128. Das große Geheimnis Teil 1

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Nachdenklich strich sich Marlena mit der Hand über den Nacken als sie verfolgte wie Voratan sich mit donnernden Flügelschlägen in den Himmel schraubte.
Sie kannte den grauen Riesen seit ihrer Kindheit doch noch nie hatte er sie so scharf angesehen wie heute. Während sie in einem Boot den See hinter der Festung der Reiter überquerten hatte war Alonvy neben ihr hergeschwommen.
Marlenas weiße Seelenschwester war inzwischen mehr als groß genug um ihre Reiterin zu tragen. Nach einem Jahr der gemeinsamen Ausbildung brannte das Feuer der jungen Drachendame ebenso heiß wie ihr Feuer und mehr als einmal hatte Alonvy ihren Unmut darüber bekundet schwimmen zu missen. Sie sei ein Drache und kein Nidwahl! Außerdem habe sie schon Reiter und Drachen zu dieser merkwürdigen Insel fliegen sehen. Warum also müsse sie schwimmen?
Marlenas Mutter Arya war hart geblieben. Nur Drachen die dem Ältestenrat der Reiter angehörten war es gestattet zu fliegen. In einigen, seltenen Fällen hatte es Ausnahmen gegeben doch Marlena und Alonvy würden den Weg gehen müssen die alle Novitzen des Ordens beschritten.
Alonvy hatte schließlich zugestimmt. Die Neugier hatte gesiegt.
Wie angekündigt hatte Voratan die junge Reiterin und ihre Drachendame erwartet. Anders als andere Schüler war Marlena nicht nervös gewesen als sie den mächtigen Wilden sah. Sie kannte den Anführer des ersten Clans der neuen Zeit. Doch die heutige Begegnung war anders gewesen.
Ernst und hart wie der Fels aus dem seine Schuppen zu sein schienen hatte der mächtige Drache sie gemustert und schließlich den Weg freigegeben.
Der harte Blick des Gerauen hatte Marlenas Neugierde auf das große Geheimnis, welches hier enthüllt werden sollte, einen Dämpfer verpasst. Ein mulmiges Gefühl hatte von ihr Besitz ergriffen und wollte sich nicht verflüchtigen.
-"Nun komm schon kleine Halbling."- drängelte Alonvy. Die weiße Drachendame drückte ihrer Reiterin die Schnauze zwischen die Schulterblätter und schubste sie vorwärts. -"Ich will jetzt endlich wissen worum es hier geht."-
-"Ich geh ja schon."- lachte Marlena, wartete bis ihre Drachendame neben ihr ging und warf sich dann in ihre Flanke. So fingen oft freundschaftliche Rangeleien zwischen den beiden Seelenschwestern an. Diesmal jedoch wurden die beiden unterbrochen.
Donnerndes Drachengebrüll erschall vor ihnen.
Aus einer großen Höhle vor ihnen schob sich Saphiras elegante Gestallt ans Tageslicht. Die blaue Drachendame trat bis an den Rand des Felsplateaus zu dem Marlena und Alonvy gerade aufstiegen und setzte sich auf ihre Hinterbeine. Majestätisch ragte ihre mächtige Gestallt in den Himmel. Ihr strenger Blick ruhte auf Marlena und Alonvy als die beiden langsam näher kamen.
-"Nicht Tante Saphira, oder?"- erkundigte sich Alonvy.
-"Nein! Eindeutig Meisterin Schimmerschuppe."- bestätigte Marlena.
Dieses Wortspiel hatte zwischen den Seelenschwestern Tradition. Saphira hatte direkt be der ersten Unterrichtsstunde der beiden bei ihr klargestellt, dass Marlena während der Unterweisung nicht das Küken ihres "Kleinen" sei sondern eine Schülerin wie jeder andere Novize des Ordens auch. Das gleiche würde für Alonvy gellten.
Für Marlena gab es seitdem zwei Saphiras. Die gütige Tante die sie seit ihrer Kindheit kannte und die strenge Lehrerin Schimmerschuppe bei der man mannigfaltiges wissen erwarb, die aber auch hart war und vollen Einsatz forderte.
