125. Am Anfang einer Reise

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Der Schlag kam plötzlich und unerwartet. Er presste Marlena die Luft aus den Lungen und die junge Halbling saß augenblicklich kerzengerade im Bett. Hastig blickte sie sich um. Im ersten Augenblick kam der raum ihr fremd vor, dann erkannte sie ihr Zimmer. Doch alles war anders. Die Möbel! Hatte jemand die Möbel verrückt?
Nein, Marlena erkannte es. Sie lag nur in einer anderen Position. Mit dem Kopf am Fußende ihres Bettes! Deshalb erschienen ihr die Möbel anders zu stehen als sonst! Ihr Drache hatte sie von ihrem Kopfkissen vertrieben und ......! Ihr Drache!
Mit einem Schlag waren die Erinnerungen an die gestrigen Ereignisse wieder da. Vorsichtig, sah die junge Halbling sich um. Die Ereignisse des gestrigen Tages schienen ihr so unglaublich, dass sie halb erwartete, alles sei nur ein Traum gewesen. Doch sie wollte nicht dass es ein Traum war. Alonvy durfte kein Traum gewesen sein.
So vorsichtig als wäre die Welt um sie herum aus zerbrechlichem Glas blickte Marlena sich um. Sie suchte ihr kleines Drachenmädchen und wurde fündig. Alonvy hockte neben ihr etwa auf Brusthöhe und blinzelte sie aus wachen Kulleraugen an. Im Blick des jungen Drachenmädchen lag etwas. Marlena konnte es nicht genau benennen aber schlagartig überfiel sie eine Erkenntnis.
"Du warst das! Du hast mich geweckt indem du mir auf den Bauch gesprungen bist!"
Alonvy legte Kokett die Flügel an und fiepte zustimmend.
Fassungslos über die Unverblümtheit ihrer keinen Seelenschwester schüttelte Marlena den Kopf.
"Du hast mich fast zu Tode erschreckt."
Alonvy schüttelte sich ausgiebig und stieß ein Brummen aus, das in Marlenas Ohren wie ein "Nun übertreib nicht so" klang. Schließlich richtete sie ihren Blick wieder auf ihre Reiterin und Marlena spürte wie das Bewusstsein der kleinen Drachendame an ihrem zupfte. Sie senkte ihre geistigen Schilde und ein großer, alles verzehrender Hunger flutete durch ihren Geist.
"Jetzt wird mir einiges klar." lachte Marlena ungläubig und fuhr sich mit beiden Händen durch ihr von der Nacht zerzaustes Haar. "Na gut, besorgen wir dir ein Frühstück."
Alonvy machte vor Begeisterung einen Hüpfer, sprang von Marlenas Bett herunter und erwartete ihre Reiterin ungeduldig an der Falltür die zur Treppe führte.
"Einen Augenblick musst du dich noch gedulden meine Kleine." beschwichtigte Marlena. "Ich muss mich wenigstens anziehen."
Unter den verständnislosen blicken ihres Schlüpflings schlüpfte Marlena schnell in eine bequeme Hose, warf sich ein Wams über und glättete mit einigen schnellen Bürstenstrichen ihre Haare.
"So, jetzt können wir."
Gemeinsam mit ihrem Drachenmädchen stieg Marlena die Treppe hinunter und ging in richtung Küche. Die junge Halbling bemühte sich leise zu sein. ein schneller Blick aus einem der Fenster hatte ihr gezeigt, dass es noch sehr früh am Morgen war. Ihre Eltern würden frühestens in einer Stunde aufstehen und Marlena wollte sie nicht um ihren Schlaf bringen.
Lächelnd beobachtete sie Alonvy. Neugierig hopste das junge Drachenmädchen durch den Flur und inspizierte jedes Möbelstück mit schief gelegtem Kopf. Mehr als einmal lag das pure Unverständnis im Blick des Drachenfräuleins. Marlena verstand das. Für einen jungen Drachen musste es schwierig sein den Sinn hinter dekorativen Gegenständen wie Vasen oder kleinen Statuen zu verstehen die Marlenas Eltern von irgendwelchen hochgestellten Persönlichkeiten zum Geschenk gemacht worden waren.
