166. Schlussstrich

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Garath genoss die Unterhaltung mit seiner Schwester mehr und mehr. Lange hatten er und Reanna schon nicht mehr so ungezwungen miteinander reden können.
Dem jungen Reiter fiel auf, dass er seine Schwester schon eine Weile nicht mehr hate lächeln sehen. Umso mehr gefiel es ihm, dass sie es nun vermehrt tat.
"Und du hast wirklich wilde Drachen getroffen? Welche die keinen Reiter haben" erkundigte sich die junge Frau gerade. "Hattest du keine Angst?"
-"Warum sollte Garath den Angst vor meinen Eltern haben?"- ließ Aurelia sich vernehmen. Das kleine, rote Drachenmädchen hatte sich am Fußende des Bettes ihres Reiters zusammengerollt und beobachtete die Geschwister aufmerksam.
Garath gab die Frage weiter und sofort blickte Reanna das Drachenmädchen an.
"Entschuldige Aurelia. Ich wollte deine Eltern nicht beleidigen aber du musst wissen, für Leute wie uns sind Drachen einfach überwältigend und ich bin keine Reiterin."
Aurelia summte versöhnlich.
-"Sag ihr bitte das ich das gut verstehen kann."- bat die kleine Rote. -"Und sag ihr bitte, dass ich sie inzwischen recht gut leiden kann. Es gefällt mir, dass sie direkt mit mir spricht. Manche Zweibeiner ignorieren uns als wären wir Pferde."-
-"Das könnte an der Standpauke liegen die du ihr gehalten hast."- schmunzelte Garath gab die Worte aber weiter und erzählte dann weiter von der Begegnung mit Aurelias Eltern.
Wie lange sie so da saßen konnte der junge Mann schon bald nicht mehr sagen. Schließlich meinte Reanna:
"Auf jeden Fall scheint dir dein Leben als Drachenreiter aber zu gefallen."
"Das tut es." bestätigte ihr Bruder. "Es ist aufregend, weißt du. Ich erfahre nicht nur jeden Tag etwas neues sondern an jedem Zweiten etwas, dass ich vorher nicht mal für möglich gehalten hätte."
Reanna lachte.
"So aufregend wird mein neues Leben wohl nicht sein aber ich freue mich darauf mit Kindern zu arbeiten. Ich glaube, dass ich das gut kann. Ich...."
Ein kratzendes Geräusch von der Tür her unterbrach die Unterhaltung der Geschwister. Übertönt wurden die seltsamen Laute schließlich von einem leisen Klopfen.
"Herein!" sagte Garath.
Kaum war die Tür einen Spalt breit geöffnet da zwängte sich bereits ein junger Drache in Aurelias Alter durch die Öffnung.
Das rote Drachenmädchen war sofort auf den beinen, sprang anmutig vom Bett ihres Reiters und begrüßte den goldenen Neuankömmling der es nun geschafft hatte das Zimmer zu betreten.
"Wer ist das denn?" erkundigte sich Reanna und musterte den ihr unbekannten Jungdrachen mit vorsichtiger Neugierde.
"Das junges Fräulein ist Glaedr." erklärte ein dunkelhaariger Mann der dem Drachenjungen in das Zimmer gefolgt war.
Garath erkannte natürlich sofort wer ihn da besuchte. In den vergangenen Wochen hatte er Murtagh, den Reiter des roten Drachens Dorn recht gut kennen gelernt. Er hatte sogar ein, zwei Lektionen bei ihm erhalten.
Natürlich hatte er auch von der Vergangenheit des anderen Reiters erfahren. Die ersten Kapitel von Murtaghs Lebensgeschichte waren sicher nicht einfach aber inzwischen war der Reiter des roten Dorn hoch angesehen. Murtagh hatte sich um den Orden, zu dem nun auch Garath gehörte, verdient gemacht und durch die Schaffung einer Magierschule das Leben im Reich der Menschen deutlich verbessert.
Auch äußerlich war der Bruder des Arget Un eine imposante Erscheinung. Dichte, schwarze, schulterlange Haare gingen augenscheinlich fast nahtlos in den dunklen Umhang über den der Reiter trug. Die übrige Gadrobe Murtaghs bestand aus einem blutroten Wams, einer schwarzen Hose und kniehohen Stiefeln aus dunklem, geschmeidigem Leder.
