62. Der verlorene Sohn Teil 4

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Auch auf Trenyans Gesicht zeichnete sich deutliche Anspannung ab als Eragon die Gruppe von der Ankunft der beiden Elfen informierte.
Cale bewies einmal mehr, das Feingefühl zu seinen Stärken gehörte und schlug vor, dass er gemeinsam mit Roran, Ismira und den Geschwistern Legartis und Sina die übrige Reisegruppe der Verstoßenen nun offiziell über die anstehende Reiterprüfung und die Einladung zu den Festivitäten in Carvahall informieren sollte. Ismira schien dieser Vorschlag ihres Gefährten zunächst recht sauer aufzustoßen. Sie legte ein Gesicht auf als wolle sie sagen: Wie kannst du dich jetzt für sowas interessieren. Sie ließ sich aber durch einen wortlosen Blickwechsel überzeugen, dass sie in der Tat um eine gute Idee handelte.
Eragon beschloss sich später bei seinem ehemaligen Schüler zu bedanken. Man konnte Trenyan ansehen, dass er hin und hergerissen war. Auf der einen Seite wusste er den Rückhalt zu schätzen den Freunde ihn bieten konnten. Schließlich begegnete er nun zwei Personen die er nicht kannte aber mit denen er untrennbar verbunden war.
Auf der anderen Seite trug es jedoch zu Entspannung der Situation bei die Gruppe möglichst klein zu halten.
Der Fußweg den sie zu dem Punkt zurücklegen mussten an dem Saphira und die übrigen Drachen warteten schien förmlich unter ihren Füßen dahin zu fliegen. Eragon kam nicht umhin sich einmal mehr in seinem Leben über dieses Phänomen zu wundern. Wollte man unbedingt ein Ziel erreichen, nahm selbst die kürzeste Wegstrecke die Ausmaße eines 40 jährigen Marsches durch die Wüste an. Es genügt aber schon unschlüssig zu sein über das was einem am Ende des Weges bevorstand und schon schmolzen Entfernungen zusammen.
Saphiras Enkel hatten offenbar beschlossen sich an ihren Reitern ein Beispiel zu nehmen und verließen die kleine Anhöhe gerade mit kräftigen Flügelschlägen.
In Saphiras Schatten hingegen warteten Tialva und Bloedgram.
Schließlich standen die beiden Elfen den Sohn gegenüber, den sie über Jahre hinweg für tot gehalten hatten. Eragon und Arya hatten sich einige Schritte entfernt um Tialva und ihren ehemaligen Gefährten von der Verantwortung zu entbinden auch sie angemessen begrüßen zu müssen. Jedoch waren sie nah genug um im Notfall eingreifen zu können.
Das Schweigen breitete sich aus als sich die drei Individuen gegenüberstanden die eigentlich eine Familie bilden sollten. Unsicherheit und die Angst etwas falsches zu tun oder zu sagen stand den drei Elfen deutlich ins Gesicht geschrieben. Gerade überlegte Eragon ob der etwas unternehmen sollte um die Sache voranzutreiben als Tialva die Initiative ergriff. Was sie allerdings tat führte dazu dass sich Saphiras Reiter vor Anspannung verkrampfte.
Die weibliche Elsa hatte ihre Gefühle wohl einfach nicht mehr zurückhalten können. Sie schlang die Arme um ihren verloren geglaubte Sohn und zog ihn in eine innige Umrahmung. Von ihrem Beobachtungsposten aus konnten Arya und Eragon erkennen, dass Ströme von Freudentränen über Tialvas Gesicht liefen. Der Sturm der Gefühle ließ die Elfen regelrecht erbeben und es dauerte einige Augenblicke bevor sie mit Mühe auch nur einen Satz hervorbringen konnte. Ihre Stimme war kaum mehr als ein flüstern.
"Mein Sohn! Ich dachte wir hätten dich für immer verloren."
So sehr Eragon auch die Gefühle verstehen konnte, die aus Tialva heraus brachen, hatte er doch Angst dass sie Trenyan vielleicht überfordern konnte. Nach einigen Augenblicken jedoch erkannte er, dass der junge Elf sich entspannte und die Umarmung zu erwidern begann. Kurz tauschte der Anführer der Reiter einen Blick mit seiner Gefährtin aber auch Arya schien der Auffassung zu sein, dass die Dinge einen guten Verlauf nahmen.
Als sich Mutter und Sohn wieder voneinander trennten schien Tialva unsicher zu sein ob sie lachen oder weinen sollte. Man sah ihr deutlich die Freude an ihren Sohn wieder gefunden zu haben aber gleichzeitig auch Bedauern über die verlorenen Jahre.
"Es tut mit leid." brachte sie schließlich mühsam heraus. "Ich wollte eigentlich nicht so über dich herfallen aber......"
Trenyan ergriff das Wort als die Stimme seiner Mutter versagte:
"Es ist schon gut."versicherte der junge Elf der ebenso aufgebracht zu sein schien wie seine Mutter. "Wir werden wohl alle etwas Zeit brauchen um unsere diese Situation zu gewöhnen."
Tialva blinzelte überrascht. Sie wusste dass ihr Sohn eigentlich ohne Stimmbänder geboren war und es bedurfte einer kurzen Erklärung durch Eragon und Arya was es mit dem Anhänger des Elfenjungen auf sich hatte.
"Sehr einfallsreich." sagte Bloedgram anerkennend als auch er nun zur Gruppe trat.
"Du bist also mein Vater."stellte Trenyan vorsichtig fest und ein Schatten der vorherigen Unsicherheit huschte über seine Züge als er sein praktisch unbekanntes gegenüber musterte.
Es versetzte Eragon einen kleinen Stich das Vater und Sohn sich praktisch als Fremde gegenüberstanden. Er begriff jedoch, dass sollte Brom plötzlich vor ihm Erscheinen es ihm wohl genauso gehen würde.
"Ich bin froh, dass du von deiner Rache abgelassen hast." Sagte Trenyan indessen. "Ich hätte nicht gewollt, dass du wegen mir zum Mörder wirst."
"Glücklicherweise hatte ich Freunde die mich von diesem Irrweg abgebracht haben." dankbar nickte der Wolfkatzenelf in Eragons und Aryas Richtung.
"Ich mache mir nur sorgen, dass ihr vielleicht von mir enttäuscht sein werdet." fuhr Trenyan fort. "Ich weise nicht nur einige Unzulänglichkeiten auf sondern kann mir auch kein besonderes Talent zurechnen. Ich weiß, Sina und ihr Bruder haben euch eins meiner Werke geschickt und ja, ich habe eine ausgeprägte Kontrolle über ungesagte Zauber aber ich denke, dass das eine Fähigkeit ist die jeder erlangen könnte. Es geht dabei weniger um ein besonderes Talent von meiner Seite. Ich...... bin nichts besonderes."
"Jedes Lebewesen ist etwas Besonderes." widersprach Tialva und ergriff die Hände ihres Sohnes. "Denn jedes Lebewesen existiert nur einmal auf der Welt. Außerdem musst du uns nicht beweisen."
"Da Tialva völlig recht." stimmte Bloedgram seiner ehemaligen Gefährtin zu. "Lass uns bitte erst gar nicht so argumentieren. Es ist nicht die Aufgabe eines Sohnes oder einer Tochter den Vorstellungen der Eltern zu entsprechen. Wenn wir das von dir fordern würden wären wir nicht besser als die Heiler die sich angemaßt haben zu entscheiden welches Leben wertvoll ist und welches nicht. Und wenn es stimmt was du sagst, dass jeder deine Kontrolle erlernen kann hätten wir schon eine gemeinsame Beschäftigung. Ich würde nur zu gerne lernen solche Kunstwerke wie du zu erschaffen ohne dafür ein Wort in der alten Sprache zu gebrauchen."
"Es ist wirklich ganz einfach." versicherte der junge Elf. "Im Grunde geht es nur um Verstehen. Für die meisten ist beispielsweise Adurna nur ein Wort der Macht um Wasser zu kontrollieren aber es ist mehr. Dieses eine Wort beschreibt jede Eigenschaft die Wasser hat und alles was damit zusammenhängt. Wenn man sich die Mühe macht zu ergründen warum nur dieses eine Wort "Adurna" Wasser wahrlich komplett beschreibt dann erlangt man die Kontrolle die ich besitze."
Mit wachsender Erleichterung beobachtete Eragon die sich entwickelnde Unterhaltung. Mehr und mehr war Unsicherheit und Anspannung gewichen und nun entspann sich eine angeregte Unterhaltung über Magie zwischen Fachleuten.
Ein schneller Blickwechsel zwischen Eragon und Arya überzeugte die beiden Drachenreiter dass sie beide das gleiche dachten. Sie wurden hier nicht mehr gebraucht und konnten der Familie die sich neu zusammengefunden hatte du ohne Bedenken Privatsphäre einräumen. Dezent zogen die beiden Gefährten sich in Richtung ihrer Seelenpartner zurück.


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