In der Küche angekommen begann die junge Halbling iim Vorratsschrank zu wühlen. Ihre Eltern aßen klein Fleisch und Marlena tat es ihnen gleich. Doch die beiden ältesten Reiter des Ordens hatten genug Schlüpflinge von Novizen erlebt um immer einen kleinen Vorrat an Trockenfleisch im Haus zu haben. Leider war der Behälter mit dieser eisernen Reserve leer. Marlena konnte nur vermuten, dass ihr Vater ihr gestern Abend die Reste aufs Zimmer gebracht hatte.
Seufzend schloss Marlena den Vorratsschrank. Offenbar würde sie mit ihrem Schlüpfling einen kleinen Ausflug nach Esterni machen müssen um an Futter zu kommen. Andererseits bezweifelte die junge Halbling, dass einer der Fleischer der Reiterstad schon so früh am Morgen geöffnet haben würde.
Ein überrascht klingendes Fiepen ihres Drachenfräuleins ließ Marlena herumwirbeln. Unwillkürlich musste sie grinsen.
Vor dem Eingang zur Küche schwebte Saphiras gewaltiges Haupt. Der Kopf der Blauen Drachendame füllte die Tür, die aus Eragons Haus heraus auf die ehemalige Schlüpflingswiese führte fast völlig aus.
Der gütige Blick der Drachendame ruhte auf Alonvy.
Das weiße Küken indes schien von der, um so vieles größeren, Drachendame etwas verschüchtert. Hatte Alonvy eben noch den Küchentisch als Klettergerüst benutzt kauerte das Drachenmädchen nun unter einem der Stühle und blickte zwischen der blauen Drachendame und ihrer Reiterin hin und her. Sie schien darüber nachzudenken ob es besser war in der "sicheren" Deckung unter dem Küchenstuhl verweilen oder ob sie es riskieren konnte sich zu ihrer Reiterin zu flüchten.
Marlena nahm ihr die Entscheidung ab. sie trat zu ihrem Drachenfräulein und strich ihr beruhigend über die Schuppen.
"Alles gut. Vor saphira musst du wirklich keine Angst haben."
Alonvys Blick blieb unsicher.
-"Du solltest deine Worte mit Gefühlen untermauern Eragon-Tochter-Marlena." erklärte Saphira geduldig. -"Worte sagen meiner kleinen Schwester noch nichts aber wenn du sie spüren lässt, dass du in mir keine Bedrohung siest wird sie das verstehen."-
Marlena blickte zu ihrem Schlüpfling hinab. Alonvy erwiederte den Blick mit großen neugierigen Augen. Die junge Halbling war es nicht gewohnt Gefühle und Erinnerungen geistig zu teilen. Im Grunde ging dies gegen alles was man ihr bisher beigebracht hatte.
Bei geistigem Kontakt war es eigentlich wichtig seine Gefühle unter Kontrolle zu behalten. Heftige Emotionen waren wie ein Einfallsthor in eine Seele. Das gleiche galt für persönliche Gefühle.
Daher war es eigentlich wichtig seine Gefühle unter Kontrolle zu behalten und sich ganz auf das hier und jetzt zu konzentrieren. So behielt man den Kontakt unter Kontrolle.
Hier jedoch ging es nicht um Kontrolle sondern darum ihrem Drachenmädchen die Angst zu nehmen.
Marlena konzentrierte sich. Sie ließ Erinnerungen in sich Aufsteigen. Saphira war immer da gewesen. Seit sie denken konnte war die blaue Drachendame ein Teil ihrer Familie gewesen. Marlena erinnerte sich wie sie einmal ein warmes Stück Apfelkuchen stibitzt hatte und unter Saphiras Flügel Zuflucht gefunden hatte. Vom Rücken der blauen Drachendame aus hatte sie zum ersten Mal die Welt aus der Perspektive eines Vogels gesehen und stundenlang hatte sie Saphira und Fírnen gelauscht wenn sie Geschichten über das Drachenvolk an Generationen von Schlüpflingen weitergaben. Nie schien die Begleiterin ihres Vaters etwas dagegen gehabt zu haben, dass auch Marlena, eine Zweibeinerin, zuhörte.
