64. Von Rosen und Wächtern

108 7 0
                                    

"Auffangen Onkel Murtagh!"bettelte Marlena kaum dass Saphira gelandet war. Schließlich ließ sie sich vom Rücken der blauen Drachendame einfach in die wartenden Arme ihres Onkels gleiten. Der dunkelhaarige Drachenreiter fing seine Nichte lachend auf und setzte sie auf seine Schultern.
"Was hast du denn da?" erkundigte sich der ältere von Selenas Söhnen als er den Beutel bemerkte den das kleine Mädchen immer noch an sich drückte.
"Ich passe auf die Dracheneier auf." erklärte Marlena während Eragon nun auch von Saphiras Rücken abstieg. "Es ist ein Nebeldrache und ein Feuerdrache."
"Nebeldrache und Feuerdrache?" erkundigte sich der Dunkelhaarige.
"Eines der Eier ist rot und das andere von einem nebelartigen Grau." erklärte Eragon seinem Bruder und klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter. Auf eine brüderliche Umrahmung mussten die beiden verzichten der Marlena noch immer auf den Schulter ihres Onkels hockte und fröhlich die Beine baumeln ließ.
"Aha!" erkannte Murtagh." Dann ist Dorn wohl auch ein Feuerdrache?"
"Nein er ist ein Rosendrache." erklärte Marlena bestimmt.
Augenblicklich unterbrach Murtaghs Seelenbruder seine stumme Unterhaltung mit seinen Artgenossen, schwang sein gewaltiges Haupt herum wissen rubinfarbenes Auge direkt neben Marlena schwebte.
"- Das musst Du mir jetzt erklären du Küken." - forderte die raue Stimme des Roten.
- "Es ist doch ganz einfach." - erläuterte Marlena ohne die geringste Angst vor dem großen Drachen zu zeigen. "- Rosen sind rot, schön und mit ihren Dornen können sie sich wehren. Du bist auch rot, schön, heißt Dorn und bist stark genug um dich gegen jeden zu wehren. Also bist du ein Rosendrache."
Dorn ließ sich das gesagte wohl einen Augenblick durch den Kopf gehen, dann zwinkerte er Marlena zufrieden zu und blies den kleinen Mädchen scherzhaft einen Schwall warmer Luft ins Gesicht so dass Eragons Tochter vor Freude quietschte und ihrer Haare wild im Luftstrom flatterten.
Dorn zog sich offenbar zufrieden mit dieser Erklärung zu seinen Artgenossen zurück und Arya trat zu den beiden Brüdern. Sie begrüßte Murtagh freundschaftlich und Eragon war einmal mehr darüber erleichtert, dass sich in den zurückliegenden Jahren das anfänglich noch angespannte Verhältnis zwischen der Elfe und seinem Halbbruder gänzlich entspannt hatte.
"Es freut uns natürlich dich zu sehen Murtagh-Elda aber welche glückliche Fügung führt dich hierher?" erkundigte sich Arya schließlich und nahm damit ihren Gefährten die Worte aus dem Mund.
"Nasuada hat mich gebeten als ihr Vertreter nach Giel'ead zu reisen. Sie und unser Sohn sind leider verhindert aber immerhin wird hier der König der Elfen und seine Gefährtin als Gast erwartet. Meine Gattin weiß, dass es eigentlich ein Gebot der Höflichkeit wäre, dass sie an den Feierlichkeiten teilnimmt aber sie hat eine andere Verpflichtung. Es geht dabei um ein Treffen der religiösen Führer der Wächter des Lichts. Ihr innerer Zirkel trifft sich nach bestimmten Zeitplänen und Riten. Nasuada hat bereits seit einigen Wochen Informationen über die Wächter eingeholt und ist für einen ihrer Treffen eingeladen worden. Gerade weil diese Treffen aber nach strengen Regeln ablaufen konnte sie das nicht absagen. Ich hoffe das König Maranus nicht beleidigt sein wird wenn ich mich als Vertreter vorstelle."
"Da würde ich mir keine Sorgen machen Bruder." beschwichtigte Eragon. "Der Orden hat einen guten Stand bei allen Völkern Alagaesia und es kommt durchaus vor dass hohe Würdenträger Mitglieder des Ordens bitten Sie zu vertreten wenn Sie eine Reise nicht persönlich antreten können."
"Diese Einschätzung teile ich." versicherte Arya. "Außerdem bist du neben Eragon und mir einer der ältesten Reiter. Mein Volk wird das als durchaus angemessen ansehen. Es würde mich aber interessieren warum Nasuada plötzlich Interesse an den Wächtern des Lichts zeigt? Sie stellen zwar eindeutig eine Verbesserung zu den Jüngern des Helgrinds da aber soweit ich weiß betet deine Gattin doch zu den Gottheiten der Nomadenstämme der Wüste. Hat sie vor ihren Glauben zu ändern?"
Soweit es Marlenas baumelnde Beine erlaubten schüttelte Murtagh den Kopf.
"Nein, ganz sicher nicht. Ihr Glaube gehört zu den wenigen Dingen die ihre Mutter und ihr Vater ihr mit auf den Lebensweg geben konnten und sie hält diesen Glauben in Ehren. Ihr Interesse wurde durch die Vorfälle mit unserer neuesten Novizin geweckt."
"Du meinst die junge Naja?" fragte Eragon.
"Genau. Wie ihr wisst wurde sie unter recht abenteuerlichen Umständen zur Drachenreiterin. Als sie sie befragt haben ist, wie ihr euch erinnern werdet, herausgekommen, dass das Waisenhaus in dem sie aufgewachsen ist diesen Namen wahrlich nicht verdient. Es wurde inzwischen natürlich geschlossen. Nasuada beauftragte einen ihrer Beamten für Najas Leidensgenossen eine Unterbringungsmöglichkeit zu finden. Der betreffende Schreiber schlug vor, die Kinder in ein Heim zu bringen das von den Wächtern des Lichts geführt wird. Ich habe es selbst besichtigt. Es ist absolut kein Vergleich zu den dunklen Verschlag in dem die Kinder bisher hausen mussten. Nicht nur sind sie dort wesentlich besser untergebracht sondern sie werden auch angemessen beschützt und bekommen sogar eine Ausbildung mit auf den Weg. Kein Schützling verlässt dieses Heim ohne das Lesen und Schreiben erlernt zu haben sowie Grundkenntnisse im Rechnen. Auch erhalten sie Empfehlungsschreiben die es ihnen ermöglichen beispielsweise bei einem Handwerksmeister in die Lehre zu gehen. Auch was die Verarbeitung von Holz, Gartenarbeiten oder andere handwerkliche Tätigkeiten betrifft gegen die Wächter ihre Schützlinge nämlich schon etwas auf den Weg. Jemand mit solchen Vorkenntnissen ist da einem Lehrmeister ein gern gesehener Geselle."
"Das ist ein sehr wertvolles Geschenk dass die Wächter den Kindern damit auf den Weg geben." lobte Arya.
"Allerdings." bestätigte Eragon. "Ich erinnere mich, dass viele Waisenkinder nur deshalb wenig Gelegenheit haben etwas aus ihrem Leben zu machen weil sie keine Bildung haben. Viele Söhne und Töchter erlernen das Handwerk in den Betrieben ihrer Eltern. Diese Möglichkeit haben sie nicht und wenn sie keine Fähigkeiten mitbringen die sie zu einer wertvollen Ergänzung machen haben sie es schwierig mit der Suche nach einem Lehrmeister."
"Nasuada war ebenfalls beeindruckt. Sie erinnert sich noch gut an die Zeit nach dem großen Krieg. Oftmals war sie gezwungen Beamte von Galbatorix weiter zu beschäftigen, weil einfach kein Ersatz zur Verfügung stand der über die notwendigen Fähigkeiten verfügt hätte. Das Schwierige dabei war aber, dass viele der Beamten ebenso korrupt waren wie der König selbst. Deshalb musste ihrer Arbeit genau überwacht werden und, erneut aufgrund eines Mangels an die geeigneten Leuten, blieb viel davon an meiner armen Liebsten hängen. Nicht nur musste sie ihr Reich durch stürmische politische Zeiten führen sondern auch noch banale Dinge überprüfen wie zum Beispiel Steuerlisten. Oft floss nämlich ein guter Teil der Steuereinnahmen in die Taschen korrupter Staatsdiener. Geld dass beim Wideraufbau des Reiches fehlte. In jedem Fall hat Nasuada Berichte über die Aktivitäten der Wächter aus dem ganzen Reich eingeholt und wir haben festgestellt, dass sie an vielen Ort in sehr lobenswerte Dienste verrichteten. Sie werden allgemeinen hoch geschätzt stehen aber immer noch ein wenig im Schatten ihrer Vorgänger. Man schätzt ihrer Arbeit aber scheut davor zurück sie offen dafür zu loben weil man in Sorge ist möglicherweise einer weiteren gefährlichen religiösen Gruppe zu einem Platz in der Gesellschaft zu verhelfen. Nasuada möchte sich mit der Führung der Glaubensgemeinschaft beraten und feststellen ob vielleicht eine Zusammenarbeit der Staatsführung und dieser Glaubensgemeinschaft möglich ist. Wenn diese Verhandlungen gelingen würden sich die Lebensumstände des einfachen Volkes stark verbessern."
"Das ist natürlich wünschenswert." räumte Arya in neutralem Tonfall ein.
Eragon kannte seine Gefährtin aber gut genug um bei ihr eine gewisse Skepsis zu entdecken.
"Du musst uns darüber mehr erzählen Bruder. Wenn diese Gruppe bald an Wichtigkeit dazu gewinnt sollten auch wir Reiter etwas darüber wissen.
Murtagh nickte zustimmend.
"Dazu werden wir später sicher noch Gelegenheit haben. Jetzt sollten wir aber die Honoration nicht warten lassen. Folgt mir bitte."


Eragon-OS-SammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt