58. Die Geschichte der Ersten

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Sina und Legartis führten die Drachenreiter und Roran durch die Reihen der Zelte die sich kreisförmig um einen kleinen Platz im Zentrum ausbreiteten. Dort gab es einige Feuerstellen und Mitglieder der Reisegruppe der verstoßenden Elfen hatten sich zu kleinen Gruppen zusammengesetzt und unterhielten sich. Von überall her richteten sich neugierige Blicke auf die ankommenden Reiter.
Eragon stellte fest, dass besonders Roran im Zentrum der allgemeinen Neugier stand. Viele dieser Elfen aus dem Norden sahen wohl nun zum ersten Mal, ähnlich wie Sina und Legartis, einen Vertreter eines anderen Volkes.
Es amüsierte den Anführer der Reiter ein wenig, dass Roran die Aufmerksamkeit wohl etwas unangenehm war. Noch immer hatte er den Arm um seine Tochter gelegt doch wirkte es inzwischen mehr als ob er sich an Ismira festhalten würde und nicht umgekehrt.
Die Zelte welche denn verstoßenden Elfen als provisorisches Heim diente waren aus den Beständen des Ordens der Drachenreiter.
Eragon schämte sich fast als er ein wenig stolz in sich aufflammen spürte. Der neue Orden hatte es weit gebracht seit seinen bescheidenen Anfängen in der Ostmark. Er war wirklich zu einer Kraft herangewachsen die eine feste Größe in der Neuen Welt war.
- "Es muss dir nicht peinlich sein dass du stolz bist auf das was du geschaffen hast."-Mischte sich Saphira in die Versuche ihres Reiters ein seinen stolz zu unterdrücken. - "Natürlich sollst du nicht arrogant werden aber stolz kannst du wirklich von ganzem Herzen sein. Ich bin sicher Brom wäre begeistert was du geschaffen hast."-
Es kostete Eragon einiges an Willenskraft mit Tränen der Rührung zurückzuhalten. Dadurch das Drachen nur im Geiste mit anderen Wesen kommunizierten hatte seine Begleiterin Brom während ihrer gemeinsamen Reise auf einer Art kennen gelernt, die Eragon verschlossen geblieben war. Wenn sie der Überzeugung war, dass sein Vater heute stolz auf ihn wäre, konnte es daran keinen Zweifel geben.
Irgendwo auf der gegenüberliegenden Seite des runden Platzes erklang deutlich das Lachen von Kindern. Eragon ließ suchend seinen Blick gleiten und entdeckte den Ursprung des Gelächters. Eine Gruppe von etwa fünf Kindern, von denen eines Marlena war, war in ein aufregendes Spiel vertieft. Es bestand offenbar darin einen kleinen, aus Stoffresten bestehenden Ball nur mithilfe der Füße in ein Loch im Boden zu befördern. Die übrigen Spieler versuchten dies zu verhindern und den Ball in ihren Besitz zu bringen. Auch dafür durften nur die Füße verwendet werden. Jedem dem es gelang den Ball in das Loch zu befördern wurde ein Punkt gutgeschrieben. Auf einer Schiefertafel, die am Rand des Platzes stand, schrieben sich die stolzen Kinder ihre jeweiligen Punkte gut.
Als Marlena die Aufmerksamkeit ihres Vaters bemerkte winkte sie im freudestrahlend zu und deutete auf die Schiefertafel wo deutlich abzulesen war, dass sie mit drei Punkten bisher die meisten erzielt hatte.
Eragon lächelte seiner Tochter stolz zu und bedeutete ihr dann sich wieder dem Spiel zu widmen. Einer ihrer Kameraden stürmte auf das Loch zu.
"Wenn Kinder ein Spiegelbild der Liebe sind, die sie von ihren Eltern erfahren könnt ihr wahrhaft stolz auf eure Tochter sein." bemerkte Sina zu Eragon und Arya gewandt als sie über den Platz schritten.
Dankbar nahmen die beiden Reiter das Kompliment an und lächelten sich auch gegenseitig zu.
"Ja, Sie machen sich fast so gut als Eltern wie Katrina und ich." sagte Roran scherzhaft und drückte seine Tochter noch etwas fester an sich. Der Kommentar löste eine allgemeine Welle von Heiterkeit in der Gruppe aus und Eragon nutzte den Augenblick für eine weitere Beobachtung. Als er sah wie Roran und Ismira gemeinsam lachten wurde ihm klar, dass die junge Frau vielleicht was das Aussehen betraf ganz die Tochter ihrer Mutter war aber auch ihr Vater einiges beigesteuert hatte. Die beiden nebeneinander her gehen zu sehen, beide lachend zeigte, dass Vater und Tochter dieselbe frohe Natur teilten.
"Diese Kinder sind auch Halblinge oder?" erkundigte sich Arya nach einigen Augenblicken."Sie müssen in eurem Exil im Norden geboren worden sein. Sie können nicht von menschlichen Drachenreitern des alten Ordens abstammen dafür sind sie zu jung."
"Das stimmt Argetlam Arya." bestätigte Sina. "Über die Jahre hinweg haben viele Mitglieder unserer Gruppe ihre Zuneigung zueinander entdeckt. Unsere Jüngsten da drüben stammen alle von Eltern die menschliches Erbe in sich tragen."
"Ihnen scheint aber körperlich nichts zu fehlen" stellte Eragon fest als er das ausgelassene Spiel beobachtete.
"Sie sind völlig gesund." bestätigte Legartis."Die meisten Halblinge die man zu uns in die Verbannung geschickt hat waren körperlich völlig unbeschadet. Die Fanatiker fürchteten das menschliche Erbe dass ihnen ins Blut geschrieben war. Das, und die Tatsache dass man verbergen wollte, dass es überhaupt möglich war, dass es bei einem Menschen und einer Elfe möglich war ein Kind zu zeugen war der Grund für ihre Verbannung. Ihr menschliches Erbe macht die Halblinge fruchtbarer als reinbütige Elfen. Nur deshalb ist unsere Gruppe auf eine so stattliche Anzahl angewachsen. Die Hälfte der hier Anwesenden wäre wohl nicht hier ohne den Einfluss der Halbling. Leider teilen sie im Gegenzug nicht unserer Langlebigkeit. Sie werden älter als jeder Mensch aber irgendwann erreichen Sie den Punkt wo sie ins Nichts treten."
"Wer ist eigentlich das älteste Mitglied eurer Gruppe?" wollte Ismira mit einem mal wissen.
"Jardo ist der älteste seit sein Vater verschieden ist. " erklärte Sina bereitwillig. "Die Natur verschont uns zwar vom Zahn der Zeit aber irgendwann wird auch uns Elfen das Leben zur Bürde. In unseren heimischen Wäldern verlassen wie die Heimstätten unseres Volkes und ziehen durch die Wälder bis sich unser Geist schließlich ganz und gar mit dem Lied des Lebens vereint. Auch bei uns ist das so. Es geschieht sogar öfter als in unserem Wald. Unser bisheriges Schicksal war schwer zu ertragen und für manche erschloss sich die Freiheit nur wenn sie ihren Körper ganz und gar hinter sich ließen. Wir fürchteten das auch Jardo uns bald verlassen würde aber durch euer Angebot uns eine neue Heimat im Osten zu geben, Eragon Schattentöter, wurde sein Lebenswillen neu entfacht."
"Eine Tatsache über die wir besonders froh sind." fügte Legartis hinzu." Jardo ist schließlich der letzte lebende Nachfahre der Ersten."
"Der Ersten?" Eragons Interesse war geweckt.