Das fesselndste an Murtaghs Erscheinungsbild jedoch war für Garath der Umstand, dass der ältere Reiter immer noch wirkte wie in der Blüte seiner Jahre! Das war erstaunlich für den jungen Mann.
An Dorns Reiter zeigte sich eindeutig die Unsterblichkeit der Drachenreiter.
Meisterin Narie war eine Elfe. Ihr Alter zu schätzen war schwierig. Meister Marek war zwar ein Mensch aber er war erst nach dem großen Krieg berufen worden. Bei ihm war es noch möglich, dass er sich einfach gut gehalten hatte.
Meister Murtagh jedoch hatte bereits 20 Sommer gesehen als der große Krieg über das Land kam und seit diesen dunklen Tagen waren über 40 Jahre vergangen. Dorns Reiter jedoch wirkte immer noch wie ein Mann in der Blüte seiner Jahre obwohl er bereits über 60 Jahre alt war.
Am Waffengurt, an der Hüfte des Reiters, hing sein berühmtes Schwert. Der Rubin im Griff der Waffe schien im Halbschatten des Umhangs regelerecht zu glühen.
Es überraschte Garath nicht, dass seine Schwester sofort aufsprang und vor dem Neuankömmling einen Knicks machte.
Murtagh jedoch lächelte nur gütig und winkte ab.
"Glaedr hier ist der Sohn von meinem Drachen Dorn." erklärte er und wies auf die beiden Drachenkinder die nun voreinander hockten, sich glegentlich beschnupperten und in eine lautlose Unterhaltung vertieft schienen.
"Ich, Glaedr, seine Eltern und die Reiterin seiner Mutter waren auf einem kleinen Ausflug und als Glaedr bei unserer Rückkehr von dem Angriff auf seine liebste Spielkameradin gehört hat, da wollte er unbedingt nachsehen ob es ihr auch wirklich gut geht."
"Was das betrifft kann ich euch beruhigen Meister." versicherte Garath und erhob sich nun schnell von seinem Bett. Er trat neben seine Schwester die noch immer etwas betreten wirkte.
"Darf ich euch meine Schwester Reanna vorstellen?"
"Sehr erfreut." lächelte der andere Reiter. "Ich bin Murtagh."
Mehr als ein Nicken brachte Reanna nicht zustande, doch Dorns Reiter schien es ihr nicht übel zu nehmen.
"Nun, wie gesagt, Glaedr wollte nach Aurelia sehen und ich wollte auch mit dir sprechen Garath." erklärte Murtagh und zog sich einen Stuhl heran.
Nachdem er sich gesetzt hatte fuhr er fort:
"Es geht um deine Reise zur Ostmark. Ich gehe davon aus, dass du das noch immer willst."
Garath musste einen Augenblick darüber nachdenken. Er sah zu Aurelia. Das Drachenmädchen löste sich kurz von ihrem Altersgenossen und erwiderte den Blick ihres Reiters. Sie schwieg jedoch.
Garath verstand das so, dass Aurelia ihm die Wahl überließ. Deutlich spürte er aber auch eine gewisse Erwartungshaltung.
Schließlich war ihm klar was er antworten musste. Es gab im Grunde nur diese Antwort.
"Ja Meister. Ich möchte das noch immer." er unterbrach sich kurz und sammelte seine Gedanken. "Es mag sein, dass Mutter, da sie nun bald nach Surda gebracht wird, uns hier nicht mehr bedrohen kann aber.....Aurelia und ich brauchen denke ich einen Neuanfang. Hier......"
Er machte eine unbestimmte Geste und sprach weiter:
"Hier ist alles was uns bisher belastet hat immer noch um uns herum, versteht ihr."
Murtagh nickte schlicht.
"Ja, Garath das verstehen wir alle. Vor diesem Hintergrund gibt es aber nun in der Tat etwas zu besprechen. Bisher war, wie du weißt, geplant dich mit einem der Handelsschiffe auf die Reise zu schicken. Mit dem Nächsten, so war es geplant. Nun jedoch, wird das Schiff anderweitig benötigt."
Garath war sich nicht sicher worauf der ältere Reiter hinaus wollte. Seine Schwester jedoch begriff:
"Mutter." flüsterte Reanna.
"So ist es." bestätigte Murtagh. "Wir denken, dass es für alle das Beste ist wenn sie so schnell wie möglich auf die Reise nach Surda geht. Nun halten wir es aber für keine gute Idee wenn du und deine Mutter auf dem selben Schiff reisen."