Alonvy hatte dafür Verständnis gehabt.
-"Meisterin Saphira hat die Zeit erlebt in der die Zukunft der Kinder des Feuers und des Himmels so vergänglich war wie die Flamme einer Kerze in einem Sturm."- hatte die Weiße ihrer Reiterin erklärt. -"Sie weiß das jeder Drache und jeder Reiter ein Teil einer neuen Zukunft ist und sie die Verantwortung dafür trägt."-
Das hatte Marlena eingeleuchtet und Saphiras Härte hatte der jungen Frau klar gemacht, dass ihr eine große Verantwortung zuteil geworden war als sie zur Reiterin berufen wurde.
Nun Schrumpfen sowohl Drachin als auch Reiterin unter dem scharfen Blick der mächtigen Drachendame zusammen.
Saphira ließ ihren Blick noch einige Sekunden wirken bevor sie das Wort an die Neuankömmlinge richtete:
-"Es gibt einen Zeit für Schabernack und Spiel und eine Zeit in der einen tiefer Ernst erfüllen muss. Ihr steht kurz davor in das größte Geheimnis unseres Ordens eingeweiht zu werden und benehmt euch wie zwei verspielte Welpen! Glaubt ihr das dies die Zeit für so ein Verhalten ist?"-
-"Nein Meisterin."- antworteten Marlena und Alonvy zerknirscht.
-"Gut!"- brummte Saphira. -"Dann habe ich ja wohl nicht alles bei eurer Ausbildung falsch gemacht."-
Saphira sammelte sich einen Augenblick, dann wurde ihr Blick und ihre Stimme etwas weicher.
-"Man erwartet euch in der Höhle hinter mir. Hier und heute werdet ihr das größte Geheimnis Alagaesias erfahren. Dieses Gehemnis sorgte dafür, dass die Seele des Drachenvolkes die dunkle Zeit der Wyrdfell überdauert hat aber es verhalf dem Mörder Galbatorix auch seiner unnatürlichen Macht und brachte uns Drachen an den Rand des Aussterbens. Für jeden jungen Reiter und jeden jungen Drachen der in dieses Geheimnis eingeführt wird haben mein Reiter und ich gebürgt. Mit unserer Ehre und unserer Reputation. Keiner hat uns bisher enttäuscht."-
-"Wir werden nicht die ersten sein!"- versprach Marlena wild entschlossen.
Saphiras Blick wurde nun merklich weicher. Fast schien die ehrwürdige Drachendame zu schmunzeln.
-"Da bin ich mir sicher."- sagte sie gütig, entfaltete dann ihre Flügel und segelte über den See davon.
Alonvy und Marlena blickten ihr nach.
"Ich wünschte ich könnte Schüler so einschüchtern."
Marlena erkannte die Stimme ihres Vaters sofort. Sie blickte sich um und sah Eragon der aus der Hihle auf sie zukam.
Anders als seine Drachendame hatte er nie aufgehört ihr Vater zu sein. So überraschte es die junge Reiterin nicht, dass Eragon sie in eine feste Umarmung zog.
Auch Alonvy kraulte der Arget Un der neuen Reiter zuerst väterlich die Schnauze bevor er das Wort wieder an die beiden richtete.
"So ihr Zwei: Wie Saphira schon sagte erwartet man euch. Folgendes will ich euch noch mit auf den Weg geben. Niemand in dieser Höhle ist euch feindlich gesonnen. Bleibt also ruhig und besonnen. Ihr seid unter Freunden. Ich werde hier auf euch warten bis ihr die Höhle wieder verlasst. Bevor es euch erlaubt wird in die Welt zurückzukehren müsst ihr mir, dem Arget Un der Drachenreiter, in der alten Sprache schwören, dass ihr mit niemandem ohne meine Erlaubnis über das sprechen werdet, was ihr heute hier lernen werdet."
Alonvy und Marlena sahen sich verdutzt an. Seit sie die Bedeutung von Schwüren in der alten Sprache erfahren hatten war ihnen von allen Lehrmeistern eingeschärft worden keinen solchen Eid leichtfertig abzugeben.
"Wenn ihr glaub diesen Eid nicht leisten zu können, steht es euch frei zu gehen." fuhr Eragon fort. "Doch in diesem Fall werdet ihr als Drache und Reiter nie die wahre Meisterschaft erreichen."-
Wieder sahen die beiden Seelenschwestern sich an.
-"Aber Meister Eragon, was erwartet uns denn in dieser Höhle?"- wollte Alonvy wissen. -"Wir wissen doch gar nicht wirklich worum es geht. Meisterin Arya sagte nur, dass es um die nächste Stufe unserer Ausbildung geht. Meisterin Saphira hat auch nur Andeutungen gemacht. Wie sollen wir entscheiden ob wir einen solchen Schwur abgeben sollen ohne zu wissen worum es geht."
Eragon schlug kurz die Augen nieder und lächelte in sich hinein.
"Wir haben euch zwei bisher gut ausgebildet." schmunzelte der Anführer der Reiter als er seine Tochter und ihre Drachendame wieder anblickte. "Aber auch ich kann euch nicht sagen, was euch dort erwartet."
Eragon hob die Hände um weitere Einsprüche zu unterbinden.
"Es geht hier um Vertrauen Alonvy und Marlena. Wir, die Ältesten erweisen euch Vertrauen indem wir euch einladen dieses Geheimnis zu erfahren. Wir erwarten auch Vertrauen von euch. Es gehört zu der Erfahrung die ihr heute hier machen werdet, dass ihr nicht genau wisst was euch bevor steht. Eines jedoch kann ich euch noch sagen. Die Begegnung die euch bevorsteht wird euch verändern. Sie verändert jeden Drachen und jeden Reiter. Auch mich."
"Dich Vater? Wie?"
Marlena sah ihren Vater mit großen Augen an.
Eragon lächelte.
"Bevor ich das Geheimnis erfuhr was dort in der Höhle auf euch wartet konnte man mein Alter anhand der Sommer messen die ich gesehen habe. Heute kann man mein Alter nicht mehr auf diese Art messen Tochter."
Marlena sah ihrem Vater lange in die Augen. So viel lag in Eragons Blick. Tiefe Dankbarkeit aber auch eine Spur Bedauern.
"Argetlan Marlena Aryatochter, Sculblaca Alonvy, als Arget Un der Reiter frage ich euch wollt ihr in die Ratshöhle eintreten und euch dem Stellen was euch dort erwartet?"
Marlena musste schlucken. Es geschah nicht oft, dass ihr Vater so förmlich wurde. Dieser Umstand bereitete ihr mehr Sorge als alle warnenden Worte zuvor. Eragon war ein gütiger Vater für alle Reiter. Stehts hatte er ein offenes Ohr für ihre Probleme und begegnete ihnen mit Geduld und Verständnis. Wenn ihr Vater ernst wurde, dass wusste Marlena, war die Lage es auch.
Im Geist tastete sie nach Alonvy.
-"Was meinst du meine Süße? Sollen wir?"-
Marlena stellte erstaunt fest, dass auch das unerschütterliche Selbstvertrauen ihrer Drachendame ins Wanken geraten war. Auch Alonvy hatte nun ein flaues Gefühl welches mit ihrer Neugierde rang.
-"Wir sollten es tun."- sagte sie schließlich. -"Drache und Reiterin ist das was wir sind. Niemals Meisterschaft darin zu erreichen würde bedeuten, dass wir uns niemals wirklich verstehen werden. Das dürfen wir nicht erlauben."-
Marlena konnte ihrer Seelenschwester nur zustimmen. Das war wirklich undenkbar.
"Wir wollen eintreten." antwortete sie mit fester Stimme.
Eragon nickte zufrieden. Er gab den weg frei und vollführte eine einladende Geste.
"Dann geht. Ich werde hier auf euch warten."






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