43. Herr des Leders Teil 1

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Inzwischen hatte die Gruppe denn Teil der Reiterstadt erreicht, der vornehmlich von den Urgals bewohnt wurde. Tar bemerkte, dass sich seine menschliche Schülerin ebenso neugierig umsah wie ihr Drache.
"Wenn du eine Frage hast, nur zu." ermunterte der Reiter der Gehörnten seine Schützlinge.
Naja fühlte sich offenbar ein wenig ertappt und lief leicht rot an als ihr Lehrer sie ansprach. Schließlich konnte sich aber doch zu einer Frage durchringen:
"Aus dem Unterricht bei Jeod weiß ich, dass euer Volk früher viel herum gezogen ist Meister. Daher waren eure Dörfer meist einfache Siedlungen aus runden Zelten. Hier in der Reiterstadt habe jedoch jetzt aber ein ständiges zuhause. Trotzdem scheint eurer Siedlung immer noch aus Zelten zu bestehen. Warum? Warum baut ihr keine Häuser wie es die Menschen in ihrem Teil der Stadt tun?"
"Weil es nicht unserer Lebensart entspricht Naja." Erklärte Tar aber der fragende Gesichtsausdruck seines Schützlings zeigte ihm, dass er noch etwas mehr ins Detail gehen musste. "Du hast dir sicherlich schon gesehen, dass die Elfen wie die Vögel in Bäumen leben. Sie singen zu ihnen damit sie zu Häusern werden. Das ist ihr Weg. Die Zwerge zieht es wie die stolzen Drachen unter die Erde in Höhlen. Das ist ihre Art. Ihr Menschen baut euch Häuser, umgebt sie mit Mauern und Türmen und eine starke Verteidigung zu haben denn eure Körper sind zerbrechlicher als die der anderen Völker. Das ist der Weg deines Volkes. Jede dieser Lebenswege geht auf die Kultur der einzelnen Völker zurück. Es ist ein Spiegelbild der Art wie ein Volk denkt und lebt. Urgalgra brauchen keine Mauern und Türme. Wir tragen unsere Stärke in uns. Wir fürchten auch nicht die großen Feinde die die Natur uns entgegenwirft. Die Hitze des Sommers oder die Kälte des Winters! Wir verstecken uns nicht hinter Mauern vor diesem Feinden sondern trotzen ihnen auf das die Herausforderung unserer Körper stählt wie die Flamme das Eisen. Wir leben hier immer noch in Zelten weil wir zwar in Frieden mit den anderen Völkern leben wollen aber nicht vergessen haben woher wir kommen. Es ist unsere Art uns daran zu erinnern, dass ein Urgalgra das Land dass er betritt stets in Besitz nimmt. Natürlich haben auch wir uns etwas angepasst als wir in der Reiterstadt einer Heimat fanden. Wie du siehst sind unsere Wege gepflastert und auch in unseren Zelten haben wir den Boden befestigt, damit Regen und Schnee ihn nicht in ein Schlammloch verwandeln. Kurz gesagt, wir haben uns verändert als wir Frieden mit den anderen Völkern schlossen aber wir haben nicht vergessen wo wir herkommen."
"Gut gesagt Feuerblut!" ließ eine unbekannte Stimme sich nun vernehmen.
Tar war so in seine Erklärungen vertieft gewesen, dass ihm entgangen war, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Er begrüßte den alten Urgal der nun auf sie zukam indem er respektvoll das Kinn emporreckte. Überrascht stellte er fest, dass Naja es ihm praktisch augenblicklich gleich Tat. Anschließend musterte sie den fremden Gehörnten mit schüchterner Neugier.
Tar konnte es seiner Schülerin nicht übel nehmen, dass sich ihre Augen beeindruckt weiteten als der Urgalgra zu ihnen tart. Das lange weiße Haar, dass im bis über die Schultern reichte war ein klares Zeichen für sein hohes Alter. Sein Gesicht war von Wind und Wetter gezeichnet und ein Teil seines linken Horns war abgesplittert. Dennoch war es eine gefährliche Waffe denn der alte Urgal hatte die Bruchkannte offenbar spitz gefeilt.
Trotz seines offensichtlichen Alters wirkte der Urgal kraftvoll und seine Bewegungen flüssig. Seine Stimme war ein tiefer, ungebrochener Bass. Mit freundlichem Interesse musterte er Naja und ihren schwarzen Begleiter und sagte dann:
"Das hätte ich in meiner Jugend auch nicht erwartet, dass ein junger Drachenreiter mich mal so respektvoll begrüßt. Wer hat dir das beigebracht Kind? Bei den Menschen in deinem Alter ist es eher ungewöhnlich schon so bewandert in den Traditionen der Urgalgra zu sein."
Der Alte drehte sich zu Tar um und sagte mit grollendem Lachen in der Stimme:
"Manche Schüler die der Orden zu mir schickt scheinen sogar überrascht zu sein, dass ich des gesprochenen Wortes mächtig bin."
Die beiden Gehörnten mussten lachen. Tatsächlich hatte sich so mancher Novize des Ordens durch Unkenntnis in Bezug auf die Urgals ausgezeichnet und für so manchen peinlichen Vorfall gesorgt.
Naja jedoch antwortete höflich:
"Ich habe es während meiner Zeit bei Jeod gelernt. Da mein Lehrmeister ein Urgal ist dachte ich es wäre gut soviel wie möglich über eure Wege zu wissen."
"Sehr gut."lachte der alte Gehörnte aber Tar entging nicht, dass auch Anerkennung und stolz in der Stimme des Urgals lagen." Die Welt hat sich wahrhaft zum Besseren für uns verändert. Der Meister der Bücher weiß viel über unsere Wege. Er hat auch nicht einmal in sein Haus eingeladen um einige Legenden unseres Volkes niederzuschreiben. Sein Weibchen war davon weniger angetan."
Wieder mussten die beiden Urgals lachen. Tar konnte sich gut vorstellen, dass die strenge Gattin des Gelehrten über solchen Besuch nicht erfreut war. Die beiden Gehörnten beruhigten sich erst wieder als Naja neben ihnen ein leises "Autsch" ausstieß.
Tar wusste sofort worum es ging und dass er sich keine Sorgen um seine junge Schülerin zu machen brauchte. Tanis hatte sie unsanft mit der Schnauze angestoßen. Im Punkto Schüchternheit war der junge Drache das genaue Gegenteil von seiner Reiterin. Wenn diese sich nicht traute etwas zu fragen tat es Tanis und er mochte es gar nicht, wenn seine Seelenschwester seine Frage nicht umgehend weiterleitete oder sich bemühte seine vorlauten Äußerungen etwas höflicher zu formulieren.
Nachdem Drache und Reiterin sich einen Augenblick finster angefunkelt hatten übermittelte Naja die Worte ihres Drachen.
"Tanis möchte wissen wer ihr seid Herr und was unser hier sein damit zu tun hat, dass wir einen Sattel für ihn brauchen."
"Alles sehr berechtigte Fragen von deinem jungen Feueratmer." schmunzelte der weißhaarige Urgal."Mein Name ist Winduka. Ich bin ein Schamane der Gehörnten und euren Sattel werdet ihr von mir bekommen. Deshalb seid ihr hier."


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