162. Das Heiligtum Teil 3

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Das Abbild Naries wirkte erleichtert.
"Es freut mich, dass ihr meiner Bitte zustimmt Arget Un. Ich denke, dass es wirklich das Beste ist für die Beiden."
"Irgendwie tut mir diese Elena nur trotz allem leid." murmelte Eragon.
"Dem kann ich mich nur anschließen." betonte Arya. "So falsch ihr Verhalten auch sein mag, letztlich fußt es auf Angst. Angst vor dem Leben selbst."
"Da magst du recht haben Rabenmäne." räumte die jüngere Elfe ein. "Sie hat natürlich mein Mitgefühl aber es geht nicht nur um sie! Es geht um ihre Kinder und die vergisst sie völlig."
Das Abbild von Narie erhob sich aus dem Sessel in dem die Drachenreiterin bisher gesessen hatte und begann auf und ab zu gehen. Das Bild das Eragon und Arya sahen folgte ihr.
Einige Augenblicke rang die Elfe die Hände bevor sie fortfuhr:
"Elena behauptet zwar, dass es ihr um ihre Kinder geht aber im Grunde stehen nur ihre Wünsche im Vordergrund! Und das Verwerflichste ist, dass sie die Liebe ihrer Kinder gegen diese ausspielt! Sie weckt Schuldgefühle, redet ihnen ein, dass es doch ihre Pflicht wäre zur Mutter zu stehen, das ist einfach......"
Narie unterbrach sich. Mit einer Hand fuhr sich die junge Elfe übers Gesicht, die andere, bemerkte Eragon, ruhte auf ihrem Bauch.
"Silberschopf, du solltest dich nicht so aufregen!" forderte Arya sanft.
Auch ihr war die beschützende Geste ihrer Cousine nicht entgangen.
Müde blickte Narie wieder zum Spiegel. Nach einigen Augenblicken lächelte sie Arya beruhigend an.
"Keine sorge Rabenmäne. Mir......UNS geht es gut. Aber ich gebe zu, dass mich die ganze Situation trifft. Auf einer sehr persönlichen Ebene!"
"Verständlich." erwiderte Arya schlicht.
Eragon ergriff nun das Wort:
"Verzeih wenn ich nachfrage Narie aber du sprichst von Kindern. Hat Elena noch weitere?"
"Eine Tochter." bestätigte Narie. "Sie heißt soweit ich weiß Reanna. Wir haben versucht ihr zu helfen, ihr klar zu machen, dass der Orden sie, als Angehörige eines Novizen, unterstützen würde wenn auch sie sich von ihrer Mutter lösen will. Leider hat sie nicht reagiert. Garath meint, dass sie wohl einfach nicht die Kraft hat den Schritt zu tun, den er getan hat. Sie scheint fast abhängig von ihrer Mutter. Das mag daran liegen, dass sie jünger war als Elena damit begann ihre Kinder so an sich zu binden."
"Bedauerlich." flüsterte Arya mitfühlend.
"In der Tat." pflichtete Eragon bei, ergänzte dann aber: "Auch wenn es hart klingt müssen wir das aber respektieren. Wir gewähren Hilfe dem, der darum bittet. Wir können und dürfen sie niemandem aufdrängen. Das wäre der erste Schritt, der uns auf einen sehr dunklen Weg führen würde."
Beide Elfen stimmten dieser Einschätzung vorbehaltlos zu.
Die Drachenreiter besprachen noch einige Einzelheiten:
Man kam überein, dass Garath und Aurelia bereits in zwei Tagen abreisen sollten. Ein Handelsschiff würde sie den Fluss hinauf bringen. Bis zur Ostmark war es eine etwa zehntägige Reise. In etwa zwei Wochen also konnten die beiden Schüler die Heimat der Reiter erreichen.
Der Unterricht sollte, zumindest teilweise von der Eskorte weitergeführt werden, welche Garath und Aurelia begleiten sollte.
Narie schlug vor, dass sie dreiköpfig ausfallen sollte. Eine elfischer Magier aus den Reihen der Krieger der Drachen, sowie ein Zwerg und ein junger Kull.
