13. Von Pferden und Fröschen

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Als Naja schließlich keuchend auf dem Marktplatz der Stadt Esterní ankam musste sie sich erst verschnaufen. Sie stimmte die Hände auf ihre Knie und sog gierige die Luft in die Lungen. Neben ihr setzte gerade Tanis zur Landung an. Mehrere Male hatte sie ihren jungen Drachen über sich hinwegziehen sehen.
- "Na, wie oft hast es hin und zurück geschafft?" - erkundigte sich die junge Reiterin bei dem schwarzen Drachen als sich ihre Atmung und der Herzschlag wieder etwas beruhigt hatten.
- "Fünfmal." - verkündete Tanis stolz und zupfte sich seine Flügel zurecht. - "Ich hätte es noch öfter geschafft aber ich habe mir Zeit gelassen." -
Naja richtete sich leicht gekränkt auf und musterte ihren Drachen.
- "Warum hast du dir denn Zeit gelassen? Sag jetzt nicht, dass du wolltest, dass ich besser dastehe. So langsam war ich auch nicht." -
- "Stimmt! Du warst langsamer!" - erwiderte der junge Drache keck. - "Aber das war nicht der Grund. Meister Aroc will doch prüfen wie ich mich verbesser. Nun, morgen werde ich mir keine Zeit lassen und der Meister wird sehen, dass ich mich sofort verbessert habe!" -
- "Das ist Betrug!" - Naja verschränkte wütend die Arme vor der Brust. - "Du solltest dein Bestes geben und deine Kondition durch Training verbessern." -
Tanis zwinkerte nur schelmisch und aus seiner Reiterin hatte keine Lust das Thema noch weiter zu vertiefen. Gemeinsam gingen sie über den Marktplatz und sahen sich die verschiedenen Gebäude an. Eines davon musste die Bibliothek sein. Das junge Gespann beschloss schließlich sich aufzuteilen um möglichst schnell ihr Ziel zu finden.
- "Das Haus da drüben ist es nicht." - signalisierte Tanis seiner Reiterin als er von der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes zu ihr herübergetrabt kam.-" Das Haus ist voller Pflanzen. Die Art, die ihr Zweibeiner Kräutern nennt. Er ist auch so eine komische Zweibeinerin. Die hat mir irgend was von Fröschen erzählt. Und von Kröten tun würden als wären sie Frösche."-
Sichtlich verwirrt schüttelte der junge Drache den Kopf.
-"Frösche die so tun als ob sie Kröten sind?" - auch Naja schien verwirrt.
Tanis schnaubte nur.
- "Egal ob nun Frösche oder Kröten ich weiß nur dass diese glitschigen Dinger nicht schmecken." -
Damit schien für den jungen Drachen das Thema beendet zu sein. Seine Reiterin nährte sich inzwischen einem staatlichen Gebäude und gemeinsam blickten die beiden Gefährten durch eines der hohen Fenster. Im Inneren des Raumes erkannte man mehrere Regale, die mit Büchern und Schriftrollen vollgestopft waren.
- "Das muss es sein." - sagte Naja aufgeregt.
Mit schief gelegtem Kopf betrachtete Tanis große Ansammlung von Wissen.
- "Wenn du meinst." -
Mit vor Aufregung klopfendem Herzen umrundete Naja nun das Gebäude und näherte sich dem Haupteingang. Ihrer Ansicht, das es sich hier um die Bibliothek handeln musste verfestigte sich noch als sie über dem Eingang das Wappen der Drachenreiter entdeckte. Gleichzeitig musste das junge Mädchen aber auch schlucken. Das Wappen des Ordens machte aus dem Gebäude etwas für sie Erhabenes. Es erhob dieses Haus über die anderen und machte es zu etwas besonderem.
Naja schluckte und klopfte vorsichtig mit dem Fingerknöcheln an die Tür. Tanis stieß bei dem leisen Geräusch ein Kichern aus.
- "Glaubst du wirklich dass das jemand gehört hat?" -
Der junge Drache schüttelte kurz sein Schuppenkleid, dass es raschelte und platzierte sich dann so, dass er mit seinem kräftigen Schwanz gegen die Tür schlagen konnte. Dies tat er auch noch bevor seine Reiterin ihn daran hindern konnte. Naja wäre am liebsten davongelaufen. Das klopfen ihres Drachens schien ihr so laut zu sein wie der Donner eines Gewitters.
"Wer schlägt in der fast die Tür ein?" hörte man eine strenge weibliche Stimme aus dem Innern des Gebäudes.
Sogleich wurde nun die Flügeltür aufgerissen und eine Frau mittleren Alters mit dunklen Kleid und hohem Spitzenkragen trat heraus. In einer Hand hielt sie einen Korb wie man ihn zum einkaufen verwendete. Wir gebieterischer Blick suchte streng nach dem Urheber des unerfreulichen Lärms. Schließlich blieb er an der verschüchterten Naja und ihren Drachen hängen. Zur grenzenlosen Erleichterung des jungen Mädchens wurde die Miene der Frau um einiges freundlicher.
"Ach! Ihr müsst die junge Reiterin und der Sculblaca sein, den Meister Tar mir und meinem Gatten angekündigt hat."
"Richtig Herrin." piepste Naja die sich plötzlich noch viel kleiner fühlte als sie eigentlich war. "Entschuldige bitte das Tanis so laut geklopft hat. Er ist manchmal sehr ungeduldig."
Die unbekannte Frau lachte nun.
"Mich musst du nicht mit Herrin ansprechen junge Reiterin. Mein Name ist Helen. Ihr sucht sicherlich meinem Gatten Jeod. Er erwartet euch bereits. Geht einfach hier den Gang zur Linken herunter. Und mach dir keine Sorgen wegen deinem Drachen Kleines. Er ist nicht der erste junge Schüler des Ordens der hier recht stürmisch Einlass begehrt. Ich kenne also das Temperament seines Volkes. Da ihr ja in nächster Zeit jeden Tag zu uns kommen werdet lasst mich euch noch sagen, dass ihr nicht jedes Mal anklopfen müsst. Die Bibliothek ist ein öffentliches Gebäude und tagsüber steht jedem offen. Ich muss mich jetzt leider verabschieden. Es war noch einige Einkäufe auf mich."
Noch einmal lächelte die fremde Frau dem jungen Gespann aus Drache und Reiterin freundlich zu, dann ging sie ihres Weges.
Naja atmete tief ein und aus. Es war ihr ganz bewusst gewesen, dass sie die Luft angehalten hatte aber ihre Lungen genossen es neu gefüllt zu werden. Gemeinsam mit Tanis betrat sie nun das Gebäude.
Wie von Helen vorgeschlagen folgten sie dem linken Korridor und betraten schließlich den Hauptraum der Bibliothek. Von drinnen wirkte die Sammlung von Schriftrollen und Büchern noch weit eindrucksvoller auf Naja als bei ihren Blick durch das Fenster.
Tanis schien weniger beeindruckt zu sein.
-" So eine Platzverschwendung." - schnaubte er. - "Ohne das ganze Papier wäre dieser Raum groß genug um als Schlafplatz für drei ausgewachsene Drachen zu dienen. Stattdessen...."-
Unlustig schnupperte der junge Drache an einem der Bücher. Dabei sog er leider eine gehörige Menge von der dünnen Staubschicht ein, die sich auf den Folianten gebildet hatte. Das Ergebnis war ein herzhaftes Niesen, dass den jungen Drachen fast von seinen Beinen riss.
Naja kicherte leise.
- "Wo bewahrt dein Volk denn sein Wissen auf?"- Wollte die junge Reiterin schließlich wissen.
- "Da wo es hingehört." - erklärte ihr junger Begleiter der gerade vorsichtig einige Atemzüge machte und offenbar prüfte ob seine Nüstern wieder frei von Staub waren. - "Im Kopf und im Herzen." -
- "Tja, das können wir Menschen leider nicht so gut wie ihr Drachen. Wir brauchen das Papier." -
- "Nun, wir Drachen haben ja auch größere Köpfe als ihr Zweibeiner." -
- "Das gilt aber auch für Pferde und die sind nicht klüger als wir Menschen."-lachte Naja.
-" Wir Drachen sind klüger als alle Pferde der Welt zusammen."- schmollte Tanis beleidigt. Erst als seine Reiterin ihn, immer noch kichernd, hinter seinem ledrigen Ohr kraulte summte der junge Drache versöhnt und gemeinsam machten sich die beiden auf die Suche nach dem Gelehrten Jeod.


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