145. Macht

88 8 0
                                        

-"Da hast du Kenai ganz schön überrumpelt"- kicherte Alonvy in die Gedanken ihrer Reiterin als Marlena und Kenai die Treppe in die Haupthalle hinabstiegen. -"Durch Irucan bekomme ich einiges mit. In seinen Blut brennt und in seinem Kopf......"-
Alonvy ließ den Satz unvollendet aber Marlena hatte verstanden.
-"Es hat dir gefallen oder?"-
-"Was? Ihn zu küssen oder ihn zu kneifen?"- erkundigte sich Marlena unschuldig.
Alonvys Antwort enthielt keine Worte. Es war nur eine Welle von Gefühlen die der jungen Reiterin klar sagte, dass sie ihrer Drachendame nichts vormachen konnte.
-"Ja hat es."- räumte Marlena schließlich ein und unterdrückte ein Schmunzeln.
-"Aber du wirst ihn noch etwas zappeln lassen, oder?"-
-"Natürlich."-
-"Gutes Mädchen."- lobte die Weiße. -"Ein Nistpartner muss beweisen, dass er würdig ist."-
-"Ich wollte nur nicht, dass er glaubt Garath wäre was das angeht eine Konkurrenz."- erklärte Marlena ihr Handeln. -"Er und Aurelia haben es schon schwer genug. Ich werde jetzt mit Tante Narie sprechen. Wir werden ihm die Erbstücke holen die ihm soviel bedeuten. Er soll sich hier zu Hause fühlen."-
-"Gut das du "Wir" sagst kleine Halbling."-
Deutlich spürte Marlena, dass Alonvy nicht bereit war sie bei der Begegnung allein zu lassen. Der Umstand verwirrte sie etwas.
Alonvy hatte diese Gefühle ihrer Seelenschwester offenbar gespürt und fügte erklärend hinzu:
-"Diese Frau mag keine Kriegerin sein und auch keine Magierin aber sie ist gefährlich kleine Halbling. Wir Drachen beurteilen unser Gegenüber nicht wie ihr, nach Titeln, Namen und Fertigkeiten. Wir blicken tiefer. Wir betrachten das Wesen eines Geschöpfes. Diese Elena.... sie mag nicht die Fähigkeit haben jemandem wie dir Schaden zuzufügen aber ihr Geist, ihr Wesen ist zu allem bereit um zu bekommen was sie will!"-
Alonvy unterbrach sich kurz und sammelte ihre Gedanken.
-"Ich sage nicht das sie böse ist kleine Halbling oder das sie verdorbene Pläne gegen uns schmiedet aber sie ist entschlossen! entschlossen und völlig überzeugt davon im Recht zu sein. Sie glaubt, dass nur sie die Wahrheit kennt und rechts und links neben dem Weg den sie als den richtigen erkannt hat nichts anderes zu finden ist als das Verderben! Jemand der die Welt auf diese Weise betrachtet ist gefährlich kleine Halbling. Es ist nicht die Frage ob so jemand Schaden anrichten wird. Die Frage ist nur wann."-
-"Und das Ausmaß des Schadens hängt von den Machtmitteln ab die ihr zur Verfügung stehen."- murmelte Marlena ebenso zu sich selbst wie zu ihrer Seelenschwester.
-"Jetzt begreifst du kleine Halbling."- lobte Alonvy. -"Und die Macht die Elena hat solltest du nicht unterschätzen."-
-"Was meinst du?"- wollte Marlena wissen. -"Du sagst doch selbst: Sie ist keine Magierin und auch hat sich nicht gelernt wie man eine Klinge führt."-
-"Sie hat Macht."- beharrte Alonvy. -"Ihr Sohn verleiht ihr Macht. Er liebt seine Mutter. Trotz all der Dinge die sie ihm angetan hat liebt er sie! Liebe ist eine Pforte kleine Halbling. ein direkter Weg in die tieften Regionen unseres Selbst. Was lernt ihr Zweibeiner als erstes wenn ihr von einem Drachen erwählt werdet? Ihr lernt euren Geist zu Verschließen. Einen Verteidigungsring um eure Seele zu legen, das lernt ihr! Elena brauch die Verteidigung ihres Sohnes nicht mit einem plumpen Angriff auf seinen Geist zu durchbrechen! Das hat sie gar nicht nötig! Sie braucht auch kein Schwert um den Jungen zu verletzen! Ihr genügt ein Wort! Du hast doch gesehen wie getroffen, wie verletzt Garath war. Hat Elena dafür eine Waffe gebraucht? Musste sie ihm Fesseln anlegen um ihn jahrelang wie einen Gefangenen an sich zu binden?"-
-"Nein."- erwiderte Marlena verstehend als sie an die Tür zum Arbeitszimmer ihrer Tante klopfte. -"Sie musste nur die richtigen Worte wählen. Und damit meine ich nicht Worte in der alten Sprache. Die braucht sie nicht."-
-"Sie hat Macht."- beharrte Alonvy.
-"Sie hat Macht."- bestätigte Marlena als die Stimme ihrer Tante sie zum eintreten aufforderte.



::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::


Es war relativ einfach für Marlena und Kenai gewesen Narie und Marek zu überzeugen ihnen den Ausflug zu gestatten.
Die beiden Drachenreiter waren die Stadthalter von Cosaria und so war es leicht herauszufinden wo Garaths Familie lebte. Elena und ihre Kinder besaßen ein kleines Haus am Ufer des Jörmundur.
Als die junge Halbling es von Alonvys Rücken aus unter sich erblickte war ihr sofort klar warum es dort lag. Deutlich erkannte sie die Merkmale in der Landschaft:
Hier war Ton zu finden!
Marlena erinnerte sich, dass Garath erzählt hatte, dass Elena den Lebensunterhalt für ihre Familie damit bestritt, dass sie Töpferte und die Wahre verkaufte.
Es ergab Sinn, dass sie sich an einem Ort angesiedelt hatte der ihr ausreichend Rohmaterial für ihr Handwerk bot.
Ein weiterer Blick auf das Haus offenbarte Marlena eine Werkbank die neben dem Haupteingang unter dem kleinen Vordach aufgebaut war. Sie erkannte eine Töpferscheibe, Behälter die Farben enthielten um die Werkstücke zu bemalen und selbstverständlich einen Brennofen.
Vor dem Haus erkannte Marlena zum einen Elena und ein junges Mädchen neben ihr. Marlena vermutete, dass es sich um Reanna handelte. Garaths Schwester.
Bei den beiden Frauen stand ein Mann der in ein Helles Kuttengewandt gehüllt war. Er eine Glatze die von einem silbergrauen Haarkranz eingearmt wurde und trug einen gepflegten Spitzbart.
Zunächst schienen die beiden Frauen und der Unbekannte in ein angeregtes Gespräch vertieft zu sein, dann jedoch bemerkte Elena die ankommenden Drachen.
Während Irucan mit Kenai auf dem Rücken zur Landung ansetzte und auch Alonvy in den Sinkflug überging kippte die Stimmung am Boden.
Elena reagierte regelrecht panisch. sie packte ihre Tochter am Arm, schleifte sie zum Hauseingang, stieß das Mädchen förmlich über die Schwelle und verriegelte die Tür.
Marlena hatte vor dem Abflug vom Haus ihrer Tante einige Entspannungsübungen gemacht. Sie hatte versucht ihre Wut auf Elena in den Hintergrund treten zu lassen.
Sie wollte als neutrale Vermittlerin auftreten. Doch Zeuge zu werden wie Elena ihrer Tochter ebenso ein eignes Leben verweigerte wie ihrem Sohn brachte in Marlena alle mühsam errichteten Dämme zum Brechen.
Als Alonvy sicher aufgesetzt hatte glitt die junge Halbling aus dem Sattel. sie wartete nicht auf Kenai sondern ging entschlossenen Schrittes auf das Haus zu. Durch ihre Geistige Verbindung bat sie Alonvy dafür zu sorgen, dass Kenai und Irucan sich zurück zu halten. Diese Schlacht wollte sie allein ausfechten.
-"Bist du sicher?"- erkundigte sich Alonvy.
-"Wir haben doch bei der Reiterprüfung gesehen wie sie alle um sich herum für sich einspannt. Die Festgesellschaft, den Präfekten. Alle! Darauf......"
Marlena zögerte kurz.
-"Darauf beruht ihre macht."- vollendete sie schließlich.
Die Zufriedenheit die sie von Alonvy empfing stärkte Marlenas Entschlossenheit.
Inzwischen sah sich Elena vor ihrem Haus panisch um. Offenbar suchte sie nach einer Waffe. Die Bemühungen des unbekannten, älteren Mannes sie zu beruhigen schien die aufgebrachte Mutter gar nicht zu bemerken.
Schließlich schnappte sie sich eine Schaufel und trat Marlena entgegen.
Marlena plante bereits was sie sagen wollte. Kurz tasteten ihre Geistigen Fühler nach etwas , dass ihr helfen konnte ihren Standpunkt klar zu machen. Sie fand was sie suchte auf dem Ast eines nahen Baumes.
"Wenn ihr Kinderräuber glaubt das......"
Weiter kam sie nicht.
Noch während Elena mit erhobener Schaufel auf sie zustürmte hatte Marlena ihre Magie beschworen. Ein Flüstern verließ die Lippen der Drachenreiterin, so leise, dass ein Windhauch es übertönen konnte.
Für den Zauber war es mehr als genug. Die improvisierte Waffe flog aus der Hand der aufgebrachten Frau und landete irgendwo im Unterholz der umstehenden Bäume.
Fassungslos blickte Elena ihr nach, dann blickte sie zurück zu Marlena.
Sie öffnete den Mund, doch Eragons Tochter war schneller.
"Macht euch nicht lächerlich!"
Marlena schrie die Frau die ihr gegenüber stand nicht an. Ihre Stimme war klar und hart wie ein geschliffener Diamant.
Wieder hob Elena an etwas zu sagen doch wieder war Marlena schneller.
"Ich werde mir keine Beleidigungen mehr gefallen lassen. Weder was meine Person betrifft, noch was das Volk der Drachen angeht und auch nicht über meinen Orden, habt ihr das verstanden?"
Die junge Halbling konnte verfolgen wie der Kampfgeist auf Elenas Gesicht erneut aufflackerte.
Erneut öffnete Garaths Mutter den Mund doch Marlena erstickte ihren Einspruch im Keim:
"Ich habe gefragt ob ihr mich verstanden habt?"
Nur eine Spur von Schärfe hatte Marlena ihren Worten hinzugefügt doch es genügte.
Elena schloss den Mund wieder. Sie versuchte dem Blick der Drachenreiterin die ihr gegenüber stand auszuweichen. Sie wollte Raum gewinnen um erneut zu Beschimpfungen anzusetzen.
Marlena begriff, dass sie das nicht zulassen durfte. Sie würde Elena nicht gestatten sich in ihre persönliche Welt zu flüchten. Eine Welt in der sie nur eine besorgte Mutter war die um ihre Kinder kämpfte.
Sie fing den Blick der Frau ein und hielt ihn fest. Marlena betete, dass sie von ihrer Mutter genug natürliche Autorität geerbt hatte.
Elena hielt Marlenas Blick nur mit offensichtlicher Mühe stand. Sie schwieg.
Marlena wertete das als Etappensieg.
"Euer Sohn hat uns gebeten einige persönliche Gegenstände für ihn abzuholen. Werdet ihr uns das gestatten?"
Deutlich konnte Marlena erkennen, das Elena nun glaubte wieder in ihrem Element zu sein.
Erneut setzte sie zu einer großen Rede an:
"Ihr glaubt doch nicht das ich euch erlauben werde....."
"Wisst ihr was das ist?"
Marlena unterbrach ihr Gegenüber und wies auf den Baum den sie mit ihren Geistigen Fühlern untersucht hatte. Eine Vogelmutter setzte dort gerade zur Landung an. Ihre Jungen begrüßten sie mit hungrig aufgerissenen Schnäbeln.
Auch Elena erkannte das Nest.
"Eine Mutter sorgt für ihre Kinder. So wie es sein muss." antwortete sie. Ihre Stimme schwankte zwischen Zuversicht und Unsicherheit.
"So ist die Natur." bestätigte Marlena." Aber sagt mir Elena: Habt ihr es schon einmal erlebt, dass ein junger Vogel, ganz gleich wie gut ihn seine Mutter versorgt, im Nest bleibt? Habt ihr es schon einmal erlebt, dass ein Vogel nicht eines Tages seine Flügel ausgebreitet hat um den Himmel für sich zu entdecken? Habt ihr?"
"Nein aber wir......wir sind Menschen und keine Vögel."
"Richtig." bestätigte Marlena. "Wir Menschen verlassen eines Tages das Nest aber anders als Vögel bleiben wir mit unserer Familie verbunden. Das bedeutet wir kehren ins Nest zurück wenn wir das Gefühl haben, dass uns dort keine Fesseln erwarten."
Marlena machte eine Pause, dann sprach sie weiter:
"Ich hoffe ihr begreift was ich euch anbiete Elena. Eine Gelegenheit. Eine Chance ein Teil des neuen Lebens zu bleiben was euren Sohn nun erwartet, da er zum Drachenreiter berufen wurde. Gebt uns die dinge die ihm am Herzen liegen und er wird vielleicht genug Vertrauen zu euch haben um euch teilhaben zu lassen an den neuen Horizonten die sich ihm erschließen werden. Behaltet sie zurück und er wird wissen..... nun, er wird wissen was er dann von euch zu erwarten hat. Es ist eure Entscheidung."
Marlena schwieg nun. Sie hatte gesagt was zu sagen war. Nun lag es an Elena.
Garaths Mutter blickte sie einige Augenblicke nur an. Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
Marlena versuchte ihren Blick zu deuten. Für einen Wimpernschlag lang glaubte sie die Frau zu erkennen, die Elena einmal gewesen sein musste. Die Frau die sie gewesen war bevor ihr Mann verschwand. Bevor die Welt für sie zu einer einzigen Todesfalle wurde.
Dann war der Moment vorbei.
"Wenn mein Sohn nach Hause kommen will, kann er das tun. Er wird hier alles Vorfinden was ihm gehört, denn hier gehört es hin. Er kann jederzeit kommen aber nur ohne dieses rote Ding!"
Elena drehte sich um und verschwand im Eingang ihres Hauses.
Marlena sackte in sich zusammen. Müde massierte sie mit Daumen und Zeigefinger ihren Nasenrücken.
Sie hatte versagt.
"Ihr glaubt gescheitert zu sein, nicht wahr?"
Die freundliche Stimme ließ Marlena zusammenschrecken.
Der unbekannte, ältere Mann war neben sie getreten. Ein gütiges, warmes Lächeln auf seinem Gesicht.
Es war Marlena fast peinlich. Sie war so auf Elena fixiert gewesen, dass sie den Fremden fast vergessen hatte.
"Äh, ja, ja das tue ich." antwortete sie immer noch verwirrte.
Der Alte lächelte und schüttelte den Kopf.
"Da ihr ihr euch mein Kind. Elena lebt in ihrer eigenen Welt. Ein sehr düsterer Ort. Seit Jahren versuche ich sie von diesem Ort zu lösen und sie in die Wirklichkeit zurückzubringen. Zurück ins Leben. Nicht einmal hat sie sie verlassen, trotz all meiner Mühen. Ihr habt sie in die Welt zurückgebracht. Ihr habt sie erreicht. Es war nur ein Augenblick aber ihr habt sie erreicht."






Abstimmen nicht vergessen;)

Eragon-OS-SammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt