56. Gäste aus dem Norden Teil 4

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Einige Augenblicke verstrichen bevor sich die beiden Elfen wir voneinander lösen. Sina beseitigte mit einigen schnellen Handgriffen die Tränenspuren auf ihren Wangen und brachte ein noch etwas zittriges Lächeln zu Stande.
"Entschuldigt bitte meinen Ausbruch." sagte sie in die Runde. "Bitte kommt doch mit ins Lager. Wir haben reichlich Vorräte und ihr wollt euch nach der Reise vielleicht etwas erfrischen."
"Es gibt nichts wofür ihr euch entschuldigen müsstet Sina-älfa Kona." versicherte Eragon. "Eure Einladung nehmen wir natürlich gerne an es gibt auch einige Dinge zu besprechen aber soweit ich das beurteilen kann sind sie ausschließlich erfreulicher Natur."
"Ich hoffe diese Einladung gilt auch für meinen Vater." ließ sich Ismira nun vernehmen. Sie hatte sich auf der einen Seite bei ihrem Vater, und auf der anderen über ihren Gefährten untergehackt und trat nun wieder zur Gruppe.
"Dann müsst Ihr Graf Hammerfaust sein." ergriff Legartis das Wort und trat einen Schritt auf Roran zu. "Eure Tochter hat während unserer Reise oft von euch gesprochen. Es ist uns eine Ehre euch hier begrüßen zu dürfen. Ihr seid ein verdienter Kämpfer des Widerstandes gegen den Verräter Galbatorix."
Legartis überraschte Eragon indem er dem menschlichen Tradition folgte und Roran die ausgestreckte offene Hand anbot. Er hatte es bisher nur selten erlebt, dass Elfen sich in ihrer Verhaltensweise anderen Völkern anpassten. Bewegten sie sich außerhalb ihres Waldes tolerierten sie zwar das Verhalten anderer Völker blieben aber ihre eigenen Verhaltensweisen treu verhaftet. Gestatteten sie jemandem ihre Städte zu besuchen so wurde erwartet, dass dieser jemand die entsprechenden Verhaltensregeln beherrschte.
Roran schien erfreut über die Geste und erwiderte den Händedruck herzhaft.
"Die Ehre ist ganz auf meiner Seite." versicherte er freundlich.
Sina musterte unterdessen den Grafen mit leicht schief gelegt den Kopf. Als die Blicke sich ihr zuwandten wirkte sie etwas verlegen.
"Entschuldigt bitte dass ich euch so anstarre Hammerfaust aber ihr seid der erste Mensch dem ich begegne der nicht an einen Drachen gebunden ist. Eure Tochter hat durch die Verbindung mit ihrer Drachendame bereits einige körperliche Veränderungen durchlaufen die ihr ein Aussehen verleihen, dass unsere durchaus ähnlich ist. Wie gesagt, verzeiht mir bitte meine Neugier."
Roran winkte lächelnd ab und versicherte, dass es keine Entschuldigung bedurfte. Ismira schien sich über die Neugierde der Elfe regelrecht zu amüsieren.
Eragon musste zugeben, dass sein Cousin was das Aussehen betraf in der Tat aus der Rolle fiel. Zumindest aus einem elfischen Blickwinkel. Zwar gab es einige Halblinge unter den Verstoßenden die Ansätze von Bartwuchs zeigten aber bei keinem hatte es bisher zu einem gepflegten Vollbart gereicht wie Roran ihn trug.
Als die Gruppe sich auf den Weg den Hügel hinab in das Lager machte ergriff Sina noch einmal das Wort:
"Ich hoffe ihr fühlt euch nicht belästigt dass wir mit unserer Gruppe euer Herrschaftsgebiet durchqueren. Wir werden alles tun um nicht zur Last zu fallen."
"Warum sollten wir uns belästigt fühlen"winkte Roran ab." Ich habe schließlich eine Elfe in der Familie."
Roran nickte in Aryas Richtung. Diese erwiderte die Geste mit einem Lächeln.
"Ihr besucht unser Tal zu einem ganz besonderen Tag. Es jährt sich der Wiederaufbau der Stadt in der Eragon und ich aufgewachsen sind. Damals war Carvahall noch ein Dorf aber bereits ein guter Platz zum Leben."
"Allerdings!" pflichtete Eragon bei." Unter der Herrschaft meines Cousins ist meine alte Heimat auf einmalige Weise erblüht. Zu der Feier zu Ehren der Wiedererrichtung werden Gäste aus ganz Alagaesia erwartet. Vertreter aller Völker werden unter ihnen sein."
