123. Eine Frage fürs Leben

109 9 0
                                    

Eragon stellte gerade einen kleinen Korb mit geschnittenem Brot und Brötchen auf den ansonsten fertig gedeckten Frühstückstisch als Arya die Küche betrat. Er nickte seiner Gefährtin kurz zu und bedeutete ihr sich zu setzen.
Die Elfe kam der Aufforderung gern nach, legte aber vorher noch ihre grüne Klinge neben Brisingr auf die Anrichte. Während man am Frühstückstisch saß behinderten die Waffen einen nur, doch für das was danach kommen würde war es angebracht sie zu tragen.
"Zu tragen" doch, und dafür war Eragon dankbar, nicht sie zu benutzen. Es handelte sich lediglich um einen förmlichen Anlass der von den beiden ältesten Reitern in der Ostmark etwas Haltung und Würde verlangte.
Eragon hatte, um dem Anlass gerecht zu werden, für sich Gewänder gewählt die er für formelle Empfänge aufsparte. Im Verhältnis zu dem was manche Adlige trugen wirten sein Wams aus blauer, schimmernder Elfenseide, dass mit einem kunstvollen weißen Rankenmuster dezent verziert war, die einfache Dunkle Hose und die Stiefel aus weichem schwarzen Leder immer noch recht schlicht aber so wollte es der Anführer der Reiter. Was der Orden an Wohlstand besaß sollte dafür verwendet werden um seiner Aufgabe gerecht zu werden die Not in der bekannten Welt zu lindern und nicht um die Arroganz seiner Mitglieder zu befeuern!
Auch bei Arya bemerkte er einige Veränderungen die wohl auf den Anlass zurückzuführen waren. Sie hatte ähnliche Kleider gewählt wie er, nur war ihr Wams in Grün und Gelb gehalten, ihre Haare trug sie heute offen und einige zusätzliche Bürstenstriche hatten es in einen perfekten seidigen Wasserfall verwandelt.
Arya war noch nie jemand gewesen der Verwendung für Tand und Schmuck hatte. Eragons Meinung nach brauchte sie das auch nicht.
Die Elfe hatte offenbar seinen Bewundernden Blick bemerkt. Ihr Blick fing seinen ein und eine ihrer Augenbrauen erhob sich fragend.
"Verzaubere ich meinen kleinen Bauernjungen wieder?"
Eragon schmunzelte.
"Jeden Tag aufs neue."
Die beiden Drachenreiter lachten lautlos in sich hinein, dann jedoch wurde Arya wieder etwas ernster.
"Und du bist dir sicher?" fragte sie.
Eragon wusste sofort was sie meinte.
"Marlena ist jetzt 30 Sommer alt. Wir haben ihr bereits die Grundlagen der Magie beigebracht ebenso den Umgang mit dem Schwert. Sie weiß bei weitem noch nicht alles was es zu wissen gibt aber genug um zu wissen was sie will."
Eragon griff über den Tisch und legte seine rechte Hand auf die von Arya.
"Unser kleiner Stern steht inzwischen sicher und hoch am Himmel. Ja. Ja ich denke wir sollten es ihr erlauben."
Arya dachte einen Augenblick nach, dann nickte sie. Keinen Augenblick zu früh, denn aus dem Flur drangen leise Schritte.
"Und so beginnt es." sagte Eragon mit scherzhaft verstellter Grabesstimme.
Fast Schüchtern späte Marlena wenige Augenblicke später in die Küche. Sie trug ein sandfarbenes Wams und eine braune Hose. Ebenfalls etwas edler als normal. Unsicher blieb sie im Türrahmen stehen und schien nach den richtigen Worten zu suchen.
Eragon konnte sich nicht beherrschen und beschloss seine Tochter etwas zu necken.
"Was sagt der Esel wenn er zur Mühle kommt?"
Die Frage warf Marlena sichtlich aus der Bahn. Sie brauchte einige Augenblicke, dann nuschelte sie ein "Guten Morgen und trat zu ihren Eltern an den Tisch.
Der strafende Blick seiner Gefährtin wurde für Eragon dadurch erträglicher, dass die Mundwinkel der Elfe verräterisch zuckten.
"Mutter, Vater, ich wollte mit euch reden." hob Marlena schließlich an. Noch einmal holte sie tief Luft bevor sie weitersprach.
"Heute kommen doch die neuen Bürger an."
