78. Folgen Teil 3

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Geoff lief mit seinem jungen Drachen zum Ausgang des Stalls. In einer alten, ausgedienten Wassertonne, direkt neben dem Eingang, wurden die für die Arbeit benötigten Werkzeuge aufbewahrt. Geoff hatte auch sein hölzernes Übungsschwert in diesen Behältern verstaut. Als er die Nachbildung der Waffe heraus zog empfing er von seinem jungen Drachen ein sehr skeptischen Gedanken. Der junge Braune hatte sich mit den Vorderpfoten an der Tonne empor gestemmt und und beäugte die Nachbildung der Waffe mit schief gelegten Kopf.
"Die Menschen haben keine scharfen Krallen oder Zähne." Erklärte Geoff entschuldigend. "Und Feuer könnte auch nicht speien. Wir brauchen so etwas."
Der junge Drache gab einen Laut von sich der klang als wolle er sagen: "Na wenn du meinst."
Gemeinsam betraten Drache und Reiter nun auf den Hof der Kaserne hinaus. Die Krieger der Drachen waren bereits mit dem morgendlichen Training beschäftigt, hatten aber die westliche Seite des Hofes bewusst freigelassen. Das offene Feld war groß genug, dass auch der braune Drache Aroc bequem den Übungen seiner Schüler folgen konnte.
Ein Kloß bildete sich in Geoffs Hals er auf diese Trainingsfläche zu ging, die den Drachenreitern vorbehalten war. Immer noch konnte er es nicht wirklich glauben, dass er nun auch zum Reiter ausgebildet werden sollte.
Ein lautes Poltern und ein schmerzerfülltes Aufstöhnen unterbrach diese Überlegungen. Geoff sah sich um und auch sein brauner Wegbegleiter ließ seinen Blick über die Krieger wandern die bis eben noch trainiert hatten.
Einer der Soldaten die den Schwertkampf geübt hatten saß auf dem Boden und hielt sich die Seite. Sein gegenüber war ein gehörntes Mitglied der Krieger der Drachen. Der junge Urgal hielt sein Schwert noch in der Hand und deutlich zeigten sich Blutspuren auf der Klinge. Der Hauptmann des Zuges der hier gerade trainierte kam zu den beiden herüber. Er untersuchte den Soldaten der am Boden saß.
"Zum Glück keine ernste Verletzung." Stellte der Soldat fest. "Sucht trotzdem einen Magier der dass hier heilt. Ich will das Training nicht mit Rekruten im Lazarett beginnen."
Der Hauptmann wandte sich dem Urgal zu.
"Tagarvo! Ich habe dir doch gesagt, dass du deine Waffe vor dem Training bei einem Magier abstumpfen lassen sollst. Warum widersetzte dich meinen Anweisungen?"
"Weil sie für mich keinen Sinn ergeben." knurrte der junge Urgal.
Der Hauptmann der eben noch neben dem Verletzten gekniet hatte stand auf und trat vor den Gehörnten.
"Du musst meine Anweisungen auch nicht verstehen Rekrut! Ich bin der Führer dieses Rudels. So nennt ihr Urgals doch eure Befehlshaber, oder? Es ist nicht angemessen, meine Befehle nicht zu befolgen. Willst du meine Autorität herausfordern? Disziplin ist eine der wichtigsten Waffen im Kampf!"
"Da habt Ihr recht Rudelführer." sagte der Urgal dessen Selbstvertrauen wohl etwas ins Wanken geriet. "Ich bitte um Entschuldigung. Es ist nur so, das es bei meinem Volk nicht üblich ist den Waffen ihre Schärfe zunehmen auch nicht während der Ausbildung. Es zu tun gilt gegenüber dem Gegner als eine Beleidigung. Rekrut Johan und ich sind Freunde. Ich weiß, dass er ein guter Kämpfer ist und wollte ihn nicht in entehren."
"Das stimmt Hauptmann " bestätigte der junge Soldat der immer noch am Boden saß." Tagarvo und ich kennen uns schon lange. Es war sicher nicht seine Absicht mich zu verletzen."
Der Hauptmann entspannte sich etwas.
"Schon gut. Wir wollen die Angelegenheit nicht dramatischer machen als sie ist. Aber du, Tagarvo, ruft dir bitte in Erinnerung, dass nicht alle Völker Alagaesia gebaut sind wie das Volk der Gehörnten. Eure Knochen sind massiv und eurer Haut dicker und widerstandsfähiger. Wir Menschen können das von uns nicht behaupten. Deshalb stumpfen wir die Waffen ab. Ein Schlag der einen Krieger deines Volkes nur leicht verletzt hätte Johan hier unter Umständen töten können. Wir dürfen unsere Kraft nicht auf diese Weise verschwenden. Sie wird gebraucht wenn die Reiter unsere Hilfe anfordern. Wir können sie ihnen nicht gewähren wenn wir uns während der Ausbildung zum Krüppel schlagen."
Der Urgalrekrut nickte nun und reckte respektvoll das Kinn.
"Ich verstehe Ruheführer. Ihr hattet natürlich recht und es war mein Fehler den Sinn eurer Anordnung nicht verstanden zu haben. Ein solcher Vorfall wird sich nicht wiederholen."
Geoff erkannte, dass die Situation unter den Kriegern sich mehr und mehr entspannte und setzte seinen Weg fort. Im entging jedoch nicht, dass ein kleiner Wegbegleiter die Übungswaffe in seiner Hand nun noch skeptischer musterte.
"Weißt du, wir sollten nochmal versuchen einen Namen für dich zu finden." sagte der junge Stallbursche und versuchte seinen Drachen damit abzulenken. "Ich wüsste gerne wie ich dich nennen soll bevor Meister Aroc, Meister Tar, Naja und Tanis hier sind."
Der junge Drache sah den Menschen neben ihm verständnislos an und schüttelte dann den Kopf. Es war eine Geste die geradezu mitleidig wirkte. Als sich der Blick des jungen Scublaca wieder auf sein Reiter richtete empfing dieser einem Strom von Bildern und Gefühlen. Geoff hatte den Eindruck auf einem angenehm warmen Stein zu kauern und über den See zu blicken indem die Ratsinsel lag. Eine tiefe Sehnsucht ergriff ihn als zwei wilde Drachen im Tiefflug über das Wasser des Sees gelitten. Die spiegelblanke Oberfläche des Gewässers wurde von den niedrig stehenden Sonne so beschienen, dass es wirkte als bestünden sie aus flüssigem Gold.
Geoff spürte plötzlich die sich etwas auf seinem Rücken bewegte. Flügel? Er streckte sie aus und spürte wie ein plötzlicher heftiger Windstoß die Schwingen füllte. Kurz hielt der Wind ihn in sanften Händen und hob seine Krallenbesetzten Vorderpfoten vom Boden Hoch. Der Strom der Bilder und Eindrücke endete mit einem jähen, heißen Glücksgefühl.
Geoff öffnete die Augen. Er war sich gar nicht bewusst sie geschlossen zu haben. Sein junger Drache tappte weiter als sei alles gesagt.
Geoff verstand nicht. Dieselben Bilder und Gefühle hatte ihn der junge Drache immer wieder gezeigt als er gestern versuchte ihm mit Naja und Tanis einen Namen zu geben.
Noch während der Junge darüber nachdachte schob sich ein Schatten vor die Sonne. Ein schneller Blick enthüllte Geoff, dass seine Lehrer zusammen mit Tanis und dessen Reiterin angekommen waren. Eilig legte er nun die letzten Meter zur Übungsfeld zurück und erreichte die beiden Drachen als ihre Reiter bereits abgestiegen waren.
"Ah Geoff!!" begrüßte ihn Meister Tar."Du und Naja könnt gleich mit euren Übungen beginnen aber vorher möchte ich wissen ob dein Seelenbruder endlich einen Namen für sich angenommen hat."
"Es tut mir leid Meister." murmelte der ehemalige Stallbursche. "Aber er will wohl einfach...."
Ein Fauchen unterbrach die Ausführungen. Zu Geoffs Überraschung starrte ihn sein Drache vorwurfsvoll an.
Meister Aroc senkte sein mächtiges Haupt und stieß den ehemaligen, jungen Wilden sanft mit der Schnauze an. Kurz schienen sich Lehrer und Schüler lautlos auszutauschen.
Schließlich gab Aroc ein Geräusch von sich, dass Geoff nach einigen Sekunden als Lachen erkannte.
-" Dein junger Seelenbruder ist etwas verstimmt." - Erklärte der ältere Drache. - "Er hat bereits einen Namen und hat ihn dir mehrfach genannt aber du verstehst offenbar einfach nicht." -
"Meister er hat mir nur Bilder und Eindrücke gezeigt." verteidigte sich der junge Reiter.
-" Ein Bild des Sees? Das Gefühl wie der Wind unter seine Schwingen greift und ihn etwas empor hebt?"-
"Ja!"
-" Ein besonderer Moment im Leben meines jungen Bruders hier."- erläuterte Aroc.-" Ein Augenblick indem er mit sich selbst und mit der Welt im Einklang war. Um diesen Moment zu Ehren hat er ihn zu seinem Namen gemacht. Du musst wissen junger Mensch, nicht alle Drachennamen sind Worte wie du sie verwendest. Unter wilden Drachen ist es sogar äußerst üblich sich auf die Weise zu benennen wie es dein junger Wegbegleiter hier getan hat. Meist sind diese Namen in ständigem Wandel begriffen. Sie werden länger jedes Mal wenn eine bedeutungsvoller Erfahrung hinzu kommt."-
"Ach so!" Geoff blickte seinen Drachen an.-"Dann heißt du also....."
Geoff ließ den Strom von Bildern zu seinem Drachen zurückfließen. Dieser quickte fröhlich als wolle er sagen:
"Endlich begreifst du!"
-" Du darfst nicht vergessen junger Geoff."- erklärte Aroc.-" Dein Seelenbruder hat sein Leben als wider Drache begonnen. Folglich ist ihm auch die Denk- und Ausdrucksweise der Wilden um einiges geläufiger als die der Zweibeiner. Worte haben für uns Drachen wenig Bedeutung. Diese Art sich zu benennen und sich auszudrücken ist für uns viel natürlicher als die gesprochene Sprache. Vielleicht wird deinen Drache eines Tages ein Wort als seinen Namen akzeptieren. Vielleicht aber auch nicht. Tanis hier zum Beispiel hat seinen Namen auch nur akzeptiert weil er für seine Reiterin von großer Bedeutung war. Es ist eine Ehrung an ihre Bindung. Ein Name muss für uns Kinder des Himmels und des Feuers mehr sein als nur irgend ein wohlklingendes Wort. Du musst auch damit rechnen Geoff, dass deinem Seelenbruder die Art der Drachen zu sprechen immer etwas näher stehen wird als die der Zweibeiner."-
-"Das ist bei mir aber nicht so Meister!"- unterbrach Tanis.
Erneut lachte Aroc leise.
-" Natürlich nicht kleiner Flügel. Seit du aus dem warmen Dunkel deines Eis ins Licht getreten bist waren deine Gedanken mit denen deiner Reiterin verbunden. Naja spricht nicht nur in Worten. Sie denkt auch in ihnen. Deshalb ist die gesprochene Sprache und die unseres Volkes für dich zumindest gleichwertig. Bei Geoffs Seelenbruder hier war das anders. Daher musst du, Geoff, als sein Reiter akzeptierten, dass dein Begleiter vielleicht nie so selbstverständlich sprechen wird wie Tanis und ich es tun. Bleibt im Geist mit deinem Drachen verbunden und lerne ihn und seine Denkweise zu verstehen. Ich werde natürlich mit ihm arbeiten und ihm beibringen seine Gefühle und Eindrücke zumindest mit ein paar Worten zu verbinden die es dir leichter machen werden seine Absichten zu erkennen. Besonders in schwierigen Situationen müsst ihr euch klar verständigen können."-
Geoff verneigte sich vor den älteren Drachen.
"Ich werde mir alle Mühe geben Meister, mein junger Wegbegleiter verstehen zu lernen. Er soll sich nicht wegen mir ändern müssen. Für mich...." der Junge zögerte kurz. "Für mich ist er perfekt so wie er ist."
Der junge Braune stieß ein zutrauliches Summen aus und auch Aroc schien zufrieden.
-" Das ist schon mal eine sehr gute Einstellung junger Mensch."- brummte der ältere Drache.
"In der Tat." bekräftigte Tar." Wenn ein Fremder dich allerdings fragt wie dein Drache heißt oder wie er angeredet werden will, dann solltest Antworten dass dein Wegbegleiter sich einen Namen nach der Art seines Volkes gewählt hat den nicht in Worte gefasst werden kann. Weise darauf hin, dass wenn man Deinen Drachen anspricht es mit den Worten "ehrenwerter Drache" oder "Scublaca" tun soll. Es wäre unklug, um nicht zu sagen gefährlich wenn du jedem Fremden alles offenbaren würdest was den Namen deines Drachen ausmacht."
"Wieso Meister?" wollte Naja jetzt neugierig wissen.
Tar seufzte. Geoff begriff, dass der Urgal offenbar der Meinung war, dass seine Schüler für dieses Wissen noch nicht bereit waren.
"Sagen wir es einmal so Naja: In der Magie gibt es viele Wege Kontrolle über ein anderes Wesen zu erlangen. Würdest Du, Geoff, einem hinreichend begab Magier den Namen deines Drachen in allen Details verraten würdest du diesem Magier zwar noch keine Macht über dich und dein Wegbegleiter geben aber ihm vielleicht einen Hinweis geben wo er Wissen erlangen kann dass ihm Macht verleiht. Diese Angriffsfläche solltest du nicht offenbaren. Es liegt keine Schande darin wenn man gebeten wird einen Drachen mit "Scublaca" anzusprechen. Einen Grafen oder eine Königin sprichst du ja auch nicht einfach mit ihrem Namen an. Jedes Volk hat überdies eigene Titel die der jeweiligen Sprache und Kultur entspringen. Kein anderes Volk als die Gehörnten vergeben zum Beispiel den Titel "Nar" oder? Nun wollen wir mit dem Unterricht beginnen."






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