"Wir hoffen ihr werdet auch dazugehören. Ich habe Eragon nicht nur begleitet um euch zu begrüßen sondern euch auch so unserem Fest einzuladen."
Sina blieb wie angewurzelt stehen und blickte Roran so ungläubig an als hätte dieser gerade verkündet, dass es in Alagaesia Brauch war seine Schuhe auf den Kopf zu tragen. Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen aber brachte keinen Ton heraus. Daher schloss sie den Mund wieder und blickte etwas Hilfe suchend zu ihrem Bruder, Eragon und auch zu Arya.
Eragon war außer Stande etwas beruhigendes zu sagen da in eine Welle ungezügelter Heiterkeit von Saphira traf.
- "Eine sprachlose Elfe! Kleiner, das habe ich in meinem Leben noch nie gesehen!"-
Eragon tat sein Bestes nicht zu lachen aber seine langjährige Begleiterin hatte Recht. So völlig fassungslos hatte er wirklich noch kein Mitglied des schönen Volkes erlebt.
"Wir..... danken euch natürlich für die Einladung Graf Hammerfaust." brachte Legartis schließlich hervor. "Wir möchten nun nicht.....ich meine wir kennen eure Traditionen nicht. Wir wissen nicht was von uns erwartet wird und wollen euch auf keinen Fall beleidigen."
"Macht euch da bitte keine Sorgen." schmunzelte Roran." Wir Menschen haben nicht derartig strenge Traditionen und Bräuche wie euer Volk. Im Grunde erwarten wir von euch nur dass ihr das tut was von jedem Gast erwartet wird der unser Fest besucht. Nämlich dass ihr unsere Gastfreundschaft genießt."
Sowohl Sina als auch Legartis wirkten immer noch etwas unsicher. Eragon hatte dafür Verständnis. Er begriff nun erst wie verletzlich den verstoßenden Elfen aus dem Norden waren. Bereits ihre Reaktion auf Roran hatte ihm das deutlich gezeigt. Sie hatten keine Erfahrung im Umgang mit anderen Völkern und kann nichts von der Welt außer dem Ort im Norden an den Mann sie verbannt hatte. Sina und Legartis mochten alt genug sein um den Untergang des alten Ordens miterlebt zu haben aber hier draußen in dieser für sie völlig fremden Welt wird selbst sie so unschuldig wie Kinder. Es lag ein langer Weg vor diesen Elfen bevor sie sich in Alagaesia wirklich zuhause fühlen würden.
Arya schien ähnlich zu denken denn sie war neben beiden Sprecher der Verstoßenen getreten und wählte ihre Worte mit bedacht:
"Ich verstehe das ihr euch etwas überwältigt fühlt aber ich könnte mir kaum einen besseren Ort vorstellen an dem ihr und eure Leidensgenossen ersten Kontakt mit den anderen Völkern haben könntet. Die Mutter meines Gefährten hat weise gewählt als sie ihn um Palancar Tal aufwachsen ließ. Es ist ein guter Ort der eine große Wärme ausstrahlt. Eine von Roran Hammerfausts größten Leistungen ist es, dass er diese einmalige Wärme bewahrt hat und wohl aus dem Dorf inzwischen eine wohlhabende Stadt geworden ist."
Bei ihren letzten Worten hatte Arya Roran direkt angeblickt und dieser schien sich über das Lob ehrlich zu freuen.
"Nun, wie gesagt ihr ehrt uns und wir nehmen eurer Einladung gerne an" versicherte nun Legartis und die Gruppe setzte ihren Weg in das Lager fort. Während sie den Reihen der Zelte immer näher kamen berichtete Roran den beiden interessierten Elfen von Carvahall und den Hintergründen der anstehenden Feierlichkeiten.
Während er den Ausführungen seines Cousins lauschte spürte Eragon einen leichten Druck gegen seinen Geist, der nicht von Saphira zu stammen schien. Vorsichtig lenkte er seine geistigen Schilde und erkannte das überirdisch schöne Lied, das steht in Aryas Geist zu hören war.
