfernt am Ufer und starrte über den See.
Kira landete Sanft in respektvoller Entfernung zu ihrem Bruder. Murtagh war inzwischen geübt darin im Verhalten von Drachen zu lesen. Sein erster Besuch in der Ostmark hatte ihm vor Jahren gezeigt wie wenig er eigentlich über das Volk seines Seelenbruders wusste und er hatte alles in seiner Macht stehende getan um zu lernen.
Aus Kiras Verhalten las Dorns Seelen Bruder, dass sie ihrem Bruder zeigen wollte, dass sie ihn achtete und nicht herausfordern wollte.
Trotzdem hob Dorn den Kopf als Kira landete. Sein Blick glitt kurz zu Murtagh, dann fixierte er seine Schwester. Eine leichter Verärgerung blitzte in den rubinroten Augen auf.
Kira indes hielt dem Blick ihres Bruders unbeeindruckt stand. Murtagh spürte, dass viel geschah zwischen den Geschwistern. Lautlos, in der Stille der Nacht tauschten sich Bruder und Schwester aus. Machten ihren Standpunkt klar, bekundeten Respekt, versicherten sich ihrer Zuneigung und betonten, dass die Privatsphäre geachtet wurde aber machten auch deutlich, dass Liebe sich manchmal über solche Grenzen hinweg setzen musste.Resignation darüber, dass die Schwester ihn so gut kannte, Zufriedenheit dem Bruder geholfen zu haben ein kurzer Abschied.
All dies geschah in einem Augenblick und völlig lautlos.
Zufrieden ließ Kira Murtagh absteigen und erhob sich ohne ein weiteres Wort in den nächtlichen Himmel.
Unschlüssig blickte der Dunkehaarige zu seinem Drachen. Dorn erwiderte den Blick, stieß ein Schnauben aus und legte den Kopf schließlich wieder zwischen seine Pranken. Eisern starrte er auf den See.
Murtagh hatte allerdings eine gewisse einladung aus dem Verhalten seines Drachen herausgelesen und trat näher.
Er setzte sich neben Dorns mächtiges Haupt. Der Blick des roten Drachens blieb auf den See gerichtet.
Murtagh zog die Beine an den Körper und beschloss zu warten. Dorn würde reden wenn er bereit war.
Die Minuten verstrichen. Schließlich richtete sich der Blick von Dorns Auge auf Murtagh.
-"Kira?"- fragte er.
-"War überzeugt, dass du mich brauchst."- vollendete Murtagh.-"Aber das hat sie dir ja schon gesagt."-
Dorn klappte ärgerlich mit den Kiefern.
-"Ja, hat sie."-
-"Was mich zu der Überzeugung bringt, dass du auf Zeit spielst alter Freund."- schmunzelte Murtagh. -"Oder warum bringst du sonst etwas zur Sprache was längst geklärt ist?"-
Dorn brummte nur versonnen.
Murtagh lächelte schwieg aber. Er hatte Dorns Unrast bemerkt und sie waren lange genug verbunden. Dorn wusste, was sein Reiter wusste.
-"Glaubst du das ich ein guter Vater sein werde?" erkundigte sich der rote schließlich.
Ein anderer hätte vielleicht gelacht ob dieser Frage. Murtagh aber wusste wie ernst seinem Drachen diese Frage war.
-"Ich meine, als Lenjara und ich zu Nistpartnern wurden...... Ich wusste das das passieren kann aber es ging erst einmal nur um uns. Ich habe einfach.....Ich weiß nicht....."-
Dorn brach ab. Aber mehr war auch nicht nötig. Murtagh verstand.
-"Ich kenne all diese Gefühle, all diese Zweifel."-
Dorn hob leicht den Kopf.
-"Du und Nasuada?"-
Gefühle begleiteten die Frage des roten Drachens. Es machte es für Murtagh leichter weiter zu sprechen. Er wusste das Dorn verstand, dass dies kein leichtes Thema für ihn war und das er die Worte zu schätzen wusste.
-"Als sie schwanger wurde, mit unserem Sohn, da habe ich mich genau so gefühlt wie du jetzt. Ich konnte mit Kindern nicht wirklich etwas anfangen. Sie kamen mir manchmal regelrecht dumm vor. Wie kann man mit solch einer Naivität durchs Leben gehen? Mit so einer Neugier? So einem Glauben daran, dass alles gut wird?
Und wenn ich andere Eltern gesehen habe......Ich habe immer nur gesehen, was ich nicht tun kann. Was ich nicht geben kann nach allem was......"
Murtagh unterbrach sich kurz um seine Gedanken zu ordnen.
-"Was ist dann passiert?"- wieder begleiteten Gefühle Dorns Worte. Verständnis aber auch drängende Neugier.
Murtagh verstand. Sein Drache fühlte nun genau so wie er damals.
-"Dann?"- Er lächelte. -"Dann wurde Jalhod geboren und auf einmal war alles anders. Dieses Kind war eben nicht nur ein Kind sondern mein Kind! Und als mir das klar wurde, da wusste ich, dass ich in der Lage sein würde ihm alles zu geben und noch mehr. Es war auch nicht mehr wichtig was andere Eltern taten und was ich anders anging. Er war mein Sohn und ich habe ihn geliebt von dem Moment an als ich ihn das erste Mal im Arm hatte. Das ist alles was zählt Dorn. Und glaub mir eins: Dir wird es bei deinen Kindern ganz genau so gehen!"-
-"Glaubst du?"- fragte der Rote hoffnungsvoll.
-"Ich kenne dich. Ich kenne dich wie kein anderer in Alagaesia. Ich weiß, dass es so sein wird."-
Dorn zwinkerte seinem Reiter dankbar zu, dann verharrte er einen Moment.
-"Kira muss gewusst haben, dass du der einzige bist, dem ich das ohne Vorbehalte glaube."-
-Sie ist eben eine weise Drachendame."- scherzte Murtagh.
-"Natürlich."- brummte Dorn.-"Sie ist ja auch meine Schwester."-
Murtagh lachte leise und lehnte sich gegen Dorns Flanke. Ohne Worte wussten Drache und Reiter, dass sie hier gemeinsam auf den neuen Tag warten würden.
Abstimmen nicht vergessen;)

DU LIEST GERADE
Eragon-OS-Sammlung
FantasyDiese One-shot Sammlung von Eragon gehört nicht mir. Ich habe sie nur auf ff.de gefunden der eigentliche Autor heißt auf ff.de Traeumer. Die One-shots beziehen sich auf seine Eragon Fortsetzungen. (Man kann die Geschichte auch auf Fanfaction.de lese...