"Ach wirklich?" erwiderte Eragon mit Unschuldsmiene.
Marlena verzog kurz den Mund. Natürlich war ihr klar, dass ihr Vater mit ihr spielte. Seine Wochen gab es in der Reiterstadt kein anderes Thema mehr al die bevorstehende Ankunft.
In jedem Jahr beriet der Bürgerrat von Esterni ob und wie viele neue Bürger man aufnehmen konnte ohne die natürlichen Ressourcen der Ostmark über die Gebühr zu beanspruchen. Man teilte dann die Anzahl dem Orden der Reiter mit und Eragon und der Ältestenrat sorgten dafür, dass die Plätze gleichmäßig unter den Völkern verteilt wurden. Jede Rasse erhielt die gleiche Anzahl und Reiter die in den verschiedenen Teilen von Alagaesia unterwegs waren prüften mögliche Bewerber und entschieden wem es erlaubt wurde in der Ostmark ein neues Leben zu beginnen. Die Kriterien waren unterschiedlich, man war sich aber einig, dass es vor allem Leuten erlaubt werden sollte die Unverschuldet in Not geraten waren. Ein Bauer der seinen Hof bei einem Feuer verloren hatte, hatte eine bessere Chance als jemand der sein Hab und Gut im Wein ertränkt hatte.
Die Ankunft von neuen Bürgern wurde in der Reiterstadt stets ausgelassen gefeiert. Reden wurden Gehalten, es gab ein Festessen mit Tanz und es wurden feierlich die Grundsteine für die neuen Häuser gelegt. Jedermann war an einem solchen Tag auf den Beinen.
Den Höhepunkt der Feierlichkeiten bildete allerdings eine Zeremonie, die ein symbolisches Willkommen von Seiten des Ordens und des Volkes der Drachen war.
Eragon hatte das untrügliche Gefühl, dass es dieser Brauch war, der seine Tochter am heutigen Tag besonders interessierte.
Marlena sprach inzwischen weiter.
"Nun,.....da doch heute die neuen Bürger kommen gibt es doch auch wieder eine Reiterprüfung, oder?"
Eragon sagte nichts. Er hatte recht gehabt. Ganz so einfach wollte er es seiner Tochter aber nicht machen. Betont beiläufig nickte er.
"Nun, ich habe mich gefragt ob....Ich meine ich möchte.....Natürlich nur wenn ihre es erlaubt, also dann würde ich gern teilnehmen....?"
Eragon und Arya blickten sich an, dann sagte der Anführer der Reiter geradezu betont nebensächlich: "Einverstanden."
"Vater ich....."
Marlenas Mund, offenbar bereit eine Sturzflut an Gegenargumenten über die verständnislosen Eltern hereinbrechen zu lassen, blieb einige Sekunden einfach nur offen stehen. Eragon beobachtete wie seine Tochter blinzelte als wäre sie eine Eule die man am helllichten Tag um ihren verdienten Schlaf gebracht hatte.
"Was?"
Schmunzelnd lehnte sich Eragon zurück. Es war Arya die ihre Tochter erlöste.
"Dein Vater und ich sind der Meinung, dass du alt genug bist um selbst zu entscheiden ob du an einer Reiterprüfung teilnehmen willst. Aber...."
Arya erhob den Zeigefinger um das zu unterstreichen.
"Aber du musst begreifen: Selbst wenn du von zwei Drachenreitern abstammst ist das keine Garantie, dass du auserwählt wirst. Ein Drache für eine ganz bestimmte Seele. So ist es und wird es immer sein."
"Ja, ja natürlich!" Marlenas Gesicht begann sich aufzuhellen. Die Information, dass sie teilnehmen durfte drang offenbar nur langsam zu ihr durch, dann jedoch umarmte sie ihre Eltern stürmisch .
"Danke, danke, danke."
Kaum hatte sich Marlena wieder von ihren Eltern gelöst da stürmte sie schon zum Ausgang stürmte.
"Holla! Wohin so eilig" rief Eragon seiner Tochter nach.
Marlena verharrte im Türrahmen.
"Ich muss das Mirie erzählen! Essen wird es doch heute noch genug geben."
Eragon schüttelte schmunzelnd den Kopf und warf seiner Tochter einen Apfel aus der Obstschale zu.
"Minimum!" sagte er mit gespielter strenge.
Marlena nickte und verschwand in den aufziehenden Tag.




:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::





Unsicher folgte Marlena dem Eiwächter, einem Elfen etwa im alter ihrer Mutter, in das Zelt. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte den Tag auf der Feier genossen und sich schließlich stolz in die Reihe der Wartenden begeben die zu den vier Dracheneiern vorgelassen werden sollten die man auf dem Marktplatz von Esterni ausgestellt hatte.
Ein Ei in Weiß und Gold hatte sofort ihre Aufmerksamkeit erregt. Jedes mal wenn sich ein Kandidat diesem Ei genähert hatte, hatte Marlena die Luft angehalten und war erleichtert gewesen wenn der Drache in dem Ein offenbar kein Interesse zeigte.
Den Gedanken, dass sie für dieses ei bestimmt sein könnte hatte sie sofort beiseite geschoben. Sicher, sie wusste, dass sich zukünftige Reiter manchmal zu Eiern hingezogen fühlten die, wie sich später herausstellte, für sie bestimmt waren aber soweit wollte sie nicht gehen.
Im Grunde war es ihr darum gegangen von ihren Eltern ein Stück weit als erwachsen anerkannt zu werden und jetzt?
Sie hatte das weiße Ei kaum berührt als einer der Eiwächter ihr ein Zeichen machte ihm zu folgen. Unsicher hatte sie das Ei aufgehoben und war der Aufforderung nach gekommen.
Nun saß sie auf der Liege in dem Zelt in das man sie gebracht hatte. Vor ihr lag das Ei. Fast schien es im Halbdunkel zu leuchten.
Für einen Augenblick hatte Marlena überlegt ob es vielleicht alles nur eine Inszenierung war. Man wollte nicht, dass die Tochter der Ordensführer einfach abgewiesen wurde und ließ sie daher etwas Zeit mit einem Drachenei verbringen. Diesen Gedanken hatte sie allerdings schnell wieder verworfen. Auf solche Spielchen würden sich ihre Eltern nie einlassen.
"Muss ich irgendwas tun?" fragte sie unsicher den Eiwächter der mit dem Rücken zu ihr vor dem Eingang des Zeltes stand.
"Du musst nicht aber du kannst." antwortete der Elf.
Marlena verdrehte die Augen. Das war eine wahrhaft elfische Antwort. Manchmal war das Volk ihrer Mutter einfach seltsam.
Ihr Blick wanderte wieder zu dem Ei das vor ihren zum Schneidersitz überkreuzten Beinen lag.
"Du interessierst dich also für mich kleiner Drache?" fragte Marlena flüsternd. "Ich weiß, dass das eine ehre für mich ist ich...."
Sie stockte. Plötzlich hatte der Gedanke selbst zur Reiterin berufen zu werden etwas beängstigendes. Sie wusste um die Verantwortung.
"Ich hab ein bisschen Angst weißt du?" sagte Marlena zu dem Ei. Sie dachte einen Augenblick nach, dann musste sie leise lachen. "Irgendwie sind wir beide in der gleichen Lage weißt du. Du liegst da sicher in deinem Ei und musst dich entscheiden ob du dich hinaus wagst in ein ganz neues Leben. Bei mir ist das ähnlich weißt du. Keiner von uns beiden kann mehr zurück wenn du schlüpfst. Unser weg ist dann klar. Wir werden Drache und Reiter sein wir beide."
Marlena wurde sich klar, dass sie trotz all ihrer Beteuerungen die Tragweite ihrer Entscheidung erst jetzt wirklich begriff. Wenn der Drache schlüpfte war ihr weiterer Lebensweg klar vorgezeichnet. Sie konnte sich nicht mehr entscheiden eine Bardin zu werden oder sich zur Heilerin ausbilden zu lassen. Sie stand an einem Scheideweg. Sie dachte über das Leben nach, dass sie als Reiterin führen würde. Vieles machte ihr Angst. Sie hatte das Gefühl vor einem Hohen Berg zu stehen den es zu besteigen galt. So viele Möglichkeiten Fehler zu machen auf dem Weg zum Ziel. So viele Gelegenheiten den falschen Weg einzuschlagen!
Ihr wurde fast schwindlig. Sie suchte nach einem Gedanken an den sie sich klammern konnte. Etwas, dass ihr Hoffnung für die Zukunft gab. Und sie fand ihn. Sie erinnerte sich dran wie ihre Eltern mit ihren Drachen umgingen. Sie erinnerte sich wie sie als kleines Mädchen auf dem Schoß ihres Vaters gesessen und ihm Löcher in den Bauch gefragt hatte. Eine dieser Fragen kam ihr jetzt in den sinn:
.........................Was ist das Schönste daran Drachenreiter zu sein?..........
Die Antwort ihres Vaters hatte die kleine Marlena überrascht. Sei hatte etwas wie "Fliegen" oder "Anderen helfen" erwartet. Stattdessen hatte ihr Vater einen Augenblick nachgedacht und ihr zugeflüstert: "Das immer jemand bei dir ist der dich versteht. Immer! Ganz gleich was kommt."
Marlena musste bei dem Gedanken lächeln. Sie strich über die Schale des Eis.
"Verstehst du mich kleiner Drache? Immer? Ganz gleich was kommen wird?"
Ein lautes Knacken durchbrach die fast andächtige Stille des Zeltes. Sprachlos verfolgte Marlena wie sich Risse in der Eierschale bildeten. Mehr und immer mehr!
Stück für Stück kämpfte sich ein schneeweißes Drachenmädchen ins Leben.
Marlena saß völlig still da während sich das kleine Wunder von der einhülle befreite und seine Flügel zurechtzupfte. Noch einmal sah sich das Drachenmädchen prüfend an als ob es sein Aussehen prüfte. Schließlich schien es zufrieden und zum ersten mal blicke es Marlena direkt an. Das Drachenmädchen legte den Kopf schief und stieß ein leises Zirpen aus.
Marlena musste lächeln. Der zärtliche Laut war für sie eine Antwort auf ihre Frage: Ja!
Sie streckte ihre Hand aus......






Abstimmen nicht vergessen;)

Eragon-OS-SammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt