165. Verstehen

111 10 0
                                        

Garath lag rücklings auf seinem Bett in seinem Zimmer.
Er hatte nur allein sein wollen, nachdem entschieden worden war was nun mit seiner "Mutter" geschehen würde.
"Mutter"....... das Wort stieß dem jungen Reiter regelrecht sauer auf.
Meisterin Narie und Meister Marek hatten Verständnis dafür gehabt, dass ihr Schüler nun erst einmal Ruhe brauchte und allein sein wollte.
Sie hatten ihm lediglich angeboten, dass er debei sein dürfte wenn man Elena über das informierte was nun beschlossen worden war.
Garath hatte das abgelehnt.
Er wollte allein sein. Aurelia war dabei natürlich die einzige Ausnahme. Sie lag neben ihm auf dem Bett und hatte ihren Kopf auf den Bauch ihres Reiters gelegt.
Sie hatten nicht viel miteinander gesprochen seit.......
Garath fragte sich was er fühlte. Im Grunde war sein Innerstes wie leer gefegt. Der Angriff seiner Mutter wirkte, wenn er daran zurück dachte, seltsam unwirklich auf ihn.
-"Warum?"-
Aurelias Frage ließ Garath zusammenzucken.
-"Entschuldige....ich wollte nicht, ich meine....!"-
Aurelia hob leicht den Kopf und blickte ihren Reiter an.
Sie sagte zunächst nichts sondern stieß nur einen tiefen, beruhigenden Summton aus.
Schon nach wenigen Augenblicken hatte Garath verstanden, dass Aurelia ihm nicht böse war oder ihm irgend einen Vorwurf machen wollte. Sie war einfach neugierig.
Unwillkürlich stieg ein Gefühl von Dankbarkeit in Garath auf. Aurelias Neugier war so rein und unschuldig, dass sie ihn fast zu Tränen rührte. Trotz all der Dinge die Elena ihnen angetan hatte interessierte es Aurelia einfach was er dachte. Völlig frei von Wertung oder Erwartung interessierte sich das Drachenmädchen dafür was er fühlte.
-"Ich kann einfach nicht glauben, was Mutter da getan hat Aurelia!"- sagte er schließlich. -"Dich zu verlieren wäre für mich so als würde ich blind werden! Wie kann Mutter glauben, dass ich je wieder glücklich werden könnte......"-
Garath unterbrach sich. Er lachte kurz freudlos.
-"Warum frage ich mich eigentlich noch wie sie denkt. Es war nicht in meinem Interesse, dass sie mich jahrelang praktisch eingesperrt hat. Sie denkt immer nur an sich! Nur an das was sie will!"-
-"Das glaubst du nicht wirklich oder?"-
Wieder überraschte Aurelia ihren Reiter mit ihrer Reaktion.
-"Du bist so ruhig bei der Sache."- wunderte sich Garath. -"Ich meine Mutter hat doch versucht.....ich meine....."-
Zur grenzenlosen Verwunderung ihres Reiters kicherte Aurelia leise.
-"Garath, manchmal seid ihr Zweibeiner einfach ein bisschen dumm."- erklärte sie schließlich altklug und fuhr fort:
-"Garath, dein Mutter hat mich gehasst von dem Tag an als ich dich aus meinem Ei heraus erwählt habe. Ich wusste, dass der Tag kommen würde an dem wir kämpfen müssen um zusammenbleiben zu können. Und wenn du ehrlich bist, dann hast du es auch gewusst."-
Garath dachte einen Augenblick nach, dann musste er Aurelia recht geben. Er hatte gewusst, dass seine Mutter nie aufgeben würde. Deshalb hatte er gehen wollen. Zur Ostmark, irgendwo hin wo sie nicht ständig auftauchen und sich in sein Leben drängen konnte!
-"Bist du mir böse?"- fragte er schließlich. Im Grunde hatte er diese Frage stellen wollen von dem Moment an, an dem Aurelia verletzt worden war.
-"Warum sollte ich?"- gluckste das Drachenmädchen.
-"Weil du recht hast."- erklärte Garath. -"Ich wusste, es oder besser gesagt ich hätte es wissen müssen aber....."-
-"Aber du wolltest es nicht ganz glauben."- vollendete Aurelia. -"Du wolltest nicht glauben, dass Elena uns etwas tun würde weil sie trotz allem deine Mutter ist."-
Garath schluckte und nickte.
Wieder lachte Aurelia leise.
-"Sie ist deine Mutter Garath. Und ganz gleich wie wütend du auch auf sie bist, dass wird immer so bleiben. Warum sollte ich dir deswegen böse sein? Ich wäre böse wenn es es anders wäre und sehr traurig wenn du sie jetzt hassen würdest."-
Garath stemmte sich auf den rechten Ellenbogen und blickte Aurelia an.
-"Warum?"-
-"Weil Hass niemals zu etwas Gutem führt! Und Hass erlaubt kein anderes Gefühl mehr neben sich. Du kannst niemanden lieb haben wenn du hasst. Mich nicht und auch nicht deine Ohren-rund-Mensch-traurig-Schwester. Würdest du hassen wärst du wie deine Mutter."-
-"Aber sie hasst doch niemanden, ich meine....."-
-"Ihr Hass ist die gefährlichste Art von Hass die es gibt."-
Aurelia setzte sich nun auf und blickte ihren Reiter direkt in die Augen.
Garath schauderte unwillkürlich. Es lag so viel Kraft im Blick seiner kleinen Drachendame. Er begriff, dass es stimmte was man sagte. Drachen gaben mehr als nur Blut über die Generationen hinweg weiter!
Er hatte seine Meisterin Kira einmal gefragt wie das eigentlich sei mit den ererbten Erinnerungen des Drachenvolkes. War es Wissen? Geschichten?
Kira hatte geantwortet: wir vererben unseren Nachkommen das was sie brauchen um zu verstehen was es heißt ein Drache zu sein.
Aurelia war jung, aber sie war eben auch ein Drache.
-"Ihr Hass hat kein Ziel! Das macht ihn so gefährlich! Wut hat ein Ziel, Angst hat ein Ziel! Praktisch jedes Gefühl zu dem ein Wesen fähig ist braucht ein Ziel aber Hass nicht! Er bginnt vielleicht mit einem Ziel aber selbst wenn dieses Ziel zerstört ist stirbt der Hass nicht! Er bleibt und wird ein Teil deiner Seele. Wenn das passiert braucht der Hass kein Ziel mehr. Als Ziel kann alles und jeder dienen! Und wenn das passiert, dann beherrscht der Hass dein Leben! Wohlmöglich für immer!"-
-"So wie bei meiner Mutter!"- vollendete Garath.
Aurelia nickte mit dem Kopf.
-"Deshalb bin ich auch nicht böse auf sie."- erklärte Aurelia. -"Ich war zornig. Doch der Zorn ist verraucht und nun, nun tut sie mir einfach nur leid."-
Garath spürte wie Aurelias Worte die eisige Starre auflösten in der sein Innerstes bisher gefangen gewesen war. Er begriff, dass auch er nun Mitleid mit seiner Mutter haben durfte und das er es bisher nur nicht gewagt hatte so zu fühlen um Aurelia nicht zu kränken.
-"Ich denke, dass was Theoderich da vorgeschlagen hat ist eine gute Lösung!"- erklärte er schließlich. -"Wenn sie Mutter einfach eingesperrt hätten wäre sie ganz allein mit ihrem Hass. Er würde sie ganz verschlingen und es wäre nie vorbei mit ihr. So kann sie niemandem etwas tun aber sie hat zumindest eine Chance ihren Hass los zu werden."-
-"Gut!"- summte Aurelia stolz. -"Du verstehst."-
Zum ersten mal seit dem Angriff spürte Garath ein Lächeln auf seinem Gesicht.
Liebevoll streichelte er über Aurelias Kopf.
Bovor Drache und Reiter jedoch weitere Worte austauschen konnten ertönte ein leises Klopfen von der Tür her.
"Herein" rief Garath nach anfänglichem Zögern.
Langsam, fast schüchtern wurde die Tür geöffnet und ein Garath wohlbekanntes Gesicht erschien in dem spalt der sich aufgetan hatte.
"Störe ich dich?" erkundigte sich Reanna unsicher bei ihrem Bruder.
Dieser schüttelte den Kopf.
Unsicher betrat die junge Frau das Zimmer.
Bruder und Schwester blickten sich an. Keiner von beiden schien sicher zu wissen was sie nun tun sollten.
"Möchtest du dich setzen?" Fragte Garath und deutete auf den Stuhl der vor seinem Schreibtisch stand.
Mit einem nervösen Lächeln nickte Reanna und zog sich den Stuhl neben das Bett.
Wieder verfielen alle Anwesenden in Schweigen. Reanna starrte einfach auf ihren Schoß und knetete dort ihre Finger.
Gerade als Garath etwas sagen wollte ergriff sie das Wort:
"Ich wollte mich noch einmal entschuldigen. Richtig diesmal, bei euch beiden."
Ihr Blick glitt zu dem roten Drachenmädchen.
"Du heißt Aurelia nicht wahr?"
Die kleine Rote zwinkerte zutraulich.
"Das ist ein schöner Name." lächelte Reanna. "Und du hast recht gehabt. Ich habe mich nicht wie eine gute Schwester benommen und dafür schäme ich mich. Und ich meine nicht nur das von heute! Du hast mir gar nicht erzählt das du weglaufen wolltest Garath. Du weißt schon, bevor du dann in die Reiterprüfung hinein geraten bist."
"Nein das habe ich nicht." räumte der junge Reiter ein. "Du weißt, ich hatte dir schon vorher einmal erzählt, dass ich gehen wollte und du....."
"Ich, ich habe es Mutter erzählt." vollendete Reanna. Es war deutlich zu sehen, dass sie sich dafür schämte.
"Es war selbstsüchtig von mir!" gestand sie. "Ich hatte einfach Angst davor allein mit Mutter zu sein!"
"Das kann ich verstehen, jetzt schon!" versicherte Garath und fragte dann: "Habt ihr schon mit Mutter gesprochen?"
"Ja, haben wir." murmelte Reanna. "Es war schlimm! Sie hat getobt und hätte sich fast auf Graf Thomas gestürzt. Und dann hat sie gesagt, dass Ich das auch nicht wollen würde, dass man sie nach Surda bringt und das ich einfach nur mit ihr nach Hause gehen wollen würde! Aber ich habe ihr gesagt, dass das nicht so ist! Das auch ich dieses Urteil für richtig halte! Da ist sie ganz still geworden. Als wäre etwas in ihr zerbrochen. Es war schlimm!"
"Das tut mir leid." flüsterte Garath. Sein Gewissen versetzte ihm einen kleinen Stich.
Reannas nächste Worte beruhigten ihn jedoch:
"Es war nötig. Weißt du Garath, ich fühle mich als ob ich aus einem langen Schlaf aufgewacht. Ein wenig macht mir die Reise nach Surda Angst weißt du?"
"Das glaube ich dir gern." gestand Garath. "Bisher war Mutter ja immer da und hat sich um alles gekümmert. Weißt du denn schon was du dort machen wirst?"
"Bruder Theoderich hat einen guten Vorschlag gemacht." erzählte Reanna und klang zu Garaths Freude etwas hoffnungsvoller. "Er hat mir einen Posten in einem Waisenhaus der Wächter des Lichts in Surda besorgt. Ich werde dort helfen die Kinder zu betreuen. Ich werde ihnen das Töpfern beibringen. Das habe ich ja noch von Mutter gelernt. Ich werde den Kindern etwas beibringen und die Schwestern des Ordens dort werden mir helfen auf eigenen Füßen zu stehen."
"Das klingt gut." freute sich Garath fügte dann aber hinzu: "Weißt du....wenn du willst könntest du auch mit uns zur Ostmark reisen. Ich bin sicher die Drachenreiter hätten nichts dagegen und du könntest auch dort......"
Garath brach ab und blickte seine Schwester an.
Reannas Augen strahlten.
"Es bedeutet mir sehr fiel das du mir das anbietest aber.....Nein, nein ich denke das wäre nicht gut. Weißt du, ich habe darüber nachgedacht was Bruder Theoderich gesagt hat. Das ich nur noch lebe um mich von Mutter beschützen zu lassen. Wenn ich jetzt mit dir gehe, dann wäre glaube ich die Gefahr da, dass ich mich nur noch von dir beschützen lasse."
Reannas Blick glitt zu Aurelia. Zögerlich streckte sie die Hand nach der kleinen Drachendame aus. Diese machte der jungen Frau den Schritt einfacher und streckte sich der Hand, die ihr Streicheleinheiten versprach entgegen.
Mit einem fast schon stolzen Ausdruck auf dem Gesicht begann Reanna die kleine Rote zu kraulen. Schließlich blickte sie wieder zu ihrem Bruder.
"Du hast dein Leben gefunden. Verstehst du? Ich muss meines finden. Ich darf mich nicht nur an dich klammern! Dann wäre ich keine gute Schwester und das war ich schon viel zu lange nicht.
-"Ich glaube ich fange an sie zu mögen." summte Aurelia die sich immer noch kraulen ließ. -"Sie versteht....jetzt versteht sie!"-
Garath lächelte.
-"Ja, sie versteht."- sagte er zu Aurelia und fügte dann laut an Reanna hinzu:
"Aber du wirst mir doch schreiben oder?"
"Natürlich!" versprach Reanna. "'Und du mir auch!"
"Sicher!" versprach Garath!





Abstimmen nicht vergessen;)

Eragon-OS-SammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt