67. Reiterprüfung Teil 2

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Noch während Eragon über die Vorfreude seiner Tochter schmunzelte suchte er bereits den Blickkontakt mit Kaufmann Toramfell und seiner Gattin. Als er die beiden schließlich entdeckte nickte er ihnen viel sagend zu. Sofort erkannten die beiden das verabredete Signal und winkten einige Diener heran um ihnen einige Anweisungen zu zu flüstern.
Der Park der ehemaligen Garnisonsstadt verfügt in seinem Zentrum über einen offenen Platz der mit weißem Sprit gestreut war. Hier sollte die Reiterprüfung stattfinden. Als Eragon die offenen Fläche mit seiner Familie erreichte waren die Diener bereits dabei letzte Vorbereitungen zu treffen. Eilig trugen sie einen breiten Tisch ins Zentrum des Platzes und bereiteten dann eine Decke aus blutrotem Samt darüber. Hier sollten die Dracheneier den möglichen Kandidaten vorgestellt werden.
Marlena ließ den Bediensteten gerade genug Zeit die letzten Falten der Samtdecke zu glätten bevor sie stolz die Dracheneier aus ihrem schützenden Beutel holte und sie mit größter Umsicht auf dem Tisch ins rechte Licht zu rücken begann.
Aufgeregtes Gemurmel erhob sich unter den umstehenden Elfen. Jeder der Anwesenden wusste was die Stunde geschlagen hatte.
Arya trat zu ihrer Tochter, ging neben ihr in die Hocke und unterstützte das kleine Mädchen dabei die Dracheneier auf den Tisch zu dapieren. Selbstverständlich verlangt der Marlena, dass ihre Mutter sich auf gute Ratschläge beschränkte. Die Eier waren ihre Verantwortung und das kleine Mädchen schien jede Einmischung als persönliche Beleidigung zu betrachten.
Noch während Eragon diesen Anblick genossen spürte er jedoch, dass jemand neben ihm getreten war. Er blickte sich um und erkannte König Maranus und seine Gefährtin Nievren. Eiligst setzte der Anführer der Reiter dazu an den König der Elfen und seine Königin mit dem gebotenen Respekt zu begrüßen doch der Monarch winkte ab.
"Dem Protokoll wurde bereits hinreichend Genüge getan Eragon-Elda." lächelte der König gütig. "Bevor die Reiterprüfung beginnt hätte ich allerdings noch zwei Anliegen an euch."
"Natürlich euer Majestät." Erwiderte Eragon ebenfalls mit einem höflichen Lächeln.
"Die erste meiner Bitten stellte denke ich kein großes Problem dar." begann Maranus zu erklären. "Ich habe mich bisher zurückgehalten was Ansprachen betraf. Dieser Moment sollte in erster Linie den Familien gehört die sich hier wieder zusammengefunden haben. Bevor wir aber mit der Prüfung beginnen würde ich doch gerne einige Worte an alle Anwesenden richteten. Als wir ankamen lag viel zu viel Anspannung in der Luft. Eltern die hier hofften verloren Angehörige zu finden sind keine konzentrierten Zuhörer, ebenso wenig wie die verlorenen Kinder die hier versammelt sind. Ich möchte aber nicht, dass von meiner Seite der Eindruck entsteht, ich würde diesem Anlass gleichgültig gegenüberstehen."
Eragon nickte.
"Das stellt wirklich kein Problem dar euer Hoheit. Zwar glaube ich nicht, dass irgendjemand euch für gleichgültig hält aber ich kann verstehen, dass ihr es als eure Pflicht empfindet einige Worte zu sagen. Wir werden die Teilnehmer der Prüfung gleich zusammenrufen und dann könnt ihr gerne das Wort an sie richten."
Der König quittierte diese Äußerungen Eragons mit einem dankbaren Nicken und fuhr dann mit ernster Stimme fort:
"Vielen Dank Schattentöter. Mein zweites Anliegen ist etwas schwieriger und bedeutungsvoller. Wie ihr wisst verurteilen wir das Handeln der Heiler, die diese Situation geschaffen haben, aufs schärfste. Unsere Ermittlungen in Elesméra sind nun zum größten Teil abgeschlossen und es ist an der Zeit, dass dem Beschuldigten der Prozess gemacht wird. Bei einem Fall von dieser Tragweite ist es normalerweise die Pflicht des Kronrates eine Gruppe von geeigneten Personen auszuwählen die die Rolle des Richters in diesem Fall einnehmen sollen. Meist werden vier rechtskundige Vertreter unseres Volkes gewählt die den gebotenen Abstand zu den zu verhandelnden Verbrechen besitzen. Dies stellt sich in dieser Situation aber als äußerst schwierig da."
"Die Ereignisse um die verlorenen Kinder haben unser Volk schwer erschüttert Schattentöter." pflichtete Königin Nievren ihren Gefährten bei. "Schließlich ist durch meine Nichte selbst das Herrscherhaus betroffen."
"In der Tat. Der Ruf nach Antworten ist praktisch in jeder Stadt und jeder Familie laut geworden." setzte Maranus seine Ausführungen fort. "Es ist also sehr schwierig Richter zu finden die über den Verdacht erhaben sind. Gerade das ist aber in einer Situation, die so aufgeheizt ist wie diese von entscheidender Bedeutung. Damit die Allgemeinheit den Richterspruch akzeptiert muss die Autorität derjenigen die ihn fällen über jeden Zweifel erhaben sein. Daher möchte ich den Orden der Reiter bitten uns vier Personen zu stellen die als Richter fungieren sollen. Ich würde es auch begrüßen wenn ihr Schattentöter und eure Gefährtin zu dieser Gruppe zählen würdet."
Eragon atmete zunächst kaum hörbar tief durch. Noch während der König sprach hatte er bereits mit einer derartigen Bitte gerechnet doch trotzdem traf sie ihn wie ein Schlag in den Magen.
"In der Zeit vor Galbatorix haben die Völker oft den Orden der Reiter um Rechtsprüche gebeten. Bei unserem Volk kam es zwar eher selten vor aber es gibt durchaus Beispiele dafür."führte Königin Nievren die Argumentation ihres Gefährten fort. "Wir zweifeln nicht daran dass euer neu formierter Orden der Aufgabe gewachsen ist Schattentöter."
Noch einmal schluckte Eragon bevor er schließlich antwortete:
"Ihr ehrt unsere noch jungen Orden. Gestattet mir nur erst eine Frage warum Arya und ich? Wir haben schließlich die Siedlung der Verstoßenen erst entdeckt. Würden wir damit nicht auch in den Verdacht geraten der Situation nicht neutral gegenüberzustehen?"
"Ich verstehe eure Sorge in dieser Angelegenheit Schattentöter." versicherte der Elfenkönig. "Aber ihr unterschätzt euch ein wenig. Das ist verständlich. Nach dem Krieg seid Ihr mit einigen Elementen aus unserer Gesellschaft konfrontiert worden die, nun sagen wir, engstirnig anmuten mochten. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Großteil des Volkes euch mit großem Respekt und tiefer Verehrung begegnet. Nicht nur habt ihr Galbatorix besiegt sondern auch dem Drachenvolk neue Stärke gegeben. Euer Wort gilt viel! Sehr viel sogar. Gerade deshalb ist es mir wichtig euch in dieser Angelegenheit einzubinden. Ein Urteil, das von euch mit gefällt wurde wird wesentlich leichter Akzeptanz finden. Auch eure Gefährtin sollte sich nicht täuschen lassen. Die Ablehnung die sie von einigen Elementen aus dem Adel zu spüren bekommen hat ist kein Zeugnis für die allgemeine Einstellung des Volkes. Ganz im Gegenteil. Ihr Name wird mit großer Ehrfurcht ausgesprochen. Zum einen wegen ihrer Eltern die beim Volk immer noch liebevolle Verehrung genießen und zum anderen wegen ihrer Heldentaten im großen Krieg."
"Die Geschichten über die Opferbereitschaft eurer Gefährtin, sowie über ihren Mut und ihr Pflichtgefühl sind allgegenwärtig." versicherte auch die Königin.
Wieder kehrte Schweigen ein als Eragon seine Gedanken sammelte. Die Bitte des Königspaars hatte eine Unruhe in ihm geweckt, die sich nicht einfach beiseiteschieben ließ. Er beschloss den Fall später noch einmal mit Arya genau zu erörtern. Jetzt jedoch musste er dem König und seiner Gefährtin eine Antwort geben.
"Eure Bitte beinhaltet eine große Verantwortung König Maranus." sagte er schließlich. "Der Orden wird jedoch seinen Pflichten gerecht werden. Ich werde mit Arya Rücksprache nehmen und euch noch heute eine endgültige Antwort geben."
Damit gab sich der Monarch vor erst zufrieden. Er schien nicht erwartet zu haben, dass Eragon aus dem Stegreif eine Zusage geben würde. Außerdem war nun der hallende Ton eines Gongs zu vernehmen. Das vereinbarte Signal, dass die Prüfung beginnen sollte.


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