- "Denkst du es klug ihnen jetzt auch von der Reiterprüfung zu berichten?" -
- "Ich verstehe deine Sorgen mein Stern. Auch mir fällt zum ersten Mal auf wie verletzlich unsere neuen Freunde noch sind aber ich denke trotzdem, dass es unsere Pflicht ist sie einzuweihen. Dann haben sie die Gelegenheit sich darauf vorzubereiten. Es geht schließlich nicht nur um sie sondern auch um die noch ungeborenen Drachen. Wir kündigen die Reiterprüfungen nicht ohne Grund weit im Vorfeld an. Jeder der zur Prüfung antritt muss sich schließlich über die Verantwortung im klaren sein die er übernimmt. Gerade weil Sina, Legartis und die anderen noch so wenig Erfahrung haben sollten wir ihnen möglichst viel Zeit geben uns Fragen zu stellen und sich vorzubereiten." -
Nach einigen Augenblicken spürte Eragon wie Zustimmung aus dem Geist seiner Gefährtin zu ihm herüberströmte. Durch Aryas Rückhalt gestärkt beschloss Eragon die Angelegenheit nun sofort in Angriff zu nehmen. Er überlegte sich wie er die Unterhaltung am besten auf das bevorstehende Ereignis in Giel ead lenken konnte und sagte schließlich:
"Entschuldigt wenn ich unterbreche aber ich wollte euch noch darüber aufklären, dass zu unserer Reisegruppe noch zwei andere Mitglieder gehören. Es handelt sich um die Elfen Tialva und Bloedgram. Sie hoffen ihr ihren Sohn kennen lernen zu können."
"Richtig!"Legartis schien sich zu erinnern. "Drachenreiterin Ismira hat uns angedeutet, dass es ein Problem mit diesem Bloedgram gegeben hat als er erfuhr, dass ihm und seiner Gefährtin sein Sohn vorenthalten wurde. Ich hoffe unsere Informationen haben euch geholfen diese Situation zu bereinigen."
"Durchaus." versicherte Eragon." Die beiden sind nicht mit uns gemeinsam eingetroffen weil sie zu Fuß unterwegs sind. Sie wollten unsere Drachen nicht übermäßig beanspruchen. Doch in einigen Stunden dürften sie euer Lager erreichen."
Sina stellte nun die Frage auf die Eragon gehofft hatte.
"Wir werden die beiden natürlich freundlich empfangen. Werden uns noch andere Elfen aufsuchen um nach ihren Kindern zu suchen?"
"Nicht hier in diesem Lager und wohl auch nicht in Carvahall. Wohl aber in Giel ead. Die Stadt ist ein wichtiger Handelsaußenposten sowohl für euer Volk als auch für die Menschen. Viele aus dem Volk der Elfen haben sich natürlich gefragt ob sie Angehörige in euren Reihen haben und König Maranus ist der Meinung, dass einem Zusammentreffen nichts im Wege stehen sollte. Es soll allerdings kontrolliert ablaufen deswegen wurde Giel ead gewählt. Das Königspaar will euch persönlich in dieser Stadt begrüßen und gestattet Elfen die Angehörige besuchen wollen sich ihrer Gesellschaft anzuschließen."
Wieder blieben Legartis und Sina stehen und ungläubiges Erstaunen lag auf ihren Gesichtern.
"Die Herrscher unseres Volkes wollen uns persönlich begrüßen?" Sinas Stimme war kaum mehr als ein aufgeregtes Flüstern.
"Auch meine Eltern haben euch doch besucht oder?" erkundigte sich Arya.
"Richtig. Islanzadi und Evander erwiesen uns diese Ehre aber es ist so lange her! Über 100 Jahre!" bestätigte Legartis.
"Es gibt keinen Grund zur Sorge." versicherte Eragon. "In König Maranus und Königin Nievren habt ihr Verbündete. Nicht nur lehnen sie das Verhalten des Zirkels der Heiler ab sondern sie sind auch persönlich von dem Unrecht betroffen, dass euch widerfahren ist. Der Nichte der Königin wurde ihr neugeborenes Kind vorenthalten- Mavasha ist nur deshalb mit ihrer Tochter bereits wieder vereint weil sie noch zu jung war um in den Norden geschickt zu werden. Folglich sieht es das Herrscherpaar aber geradezu als eine persönliche Aufgabe an euch gegenüber für Wiedergutmachung zu sorgen und denen in eurem Volk, die noch zweifeln klarzumachen, dass Hass und Ablehnung nicht toleriert werden. Deshalb haben sie auch den Orden der Reiter gebeten diese Bemühungen zu unterstützen. Wir haben dem zugestimmt."
"Soll diese Unterstützung aussehen Schattentöter?" erkundigte sich Sina. "Ihr und eure Gefährtin habt schon so viel für uns getan."
Eragon atmete tief durch bevor er die Frage beantwortete:
"Wir werden eine Reiterprüfung abhalten wenn ihrin Giel ead seit. Euch und eure Leidensgenossen ist nicht nur gestattet daran teilzunehmen sondern ihr werdet die ersten sein die die Dracheneier berühren dürfen. Der König und ich wollen damit klarstellen, dass eure körperlichen Makel nichts an der Tatsache ändern, dass sie die gleichen Rechte haben wie jedes Wesen in Alagaesia."


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