69. Reiterprüfung Teil 4

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Eragon hatte den Eindruck, dass Sina den Jubel der umstehenden Elfen, wenn überhaupt, dann nur am Rande ihres Bewusstseins wahrnahm. Zu sehr war sie vom Anblick des Schlüpfling gefesselt, der sich nun auf die Beine kämpfte und mit ärgerlichem Brummen auf die klebrige Eihülle starrte, die seine Schuppen bedeckt.
Kräftig schüttelte sich der neugeborene Drache, musste allerdings feststellen, dass es nicht so einfach sein würde sich zu säubern. Resigniert schnaufte der Winzling und begann mit einer Zungenwäsche.
Sina trat zu ihrem neuen Weggefährten und begann ihn zu unterstützen. Mit einem leicht entrückt wirkenden Lächeln begann sie die Schuppen des Schlüpfling mit dem Saum ihres Ärmels abzuwischen. Das Küken kommentierte die Bemühungen der Elfen mit einem dankbaren Summen und begann sich so zu drehen und zu wenden, dass es die Elfen leichter hatte die Eihülle zu entfernen.
Schmunzelnd beobachtete Eragon die Säuberungsaktion und erkannte mit geübtem Blick zwei Dinge:
Zum einen ließ sich bei näherem hinsehen sagen, dass Sinas Schützling kein "Er" war sondern ein junges Drachenfräulein. Das zweite Faktum war die interessante Färbung der Schuppen des Kükens.
Bereits die Schale des Eis hatte, in seinen Schattierungen von grau und weiß, sehr interessant gewirkt. Je nachdem wie das Licht auf Ei eingefallen war, hatte sich die Marmorregierung leicht gewandelt und einen interessanten Effekt erzeugt. Die Schuppen der jungen Drachendame taten dasselbe.
Eragon ertappte sich dabei wie er mehrfach blinzeln musste um den Schlüpfling genau im Blick zu behalten. Inzwischen machte sich das Drachenfräulein einen Spaß daraus der suchenden Hand ihrer Reiterin immer wieder auszuweichen. Mit zuckender Schwanzspitze presste sich das noch namenlose Küken an die Tischplatte und hopste jedes Mal ein Stück zur Seite wenn die Hand seiner Seelenpartnerin sich zu ihr ausstreckte. Gerade diese hastigen Bewegungen brachten die Besonderheit der Schuppen der Kleinen zum Ausdruck. Durch die ständig wechselnde Marmorregierung wurden die Konturen des Schlüpflings scheinbar aufgebrochen. "Nebeldrache".... Eragon schmunzelte erneut als er an die Worte seiner Tochter dachte. Genauso unwirklich wie das feine Gespinst des Nebels wirkte das junge Drachenfräulein. Schwer fassbar und irgendwie geisterhaft. Das klackernde Geräusch, welches die Krallen des jungen Drachens auf der Tischplatte verursachten, schien gar nicht wirklich zu dem Winzling zugehören.
- "Das wird der Kleinen noch sehr nützlich sein." - kommentierte Saphira in die Gedanken ihres Reiters hinein.
- "Wieso?" -erkundigte sich Eragon während er kurz die Augen zusammenkniff und sie mit Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand rieb. Sie hatten vor Anstrengung zu tränen begonnen. Es war schwierig den Bewegungen des neugeborenen Drachenfräuleins zu folgen ohne dass die Augen ermüdeten.
- "Genau deshalb Kleiner." - gluckste Saphira amüsiert. - "Ein Gegner wird die selben Probleme haben diesen Schlüpfling im Blick zu behalten. Das ist ein Vorteil den unsere jüngste Schülerin lernen wird zu nutzen. Ich habe während meiner Ausbildung gelernt, dass auch das Blau meiner Schuppen recht nützlich sein kann. Es ist dir vielleicht nicht aufgefallen, aber hast du nie bemerkt, dass ich in einem Luftkampf immer versuche über meinen Feind zu kommen?"-
Eragon dachte einen Augenblick darüber nach, dann musste er seiner Drachendame zustimmen. Sie war wirklich bemüht ihre Gegner stets von oben anzugreifen.
- "Weil mir Gleadr beigebracht hat, dass das Blau meiner Schuppen praktisch mit dem Blau des Himmels verschmilzt. Ein ähnlicher Effekt wie bei diesem jungen Drachenfräulein dort. Körpersprache ist sehr wichtig wenn man die Absichten seines Gegners voraus ahnen will. Es besteht kein Grund es einem Gegner einfach zu machen dies zu tun. Es ist ein Teil dessen was wir unseren geflügelten Schülern beibringen. Sie lernen wie sie die Farbe ihrer Schuppen am wirkungsvollsten einsetzen können. Fíernen zum Beispiel tut das genaue Gegenteil von dem was ich tue. Während ich mich bemühe von oben zu kommen versucht er den Boden im Rücken zu behalten. Zumindest wenn er das Grün der Wälder im Rücken hat funktioniert dieser Trick auch bei ihm."-
-" Und was ist, mit Farben die in der Natur nicht vorkommen? Zumindest nicht in so weit verbreitete Maß wie das Blau des Himmels oder das Grün der Wälder?"-
-" Tarnung und Überraschung ist nur eine mögliche Anwendung für das Schuppenkleid der Kinder des Himmels und des Feuers Kleiner."-erklärte Saphira. - "Denkt doch mal zurück wie wir zum ersten Mal auf Gleadr und Oromis getroffen sind. Damals außerhalb von Elesméra."-
Lebhaft konnte sich Eragon erinnern. Es war ein ehrfurchtgebietendes Bild gewesen. Das Gold der Schuppen des riesigen Drachens und die helle Robe die sein Reiter trug hatten ein Bild ergeben, dass den Eindruck erweckte als stiegen die beiden gerade aus höheren Sphären herab.