Eragon erkannte, dass Narie aus gutem Grund diese Krieger gewählt hatte. Völkerkunde dominierte die Phase der Ausbildung in der Garath und sein Drachenmädchen sich gerade befanden. Durch diese Begleiter konnte das junge Gespann Eindrücke über die Völker des Paktes aus erster Hand gewinnen.
Zufrieden mit der getroffenen Abmachung verabschiedeten sich die beiden Ältesten des Ordens schließlich von Narie.
Als das Abbild der jüngeren Elfe schließlich von der Oberfläche des Spiegels verschwunden war erhob sich Arya und schritt nachdenklich durch den Raum.
Eragon beobachtete seine Gefährtin stumm. Er wusste, dass sie sprechen würde wenn sie ihre Gedanken geordnet hatte und dazu bereit war.
Arya war ans Fenster getreten und ihr Blick wanderte ins Leere.
"Mir tut die Schwester von Garath, diese Reanna, leid. Uns allen ist nur ein Leben gegeben und das der Menschen ist so kurz bemessen. Es ist unverzeihlich, dass sie ihren Kindern die Farben und Freuden die das Leben zu bieten hat verweigert!"
Eragon erhob sich ebenfalls und trat neben die Elfe. Er blickte sie an.
Nach einigen Augenblicken erwiderte Arya seinen Blick.
"Ist es nur das, was dich quält mein Stern."
Arya lächelte und schlug kurz die Augen nieder.
"Was glaubst du denn, was mich sonst noch quält Liebster?"
Eragon erwiderte das zarte Lächeln das Arya ihm schenkte.
"Vielleicht die Tatsache, dass das was Elena tut zwar falsch ist aber doch auch so menschlich. So verständlich."
Aryas Lächeln erhielt eine bittere Note:
"Meine Mutter wollte mich auch nicht ziehen lassen und meine Entscheidung gegen ihren Willen zu handeln hat uns fast ein Jahrhundert entzweit."
"Ein großer Verlust für euch beide." räumte Eragon ein. Inzwischen hatte er genug Sommer gesehen um eine bittere Wahrheit als solche anzuerkennen: Manche Dinge, manche Fehler ließen sich nicht rückgängig machen. So sehr man es auch wollte. Und nicht selten verbrachte man sein ganzes Leben damit die verpassten Gelegenheiten zu bedauern.
"Ich weiß natürlich, dass die Situation mit mir und Islanzadi anders ist als die von Garath. Diese Elena sieht Gefahren wo keine sind. Ich wollte mich dem größten Feind stellen den unser Volk seit dem Krieg gegen die Drachen je gesehen hatte! "
"Aber das ist immer noch nicht der Kern des Problems oder?" forschte Eragon weiter.
Einen Augenblick lang sahen die beiden Gefährten sich an. Es überraschte Eragon fast, dass es seine Gefährtin war die den Blickkontakt schließlich unterbrach.
Arya machte ein paar Schritte vom Fenster fort, verharrte einen Augenblick und sah dann wieder zu Eragon.
"Als dieser alte Reiter damals Marlena vergiftet hat....... ich wollte ihr einen Leibwächter zuteilen. Ich wollte sie beschützen. wollte......."
Aryas Stimme war nur ein Flüstern gewesen. Fast als würde die Elfe den Versuch unternehmen ihre aufwallenden Gefühle unter Kontrolle zu behalten, nur einer begrenzten Menge zu gestatten die tiefen ihrer Seele zu verlassen.
Eragon überbrückte die Entfernung zu Arya und schlang die Arme um ihre Hüften.
"Wie jede Mutter auf der welt wolltest du dein Kind beschützen. Und ANDERS als Elena warst du Argumenten zugänglich und wir haben schließlich eine bessere Lösung gefunden. Du hast zugehört und dann im Interesse unserer Tochter gehandelt."
Eragon zog die schlanke Elfe noch etwas näher zu sich.
"Du siehst eine Gemeinsamkeit wo es keine gibt mein Stern."
Arya lächelte schließlich. Plötzlich jedoch sah Eragon eine Seltenheit in den tiefgrünen Augen aufblitzen. Etwas wie Verspieltheit.
"Außerdem." verkündete Arya. "Bin ich nicht der einzige der sich sich Sorgen macht um unseren keinen Stern."
Eragon lachte leise. Er wusste sofort wovon seine Gefährtin sprach. Natürlich war es Arya nicht entgangen, dass er sich während des Gesprächs mit Narie besorgt gezeigt hatte als er befürchten musste es gäbe ein Problem mit Marlena und ihrem Verehrer.
"Vielleicht ist das Böse deshalb so furchterregend mein Stern." flüsterte Eragon nun. "Wahnsinnige Tyrannen, die jede Menschlichkeit verloren haben sind eher selten. Meist entdeckt man ein Stück von sich auch in dem was man bekämpft."
"Und der Unterschied zwischen uns und ihnen ist oft nur ein Augenblick des Schmerzes der alles verändert." fügte Arya mit einem Anflug von Bitterkeit in der Stimme hinzu.
"Das kann der Unterschied sein." hielt Eragon dagegen. "Aber der beste Schutz ist es ein Leben zu führen, dass es wert ist gelebt zu werden. Ein ausgefülltes Leben. Eines, in dem es viele Dinge gibt für die es sich lohnt weiter zu machen, ganz gleich wie groß der Schmerz ist. In diesem Sinne....."
Lächelnd beugte sich Eragon vor und hauchte Arya einen Kuss auf die Lippen.
"Danke das du ein Teil meines Lebens bist mein Stern." vollendete ehr als sich ihre Lippen wieder trennten.
Arya hob eine Augenbraue. Ein Glanz lag in ihren Augen der Eragons Herz höher schlagen ließ.
"Wirst du jetzt wieder romantisch?" fragte die Elfe.
Eragons Antwort bestand darin seine Gefährtin noch etwas enger an sich zu ziehen und die Hände von ihren Hüften zur Verschnürung ihres Wamses gleiten zu lassen.




Am nächsten Morgen verließ Eragon sein Haus mit besonders guter Laune. Saphira hatte ihrem Reiter bereits mitgeteilt, dass sie Aroc heute in der Schlucht bei der Flugausbildung junger Drachen unterstützen würde. Auch Fírnen hatte aufgaben zu erfüllen und daher war keiner der beiden auf der Schlüpflingswiese anwesend als der Arget Un sein Haus verließ. Zielstrebig lenkte er seine Schritte zum Eingang seines Heiligtums. Über den Rand der Kiste die er trug bemerkte er, dass er bereits erwartet wurde.
Der rote Drache Inferno hatte es sich bereits neben der begrenzenden Hecke bequem gemacht während sein gehörnter Reiter etwas Unschlüssig vor der Eingangspforte wartete.
"Guten Morgen ihr beiden." grüßte der Anführer des Ordens. "Inferno, ich hoffe du hast Saphira um Erlaubnis gebeten bevor du hier gelandet bist. Du weiß, dass sie es nicht schätzt wenn man ungefragt ihre Heimstätte betritt."
"Wir haben mit Meisterin Schimmerschuppe gesprochen. " versicherte Kuratrek pflichtbewusst.
"Gut!" schmunzelte Eragon und drückte dem jungen Reiter der Urgals die Kiste in die Hand die er bisher getragen hatte. sie enthielt einige genau abgemessene Stoffbänder und einige Grabwerkzeuge sowie einige Messer. "Dann kannst du dich gleich nützlich machen junger Reiter. Die Weinreben müssen hochgebunden werden und ich werde dich in die Kunst des Spargelstechens einführen aber erst hätte ich gerne eine Antwort auf die folgende Frage: Warum ist dies mein Heiligtum?"
Eragon wartete nicht auf die Antwort sondern bedeutete dem jungen Urgalgra ihm zu folgen.
Gemeinsam schritten sie schon kurze Zeit später durch die reihen von Beeten und Anpflanzungen.
"Also?" fragte Eragon.
"Nun.....Inferno und ich haben darüber gesprochen." antwortete Kuratrek unsicher. "Ich dachte zuerst, dass ihr vielleicht zu Göttern der Erde beten würdet Meister. Das ihr sie vielleicht so ehren würdet aber das habe ich nicht recht geglaubt. Die Stimme des Blutes hat dies nicht als die Wahrheit enthüllt."
Eragon schmunzelte als er "Stimme des Blutes" hörte. So beschrieben urgals ihren Instinkt. Sie glaubten, dass die Stimmen von erfahrenen Kriegern durch ihr Blut, das Blut der Gehörnten, zu der jüngeren Generation sprach und ihnen Wahrheiten enthüllte. Es war nur natürlich, dass Kuratrek diesen Ausdruck benutzte.
Inzwischen fuhr der junge urgal fort: 2Inferno meinte dann, dass es vielleicht mit euren Vorfahren zu tun hat. Der Mann der euch aufzog war doch Bauer und auch euer Blutbruder.....also euer Cousin, Roran Hammerfaust bestellt doch auch Felder. Ehret ihr so vielleicht eure Vorfahren?"
Eragon blieb stehen und wandte sich zu Kuratrek um. Er lächelte und begann zu erklären.
"Deine Überlegungen gehen schon in die richtige Richtung junger Reiter. Aber es ist mehr als das!....."
Eragon hatte schon so oft jungen Reitern von den Gedanken berichtet die hinter seinem Heiligtum standen, dass die Worte fast ohne sein zutun über seine Lippen kamen.
die Gedanken des Arget Uns schweiften jedoch ab. Vielleicht war es die Tatsache, das Kuratrek Roran erwähnt hatte.
Eragon hatte stets ein Gefühl als ob ein Schatten über ihn fallen würde wenn er an seinen Cousin dachte. Rorans Anblick erinnerte ihn stets daran wie viel Zeit vergangen war und das sie an ihm wahrlich vorbeigegangen war.
Sicher, auch er war auch äußerlich kein Jüngling mehr aber er wirkte noch immer wie in der absoluten Blüte seiner Jahre. Roran jedoch war inzwischen ein Mann der von seinen Jahren gezeichnet war.
Eragon dankte den Göttern, dass der Graf noch einige Jahre vor sich haben würde doch Saphiras Reiter wusste, dass der Tag kommen würde an dem ihm ein schmerzlicher Abschied bevor stand.
Seine Gedanken glitten auch zu dem Gespräch das er gestern mit Arya geführt hatte. Das es oft nur ein Moment des Schmerzes war der den Helden vom Schurken trennte und das der Beste Schutz gegen den Absturz ein erfülltes Leben war.
In diesem Augenblick erkannte er eine neue Wahrheit über sein Heiligtum. Er beschloss diese mit Kuratrek zu teilen:
"Außerdem junger Reiter hilft mir dieser Ort noch auf eine andere Weise. Ich habe dir gesagt, dass mich dieser Ort meinen Wurzeln näher bringt, nicht wahr? Nun, wenn wir voran schreiten im Leben und unseren Blick auf die Zukunft richten neigen wir manchmal dazu nur noch das zu sehen was wir auf unserer Reise verlieren. Der Schmerz, all die Tränen und natürlich den Verlust. Das belastet uns und wir laufen sogar Gefahr unter der Last all dieser Dinge zusammen zu brechen.
Wenn wir uns aber auf unsere Wurzeln besinnen. Unsern Lebensweg noch einmal von seinem Ausgangspunkt betrachten, dann erkennen wir wie weit wir gekommen sind. Was wir erreicht und aufgebaut haben. Wir sehen die Dinge die wir hinzugewonnen haben und die immer noch bei uns sind. Die Dinge die wir heute vielleicht als selbstverständlich ansehen und sie deshalb nicht angemessen schätzen. Doch wenn wir uns erinnern wie wenig wir hatten als unsere Reise begann......Nun,......"
Eragon lächelte.
"Nun, es ist einfach wichtig die Dinge einfach mal aus einem etwas anderen Blickwinkel zu betrachten."
Eragon blickte Kuratrek an.
Der junge Urgal schien über das Gehörte nachzudenken.
"Ich glaube ich verstehe Meister. Nicht alles aber......ich glaube.....ich....."
"Sagt dir die Stimme des Blutes, dass es die Wahrheit ist?"
Eragons worte entlockten dem Reiter der Gehörnten nun ein warmes Lachen.
"Ja, ja das tut sie!"
"Gut." schmunzelte Eragon. "Der Rest des Verstehens kommt mit der Zeit junger Reiter. Nun....zu der Kunst des Spargelstechens....."







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