17. Regeln der Jagt

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Nach all ihren gemeinsamen Jahren kannte Eragon Saphira. Er wusste, dass er mit einer der stolzesten Drachendamen aller Zeiten verbunden war und dass das Temperament seiner Seelenschwester durchaus an das ihrer wilden Artgenossen heran reichte.
König Maranus hatte die heutige Besprechung mit dem Heiler Venris auf eine kunstvoll angelegte Terrasse am Rande der Residenz verlegt. Ein kleines Plateau grenzte an den königlichen Palast an und man hatte einen kunstvollen Garten mit reichhaltige Blumenbeeten angelegt. Ein kleiner Bach plätschert munter aus den Räumen des Palastes, speiste einen kleinen Brunnen im Zentrum des runden Plateaus und ergoss sich dann in einem kleinen Wasserfall, über den Rand der Anhöhe hinweg, in ein kunstvolles aus Baumwurzeln gesungen des Sammelbecken. Zwei breite, kunstvoll angelegte Treppen vom Plateau hinunter und entließen zweibeinige Besucher rechts und links vom Sammelbecken auf eine ausgediente Lichtung.
Diese Lichtung war der Hauptgrund weswegen das Treffen an diesem Ort stattfand. Sie war groß genug um es den Drachen zu ermöglichen bequem an dem Gespräch teilzunehmen. Der König hatte an die Bedürfnisse seiner geflügelten Gäste gedacht und, um ihren zweibeinigen Seelenpartnern gerecht zu werden, einen kleinen Tisch und Stühle auf einer freien Fläche des Plateaus aufstellen lassen. An diesem Tisch hatten sich bereits der König, Eragon Gefährtin Arya, sowie Cale und Ismira eingefunden. Die beiden jüngeren Reiter waren planmäßig zurückgekehrt und Rorans älteste Tochter hatte ihrem Oheim bereits im Vertrauen versichert, dass alles zu seiner Zufriedenheit verlaufen war.
Eragon hatte diese Nachricht dankbar aufgenommen. Damit waren all seine Argumente nun versammelt. Er war bereit.
Saphira ließ ein tiefes Knurren aus ihrer Kehle dringen. Die Augen der blauen Drachendame funkelten wütend und schwarzer Rauch stieg aus ihren Nasenlöchern. Ein kurzer Blick genügte dem erfahrenen Anführer der Reiter um zu erkennen, dass ein weiterer Versuch von Saphira smaragdgrünen Nistpartner seine stolze Gefährtin etwas zu beruhigen im Sande verlaufen war. Während sich Fíernen und Saphira Enkel, Tailon und Anarie, an einem bequemen Flecken der Lichtung niedergelegt hatten und entspannt auf das Beginnen der Konferenz warteten wanderte Saphira unruhig über die freie Fläche. Das Zucken ihrer Schwanzspitze verriet große Erregung und die Tatsache, dass sie ihre Flügel leicht abgespreitzt hielt verriet deutlich dass sie vor Wut kochte.
Wenn sie sich am Boden bewegten zogen Drachen ihre Schwingen stets eng an den Körper und achteten stets darauf, dass die empfindliche Flügelmembran sicher zwischen den Flügelknochen und den Körper verstaut war. Keine dornige Ranke und kein vorwitziger Ast sollten diesen empfindlichen Teil des Drachenkörpers beschädigen können. Die Tatsache, dass Saphira ihre Flügel nun leicht abspreizte war eine deutliche Warnung an alle Artgenossen. Niemand sollte ihr zu nahe kommen! Das würde sie als Herausforderung sehen.
Vorsichtig streckte Eragon seinen Geist aus und tastete nach seiner Seelenschwester. Schon bei der leichtesten Berührung zu Saphiras Kopf herum und sie fixiert ihre Reiter mit einem unnachgibigen Blick.
-" Was!?" - fauchte sie.
- "Bitte Saphira, versucht dich etwas zu beruhigen." -
- "Jetzt fängst du auch noch an!" -
Die blaue Drachendame steckte ihren Kopf etwas näher zu ihrem Reiter hin und verschärfte ihren Blick noch.
- "Ich bin Saphira Schimmerschuppe! Die Tochter von Verwarda! Mein Reiter ist der Anführer der Drachenreiter und ich bin die Mutter der Wiedergeburt meines Volkes! Jeder Drache, der heute lebt ist entweder von mir aufgezogen worden oder verdankt die Tatsache, dass sein Ei gelegt wurde mir! Ich habe Schruikans Blut gekostet, mit dir Galbatorix besiegt und bin noch nie in einem fairen Kampf besiegt worden! Und dieser Wurm von einem Elfen, dieser spitzohrige Feigling der schlafenden Müttern ihre Brut stiehlt wagt es mir zu sagen, dass er besser beurteilen könnte was einen waren Drachen ehrt und was nicht! Was glaubt dieser erbärmliche Haufen Fleisch und Knochen eigentlich wer er ist?!"-
Der Strom von Saphira Gedanken war immer mächtiger geworden während sie sprach und Eragon verzog inzwischen das Gesicht. Saphiras Wut war wie eine heiße Nadel die sich in sein Gehirn bohrte.
