113. Worte

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Eragon zog sich seine Decke etwas enger um die Schultern. Die Nächte in diesem Teil der Welt waren recht frisch und der aufziehende Morgen hatte die Kälte der Nacht noch nicht völlig vertrieben.
Neben dem kleinen Lager, dass der Anführer der Reiter und seine Drachendame aufgeschlagen hatte floss der "Du Gata Shurtugal".
"Pfad der Drachenreiter"
So nannten die Völker nun den Fluss auf dem Eragon vor vielen Jahren nach Osten gesegelt war. Der Name war irgendwie passend. Jeder junge Reiter musste schließlich den Weg zur Ostmark antreten um seine Ausbildung zu absolvieren und noch immer kamen die meisten Novizen aus der alten Welt, aus Alagaesia.
Eragon wusch sich schnell das Gesicht in den klaren Fluten des Flusses und kehrte dann zu seinem Nachtlager zurück.
Mit einigen frischen Holzscheiten brachte er das heruntergebrannte Lagerfeuer wieder in Gang. Schon nach wenigen Minuten loderte das Feuer wieder und verbreitete angenehme Wärme.
Während Saphiras Reiter dem Tanz der Flammen zusah erinnerte er sich an die Zeit als er jede Nacht an so einem Feuer eingeschlafen war. Als er durch Alagaesia gereist war, zunächst mit Brom, dann mit Murtagh an seiner Seite.
Er musste über sich selbst lachen als er bemerkte, dass er mit etwas Wehmut an diese Zeiten dachte. Es stimmte wohl was man sagte: Im Alter neigte man dazu die Vergangenheit zu verklären. Doch auch diesen Teil seiner Vergangenheit?
Als er dieses Lagerleben geführt hatte waren er und Saphira praktisch ständig auf der Flucht gewesen. Seine Drachendame hatte sich ständig verstecken müssen um nicht von Galbatorix Schergen entdeckt zu werden!
-"DAS habe ich immer gehasst!"-
Saphiras bekannte Stimme hallte durch Eragons Gedanken.
Sie war zur Jagd ausgeflogen und an dem tiefen, ausfüllenden Gefühl der Sättigung, dass die blaue Drachedame verspürte erkannte ihr Reiter, dass sie erfolgreich gewesen war.
Saphira sprach weiter:
-"Du verklärst die Dinge wohl wirklich ein wenig Kleiner."-
-"Bin ich denn dafür schon alt genug?"-
-"Warum nicht?"- antwortete Saphira auf die Frage ihres Reiters.-"Wir Drachen messen das was ihr Zweibeiner unter Alter versteht nicht an den vergangenen Sommern. Das ist bestenfalls ein Teil des Ganzen aber nicht der Wichtigste. Viel Wichtiger ist die Erfahrung und das was man erreicht hat und da Kleiner, hast du einiges vorzuweisen: Du hast Galbatorix besiegt, den Reiterorden neu gegründet und praktisch jeder junge Reiter hat Teile seiner Ausbildung bei dir absolviert. Du hast dir eigene Jagdgründe gesucht und sie dir zu eigenen gemacht, eine Nistpartnerin umworben und für dich gewonnen und hast ein Küken mit ihr aufgezogen. Das es nur bei einem geblieben ist liegt daran, dass es bei euch Zweibeiner eben etwas länger Dauert da auf eine hohe Zahl zu gelangen. Du bist kein Greis Kleiner. Doch ein Grünschnabel bist du nun einmal auch nicht mehr."-
Saphira stieß nun aus dem unendlichen Blau des morgendlichen Himmels herab. Elegant setzte sie neben dem Lager der beiden auf und kam auf ihren Reiter zu.
-"Würdest du bitte?"-
Vielsagend hob Saphira ihre rechte Vorderklaue. Eragon verstand sofort. Unter seinem Sattel zog Eragon den Ring hervor den Orik und die Zwerge seiner Drachendame einst geschenkt hatten. Schon mehrfach hatten hilfreiche Knurlan aus der Ostmark den Ring für Saphira erweitern müssen. Eragon konnte sich das magische Schmuckstück über seinen Oberschenkel ziehen und trotzdem lag der Ring nicht stramm an.
-"Warum lässt du ihn eigentlich immer zurück wenn du zur Jagd ausfliegst Saphira?"- erkundigte Eragon sich als er den Ring auf Saphiras mittlere Klaue schob. -"Gerade dabei sollen die magischen Fähigkeiten des Rings dir doch helfen."-
-"Er ist sehr nützlich bei der Jagd Kleiner."- erklärte Saphira während sie mit der Schnauze den Ring zurechtrückte bis er bequem saß. -"Aber um eine wirklich vollkommene Jägerin zu bleiben muss ich es auch ohne solche Hilfsmittel schaffen können. Wenn ich mich ständig auf solche Hilfsmittel verlasse verliere ich meine natürlichen Fähigkeiten."-
"Das macht Sinn." räumte Eragon ein und machte Anstalten seinen Sattel aufzuheben.
Saphira jedoch schien andere Pläne zu haben. Sie legte sich bequem neben das Lagerfeuer und zwinkerte ihren leicht verwirrten Reiter schelmisch an.
-"Ich bin kein Pferd Kleiner. Ich trabe nicht weiter wann immer du es willst."-
"Das würde ich auch nie von dir denken." schmunzelte Eragon und legte den Sattel wieder ab.
Er nahm neben Saphiras Kopf platz und blickte ihr ins Auge. "Das weißt du hoffentlich meine Schöne."
-"Natürlich Kleiner."- Saphira zwinkerte liebevoll.-"Gestern hatten wir sehr günstigen Wind. Man erwartet uns erst gegen Abend in der Siedlung. Wenn wir jetzt losfliegen sind wir in zwei Stunden am Ziel. Daher habe ich beschlossen in aller Ruhe meine Beute zu verdauen. Außerdem wirst du, sobald wir ankommen wieder sehr beschäftigt sein!"-
Eragon seufzte als er an die anstehenden Gespräche dachte.
"Es wird nicht einfach werden." räumte er ein.
-"Ihr Zweibeiner...."- brummte Saphira. -"Darf ich dich mal etwas fragen Kleiner?"-
Eragon nickte.
-"Warum redest du eigentlich immer so lange um das Problem herum?"-
-"Was meinst du?"-
-"Nun, nehmen wir zum Beispiel diese Situation. Ich habe deine Gedanken auf der Reise verfolgt. Du glaubst, das dieser Elf, der nicht bereit ist zu verzeihen, nur deshalb so handelt, weil er nur um seine politische Karriere besorgt ist. Trotzdem spüre ich bereits, dass du ihm das nicht direkt sagen willst. Du wirst wieder lange mit ihm reden. Worte über Worte. Warum?"-
-"Du meinst warum ich es ihm nicht einfach direkt auf den Kopf zusage?"- Eragon überlegte einen Moment. -"Manchmal tue ich das aber es ist nicht immer so einfach. Wenn ich diesem Elfen direkt vorwerfen würde, dass er nicht an seine Verwandten denkt oder was ihnen angetan wurde, dann würde er sich beleidigt fühlen. Er würde sofort in eine Abwehrhaltung gehen. Alles tun um zu beweisen, dass ich unrecht habe. Das bedeutet aber nicht, dass er wirklich nur an seine Familie denkt. Vielleicht wäre er dann bereit Vergebung auszusprechen obwohl er nicht dazu bereit ist. Es geht hier nicht darum dem Heiler seine Vergebung zu besorgen sondern zu ergründen was die wahren Gründe des Elfenfürsten sind. Wenn er nicht bereit ist zu vergeben hat er das Recht dazu."-
-"Ja, aber warum sagst du es ihm nicht so direkt? Ihr redet so lange....."-
-"Es ist wie ein Schwertkampf Saphira."- unterbrach Eragon. -"Oder wie ein Kampf zwischen zwei Drachen. Wenn ein Artgenosse dich herausfordert, dann stürmst du doch auch nicht einfach auf ihn los oder?"-
-"Nein. So dumm verhalten sich nur Küken."- murmelte Saphira.-"Man belauert seinen Gegner zunächst, studiert ihn und seine Verteidigung. Wenn man gleich angreift.....offenbart man nur Angriffsfläche. Jetzt verstehe ich was du meinst."-
-"Gespräche sind bei uns Zweibeinern nicht nur Austausch von Informationen."- erklärte Eragon weiter.
Er schmunzelte und kitzelte Saphira hinter dem Ohr. -"Aber du bist doch auch kein Küken mehr meine Schöne. Das weißt du doch., oder?"-
Saphira hüstelte verlegen und entzog sich seinen Fingern.
-"Schon. Aber meistens, wenn du solche Gespräche führst suche ich die Freiheit des Himmels und du erzählst mir dann am Abend was es gegeben hat. Du brauchst dann nur wenige Sätze um mir das zu erzählen, was du während des ganzen Tages mit irgendwelchen Würdenträgern besprochen hast."
Sie zupfte etwas verlegen ihren Flügel zurecht.
-"Ich war dir da wohl eine schlechte Gefährtin. Wenn ein Austausch von Worten wie ein Schwertkampf ist habe ich dich im Gefecht allein gelassen."-
-"Das hast du ganz und gar nicht."- widersprach Eragon.-"Im Gegenteil. Oft hilft mir deine Klarheit. Wenn ich dir von Verhandlungen Erzähle, alles zusammenfasse, reduziert sich plötzlich alles auf das Wesentliche. Worte können nämlich auch wie eine Nebelbank sein, die das Gegenüber aufbaut um sich darin zu verbergen und mich zu verwirren. Ich bin schon mehr als einmal vom Kurs abgekommen und habe erst durch dich wieder begriffen was der Kern einer Sache war. Du hast mir also genau die Hilfe gegeben die ich brauchte. Ganz instinktiv. Perfektion braucht eben keine Übung."
Saphira schnarrte verlegen und schüttelte ihr mächtiges Haupt. Ihr -"Schmeichler"- konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihr die Worte ihres Reiters sehr gut gefielen.






Abstimmen nicht vergessen;)

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