"Die ersten der Verstoßenden." erklärte Sina melancholisch. "Wie mein Bruder und ich waren die ersten Kinder unseres Volkes die man ins Exil schickte ein Geschwisterpaar. Bruder und Schwester. Sie hießen Minva und Nora. Das Schicksal schien mit den beiden einen besonders grausamen Scherz getrieben zu haben. Nora war wie mein Bruder blind während ihr Bruder, Minva zwar mit Augenlicht gesegnet war aber ohne Gehör das Licht der Welt erblickte. Lange Jahre waren die beiden ganz allein dort oben im Norden. Sie legten den Grundstein für den steinernen Wald der bis vor kurzem traurige Erinnerung daran war was wir verloren haben. Als die nächsten Kinder zu ihnen geschickt wurden hatte sich allerdings ein wundersamer Wandel abgespielt. Um die Schwäche des jeweils anderen zu läutern hielten die beiden Geschwister ihren Geist stets miteinander verbunden. So konnte der eine durch die Augen des anderen sehen und durch die Ohren des anderen hören. Über die Jahre hinweg war die Bindung ihrer Seelen so intensiv geworden, dass sie zu einem großen Ganzen verschmolzen waren. Nora und Minva waren zu einem einzigen Bewusstsein zusammengewachsen. Jardo hat noch Erinnerungen daran wie sich dieser vereint den Geist anfühlte. Die Ersten und ihre Nachkommen stehen bei uns in hohem Ansehen. Sie haben unsere Gruppe über lange Jahre angeführt und den Neuankömmlingen gezeigt wie man unter den Umständen die uns aufgezwungen wurden überlebt. Es ist gut, dass einer ihrer Nachkommen noch das Ende unseres Exils erleben darf."
Während Eragon, noch ganz ergriffen war von dieser Erzählung wurde Ismira erneut ihren Charakter gerecht und stellte bereits die nächste Frage:
"Wenn bei euch Kinder geboren wurden, warum leben diese dann immer noch in der Verbannung? Ihnen hat doch sicherlich niemand Schwüre abgenommen die verhindern dass sie diesen Ort im Norden verlassen."
Legartis lächelte traurig.
"Leider doch junge Reiterin. Jeder missgebildete Elf den Mann in den Norden schickte nam man nicht nur Schwüre ab sondern belegte ihn auch mit einem Zauber, der den Zirkel der Heiler darüber unterrichtete wenn Nachwuchs gezeugt worden war. Dieser Zauber belegte das ungeborene Kind dann mit einem Bann, der verhinderte dass sie unser Exil verließen. Dieser Zauber wurde gespeist aus der Lebenskraft der Eltern. Ein Kind unserer Gruppe, welches versuchte zu entkommen müsste ganz zwangsläufig den Tod seiner eigenen Eltern in Kauf nehmen. Denn je mehr der Abkömmling versucht zu entkommen desto mehr Lebenskraft verlieren seine Eltern. Wenn das Kind dann 12 Sommer gesehen hat erschien stets eine Abordnung des Zirkels und nahm den betreffenden Mitglied unserer Gruppe die entsprechenden Schwüre ab."
"Meist mussten wir uns dann einen Vortrag der Heiler anhören wie unverantwortlich es sei, dass wir uns animalischen Trieben hingeben würden und Kinder in die Welt setzten. Wir würden dadurch Leben entstehen lassen das nicht sein darf. Die jüngsten Mitglieder unserer Gruppe kennen das Volk aus dem sie entstammen sowie den Wald den wir Heimat nennen nur aus unseren Erzählungen."
"Je mehr ich über das Verbrechen dass euch angetan wurde höhere, desto mehr verabscheue ich was euch angetan wurde."sagte Arya mit einer Stimme wie kalt und hart klang. "Es kann nicht wieder gutgemacht werden was euch widerfahren ist aber ich werde König Maranus persönlich auch diese Geschichte erzählen. Auch das ist für die bevorstehenden Prozesse gegen die Heiler wichtig!"
"Vergiss bitte nicht den König und dem Kronrat auch meine Missbilligung als Anführer der Reiter über das auszusprechen was ich gerade gehört habe." sagte Eragon zu seiner Gefährtin. Einmal mehr erkannte er, dass sie die Taten der Heiler zutiefst ablehnte und als eine geradezu persönliche Beleidigung sah. Er konnte dies nicht verhindern. Es entsprach einfach Aryas Wesen Verantwortung zu übernehmen. Durch seine Unterstützung konnte er ihr allerdings sagen, dass sie nicht alleine war.


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