"Nein," Garath lachte freudlos. "Das würde ein Unglück geben. Spätestens wenn ich das Schiff verlassen will wenn wir die Ostmark erreichen."
"Ich werde Mutter begleiten." sagte Reanna mit fester Stimme. "Meine Anwesenheit während der Reise wird sie beruhigen aber ich denke, dass mein Bruder recht hat Herr. Sobald er das Schiff verlassen will wird es.....schwierig werden."
"Und auch während der Reise....." Garath schüttelte den Kopf. "Ich möchte das nicht. Sie würde versuchen.....Nein, das will ich nicht."
"Wir möchten das auch weder dir noch Aurelia zumuten." beschwichtigte Murtagh. "Du hast jetzt zwei Möglichkeiten: Du kannst natürlich etwa eine Woche warten bis wieder ein Schiff aufbricht. Bis dahin dürfte Aurelia aber einen weiteren Wachstumsschub hinter sich gebracht haben. ein Schiff dürfte dann schon recht beengend für sie sein."
"Und die zweite Möglichkeit?" erkundigte sich Garath.
Murtag lächelte:
"Nun, du kannst mit mir und Dorn reisen."
Garath staunte.
"Ihr reist zur Ostmark Meister Murtagh?
Der dunkelhaarige Reiter nickte.
"Zusammen mit Glaedrs Mutter und ihrer Reiterin. Wir wollen Glaedr hier Saphira Schimmerschuppe vorstellen. Besonders seine Mutter Lenjara ist das sehr wichtig. Weißt du, Lenjara ist eine der ältesten lebenden Drachendamen. Sie wurde noch zur Zeit des alten Ordens geboren musst du wissen. Saphira ist die Mutter der Wiedergeburt der Drachen und Lenjara möchte ihren Segen für ihr erstes eigenes Kücken. Sie möchte, dass ihr Kind ganz und gar frei vom Schatten des großen Verrats aufwächst und für sie ist Saphiras Segen das Mittel dazu."
Kurz schwieg Dorns Reiter, dann fuhr er fort:
"Auf dem Ausflug von dem ich erzählt habe, haben wir Glaedrs Ausdauer erprobt. Sicher, sowohl er als auch Aurelia können die Strecke noch nicht selbst fliegen aber zwei so alte Drachen wie Dorn und Lenjara können Küken dieses Alters durch den Himmel ziehen."
-"Natürlich!"- ereiferte sich Aurelia und warf sich stolz in die Brust wobei sie die Flügel leicht spreizte. -"Meine Brutschwester ist ja schließlich auch mit ihrem Donner aufgebrochen. Wenn sie das schafft, dann ich auch. Außerdem ist das eine viel bessere Art zu reisen! Ein Drachenreiter sollte sein Ziel im Flug erreichen und nicht in diesen schwimmenden Dingern."-
"Nun, damit ist es wohl entschieden Meister." lachte Garath. "Aurelia ist einverstanden und damit erübrigt sich jeder weitere Streit."
"Ah, das hast du auch schon gemerkt." lachte Murtagh. "Wir wollen übermorgen aufbrechen."
Murtagh erhob sich lächelnd und fuhr fort:
"Also bleibt euch beiden noch etwas Zeit für euren Abschied. Wenn du noch Fragen hast Garath...?"
"Nicht was die Reise betrifft Meister." sagte der junge Reiter. Ihm war schlagartig etwas klar geworden.
Mit tiefem Ernst in der Stimme fragte er:
"Meister, kann ich meine Mutter sehen?"
Überrascht hob Murtagh die Augenbrauen.
"Natürlich darfst du das. Die Zauber über ihrer Unterkunft sind so gestaltet, dass ihr, ihre Kinder sie besuchen könnt. Gleichzeitig sind aber auch Schutzwälle an Ort und Stelle die verhindern, dass sie jemanden angreift. Aber, wieso?"
"Ich muss das tun Meister." sagte Garath entschlossen. Er blickte zu Aurelia und wusste, wusste einfach, dass sie ihn verstand. "Ich muss ihr noch einmal gegenüber treten. Wenn ich all das was Aurelia und mich bisher bedrückt hat hier zurücklassen will muss ich mich dieser Sache stellen. Nur dann kann ich damit abschließen. Versteht ihr das?"
Garath beobachtete Dorns Reiter genau. Gedankenverloren strich der Dunkelhaarige über den Rubin im Knauf seines Schwertes. Ein seltsamer Ausdruck lag auf Murtaghs Gesicht als er Garath ansah.
"Junge, wenn es in Alagaesia einen Reiter gibt der das versteht, dann bin ich es. Komm, ich zeige dir den Weg."
Wenig später stand Garath vor dem Zimmer in dem nun seine Mutter festgehalten wurde.
Reanna hatte bereits erklärt, dass sie mit Murtagh und Glaedr vor der Tür warten würde.
-"Du willst, dass ich auch vor der Tür warte, oder?"- Aurelia stand neben ihrem Reiter und musterte in skeptisch.
-"Du weißt, dass sie mir nichts tun kann. Die Zauber verhindern das."-
-"Willst du mich beschützen?"- fragte Aurelia gerade heraus.
-"Nein, das ist die Wahrheit."- erklärte Garath entschieden. -"Ich will mich nur nicht verstecken. Nicht hinter dir, nicht hinter einem unserer Meister, niemandem!"
Aurelia summte zufrieden und hockte sich neben Glaedr.
Garath atmete noch einmal tief durch, dann ergriff er die Klinke und trat durch die Tür.
Elena überraschte ihren Sohn.
Garath hatte erwartet, dass sie sich direkt auf ihn stürzen würde. Er hatte einen Redeschwall erwartet und dieses falsche Grinsen das er so verabscheute.
Doch Elena saß einfach nur da. Sie hatte einen Stuhl neben das Fenster gerückt und starrte über die glatte Oberfläche des Sees.
"Mutter?" fragte er schlicht.
elenas Mundwinkel zuckte unregelmäßig.
Garath war sich nicht sicher ob sie ihn bemerkt hatte. Der junge Reiter nahm sich einen Stuhl und setzte sich seiner Mutter gegenüber.
Wieder überraschte ihn Elena: Sie sah ihn nicht an.
Eine Weile saßen sie sich schweigend gegenüber.
Gerade als Garath darüber nachdachte ob er noch etwas sagen sollte begann seine Mutter zu sprechen:
"Ich habe euch verloren. Euch beide! Reanna.....sie hat gesagt, dass auch sie nicht mit mir nach Hause gehen will und du.....Du wolltest......Du bist verletzt worden weil du diesen Drachen beschützt hast. Ich wollte doch nur das Beste für dich!"
"Das Beste?!"
Die Stimme seiner Mutter war nur ein heiseres Flüstern gewesen daher hielt auch Garath seine Stimme gesenkt. Er machte sich jedoch nicht die Mühe den Zorn aus seinen Worten zu verbannen.
"Der Drache heißt Aurelia und sie ist ebenso ein Teil von mir wie meine Hand! Ist es das Beste für mich wenn du mir die Hand abschneidest? Mir die Augen ausstichst? Mir das Herz aus der Brust reißt? Ist das das Beste für mich Mutter?"
Noch immer blickte Elena ihn nicht an. Sie öffnete nur den Mund und suchte nach den richtigen Worten.
Garath wartete.
"Ihr wollt mich nicht mehr in eurem Leben. Ich bin ganz allein."
Innerlich stöhnte Garath auf. Wieder versuchte sie ihm Schuldgefühle einzureden.
Garath konnte nicht anders: Er war enttäuscht. Für einen Moment hatte er gehofft, dass er seine Mutter wirklich erreichen könnte. Das etwas von dem was geschehen war einen Zugang geöffnet hatte.
-"So einfach ist das nicht Garath."- flüsterte Aurelia in die Gedanken ihres Reiters. -"Um eine Seele zu verwunden muss man eine tiefe Wunde schlagen. So tiefe Verletzungen heilen langsam. Das ist die Wahrheit."-
Garath bestätigte stumm. Zu seiner Mutter sagte er.
"Ich bin hier um mich von dir zu verabschieden Mutter. Ich wünsche dir alles Gute. Vielleicht wenn du gelernt hast.....irgendwann...."
Elena lachte bitter:
"Du lässt mich allein, ihr beide! ihr seid so undankbar !Es kümmert euch nicht wie einsam ich bin!"
Garath erhob sich und trat zu Tür.
"Du bist einsam Mutter, weil du dich verschließt. Und du versuchst Reanna und mir auch einsamkeit auf zu zwingen. Das wollen wir nicht! Leb wohl."
Ohne auf eine Antwort zu warten verließ Garath das Zimmer.







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