Als der blauen Darachendame auffiel, dass sie ihrem Reiter inzwischen Qualen bereitete brummte sie versonnen und die heiße Flut ihrer Gedanken ebbte etwas ab.
- "Entschuldige Kleiner. Das habe ich nicht gewollt." -
- "Schon gut." - beschwichtigte Eragon und rieb sich die Schläfe. - "Ich kann verstehen dass du wütend bist. Ich bin es ja auch. Alles was du gesagt hast ist die Wahrheit und jeden Titel denn Du trägst hast du dir durch deine Taten verdient."-
Eragon ließ seine Worte einen Augenblick wirken. Zufrieden stellte er fest, dass sie Saphira wirklich etwas beruhigten. Es tat der augepeitschten Seele der Drachendame gut, dass jemand ihre Taten anerkannte.
- "Du bist aber nicht nur starke sondern auch klug."- fügte er anschließend an.-" Darum beantworte mir folgende Frage: Ist es für einen Jäger weise wild durch das Unterholz zu stürmen, mit einem donnernden Brüllen seine Anwesenheit zu verkünden und seine Kraft sinnlos zur Schau zu stellen?" -
-" Nein, das ist es nicht."-gestand Saphira und schob ihren Kopf noch näher an Eragon heran bis ihr Auge direkt vor seinem Gesicht schwebte. - "Ich weiß was du vorhast Kleiner."-
-" Ich habe nicht erwartet das vor dir verbergen zu können meine Schöne."- schmunzelte der Reiter.-" Wir sind im Moment auf der Jagd Saphira. Unsere Beute ist schlüpfrig, schnell und scheu. Ich zweifle nicht an, dass deine Erregung begründet ist aber ich möchte dich bitten das Feuer, das im Augenblick in deinen Adern brennt zu zähmen. Die Strategie unserer heutigen Jagd beruht darauf, dass sie die Beute provozieren wollen. Sie soll sich aus der Deckung wagen und dann werden wir zu schlagen. Die Wahrheit wird die Klaue sein, die wir ins Fleisch der Beute graben und du weißt, dass nicht tiefere Wunden schlägt als die Wahrheit. Ich bin mir sicher, dass Venris noch in dieser Stunde eingesehen wird sehr endlich beleidigt hat und wenn es uns gelingt ihm die Augen zu öffnen, dann werde ich dafür sorgen dass er sich auch bei dir angemessen entschuldigt. Aber wir müssen ruhig bleiben. Was ist eine der wichtigsten Eigenschaften eines erfolgreichen Jäger?"-
Saphira hätte ihm sofort antworten können, aber Eragon spürte, dass sie sich ein wenig sträubte. Er vergisst ganz bewusst die gegenwärtige Situation mit der Jagd. Er wusste, dass dies Begriffe waren, wie sie verstand und deren Richtigkeit sie nicht in Zweifel ziehen würde.
- "Um erfolgreich Beute zu machen muss man die Natur seiner Beute verstehen. Begreifen wie sie denkt und wie sie die Welt sieht."-
-" Richtig. Und nun sagt mir weise Jägerin: Wie wird unsere Beute, dein gegenwärtiges Verhalten bewerten?"-
Eragon spürte deutlich, dass Saphira immer noch unwillige war, doch schließlich räumte sie ein:
-"Die Spitzohren würden es töricht und kindisch nennen wenn man seinen Gefühlen so freien Lauf lässt. Sie würden unseren Argumenten weniger Bedeutung beigemessen, weil sie uns gar nicht ernst nehmen. Selbst wenn das was wir sagen die Wahrheit ist."-
Eragon nickte schlicht.
Saphira stieß ein Geräusch aus, das deutlich zeigte, dass sie die Wahrheit in Eragons Argumentation am liebsten entkräftet hätte aber ihr dummerweise kein passendes Argument einfiel.
-" Es ist wirklich ärgerlich wie klug du inzwischen geworden bist."- brummte sie schließlich und trottete zu ihren Artgenossen. Ohne lange um Erlaubnis zu bitten legte sie ihren Kopf auf Fíernens Vorderpfoten ab und dieser begann sofort sanft, mit der Schnauze ihren Hals zu streicheln. Aryas Wegbegleiter wusste sehr wohl, dass seiner langjährigen Partnerin gerade diese Liebkosung sehr gefiel.
-" Ohne dich wäre ich immer noch rettungslos verloren Saphira."- schmunzelte Eragon.
- "Das musst Du mir nicht sagen Kleiner. Das weiß ich auch so." - schnappte die schmollende Drachendame, ließ ihren Worten aber eine Welle der Zuneigung folgen.
Zufrieden kehrte Eragon an den Konferenztisch zurück wo ihn die anderen Reiter und König Maranus bereits erwarteten. Arya beugte sich zu ihren Gefährten herüber und flüsterte ihm zu:
-"Was meint Fírnen damit wenn er sagt, du wüsstest wie man mit Frauen reden muss?"-


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