Eragon teilte diesen Gedankengang mit seiner Darachendame und fügte noch hinzu wie einschüchternd Dorn bei ihrer ersten Begegnung gewirkt hatte. Obwohl der rote Drache damals noch kleiner als Saphira gewesen war, hatte Eragon sich nicht gegen ein Gefühl von Schwäche und Unterlegenheit wehren können dass ihm durch die Glieder kroch.
Saphira konnte das nur bestätigen.
-" Nicht nur die Reiter lernen viel über die Welt und sich selbst während der Ausbildung."-erklärte die Drachendame würdevoll. - "Auch ihre Seelenpartner durchlaufen vergleichbare Lektionen. Im Zuge der Ausbildung am Schwert erkennen die Novizen welche Waffe und welcher Kampfstyle am besten für sie geeignet ist. Ähnlich ist es bei jungen Drachen. Sie lernen das zu nutzen was die Natur ihnen mit auf den Weg gegeben hat und entwickeln daraus ein eigenes Wesen und eigene Reaktionen."-
Eragon nickte stumm und blickte wieder zu Sina sie inzwischen ihr junges Drachenmädchen auf den Arm genommen hatte. Etwas unsicher blickte die Elfe zwischen ihrem Bruder, dem Herrscherpaar von Elesméra und Eragon hin und her.
"Ich bin nicht sicher ob ich eine gute Wahl bin." murmelte die neue Reiterin schließlich.
Sofort richtete sich der wütende Blick der neugeborenen Drachendame auf die Elfe. Das geisterhafte Drachenfräulein schien ernsthaft darüber nachzudenken seine Reiterin die Nasa ab zu beißen.
"Und warum?" erkundigte sich Eragon geduldig und trat gemeinsam mit Arya etwas näher an die neuerwählte Reiterin heran.
"Nun, diese Prüfung sollte doch in erster Linie beweisen, dass die missgebildeten Mitglieder unseres Volkes als gleichberechtigt anzusehen sind. Ich bin aber ohne jede Missbildung geboren und ausgerechnet mich hat sich nun dieser junge Drache ausgesucht. Geht dadurch nicht die Botschaft verloren?"
Eragon konnte die Sorge von Sina war nachempfinden aber er beschloss trotzdem zu widersprechen.
"Die Botschaft ist bereits übermittelt worden indem man euch und euren Leidensgefährten gestattet hat an dieser Prüfung teilzunehmen."erklärte er entschieden. "Während der eigentlichen Prüfung geht es nur um eins: Den richtigen Partner für die jungen Drachen zu finden."
"Da hat Arget Un Eragon völlig recht Schwester." erklärte Legartis und ließ zu, dass die noch namenlose Drachendame in den Armen seiner Schwester ihn gründlich beschnupperte. Offenbar rochen die Geschwister ähnlich. "Außerdem finde ich, dass das Schicksal mit deiner Wahl das doppelte Unrecht aufwiegt was dir zuteil geworden ist."
Sina versuchte offenbar zu widersprechen aber ihr Bruder ließ sich nicht beirren.
"Du warst weise und gütig genug mir nie Vorwürfe für unsere Verbannung zu machen Schwester. Dafür bin ich dir sehr dankbar aber es lässt sich nicht von der Hand weisen dass die Ungerechtigkeiten dich im Grunde noch härter getroffen hat als den Rest von uns. Jeder von uns hat sich die Frage gestellt "Warum?". Diejenigen von uns sie unvollkommen geboren worden sind hatten eine Antwort. Eine ungerechte und grausame Antwort aber dennoch eine Antwort! Auch die Halblinge hatten eine Antwort. Aber was hattest du? An dir ist kein körperlicher oder geistiger Makel! Damit verkörperest du im Grunde mehr als jeder andere in unserer Gruppe wie ungerecht unsere Verbannung war."
"Sehr richtig." schmunzelte Eragon." Das Schicksal weiß schon was tut Sina Svit Cona. Gibt ihm einfach die Gelegenheit sein Werk zu tun. Mehr kann man sowieso......."
Eragons Ausführungen wurden unterbrochen als sein scharfes Gehör einige unverkennbare Geräusche, aus der Richtung auffing in die sich Trenyan mit seinen Eltern und seinem Drachenei zurückgezogen hatte, auffing. Der Anführer der Reiter lächelte in sich hinein.
"Und das Schicksal scheint für heute noch nicht fertig zu sein." sagte er zu den Umstehenden.





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