Alonvy saugte diese Erinnerungen ihrer Reiterin geradezu auf und mit jeder Sekunde schien ihr Vertrauen in die blaue Artgenossin zu wachsen.
Nach einigen Minuten wagte sich Alonvy schließlich aus der Deckung und tapste Schritt für Schritt aus Saphira zu. diese legte sich flach vor dem Küken auf den Boden um mit dem Schlüpfling auf Augenhöhe zu sein. Geduldig ließ sie sich beschnuppern und kostete selbst den Geruch des Schlüpflings.
-"Wie heißt sie?"- erkundigte sich schließlich Saphira mit einem schnellen Blick zu Marlena.
-"Alonvy"- erklärte die junge Halbling stolz.
-"Sie scheint hungrig zu sein."- stellte Saphira vielsagend fest. Sie hob den Kopf, verschwand kurz aus Marlenas Blickfeld und als sie wieder auftauchte hielt sie einen kleinen Lederbeutel zwischen den Zähnen. Diesen ließ sie vor Alonvy auf den Boden Fallen. Die kleine Weiße quitschte begeistert als Fleischstücke vor ihr über den Boden rollten. gierig begann sie zu fressen.
Schmunzelnd setzte sich Marlena auf einen der Küchenstühle und beobachtete Alonvy einen Augenblick schweigend.
-"Woher wusstest du das." wollte sie schließlich wissen.
Saphira lachte und legte sich würdevoll vor dem Eingang zum Haus ihres Reiters nieder.
-"Ich bin die Mutter der Wiedergeburt der Drachen. Ich habe mehr Küken aufgezogen als jede andere lebende Drachendame."-
Saphira senkte den Kopf bis er vor Marlenas Geschit schwebt. Schmunzelnd blies sie der jungen Halbling einen strom warmer Luft ins Gesicht.
-"Das hätte ich wohl kaum geschafft wenn ich mein Schützlinge nicht anständig ernährt hätte oder du Küken?"-
-"Wohl nicht."- lachte Marlena und fragte dann: -" Du scheinst nicht besonders überrascht zu sein, dass ich zur Reiterin berufen wurde Saphira."-
-"Kein bisschen." gab Saphira postwendend zurück, dann wanderte der Blick der blauen Darachendame in die Ferne trotzdem sprach sie weiter zu Marlena. -"Ich kenne dich seit deine Mutter dich geboren hat. Ich habe deiner Seele dabei zugesehen wie sie sich entfaltet hat. Bis zu diesem Punkt hier und ich wusste, dass ein Himmelskind dich als seinen Gefährten wählen würde und weißt du wieso?"-
Saphiras Blick richtete sich wieder auf Marlena. Ihre Augen blitzten voller Überzeugung.
-"Weil du ganz nach meinem Kleinen kommst."-
"Wirklich?!" Marlena war aufgeregt.
-"Glaubst du das etwa nicht?"- fragte Saphira.
Marlena hob etwas unsicher die Schultern.
"Es würde mir gefallen." murmelte die junge Halbling schließlich schüchtern. "Aber weißt du Saphira. Vater ist zwar gütig und freundlich und wirkt nicht so streng wie Mutter aber auf seine Art ist er genau so unerreichbar als Vorbild wie sie auch. Er ist so..... geschlossen."
Saphira schüttelte verständnislos den Kopf. Ihre Schuppen raschelten.
-"Geschlossen?"-
Marlena machte eine unbeholfene Geste.
"Ich weiß nicht wie ich es sonst sagen soll. Er ist..... wie ein geschlossener Kreis weißt du."
Marlena überraschte es immer wieder aber es fiel ihr leicht mit Saphira über solche dinge zu sprechen. Die Drachendame gehörte zur Familie. Sie war wie eine Tante oder eine Großmutter die die Dinge verstand, die Marlena an ihren Eltern manchmal Rätsel aufgaben.
"Vater ruht einfach in sich selbst Saphira." erklärte sie weiter. "Man hat das Gefühl, dass er genau der Mann ist der er sein will. Sein Leben, sein Heim..... Das ist er. Verstehst du."
-"Und du machst dir Sorgen, weil du diese Sicherheit nicht hast, oder?"-
Marlena blieb nichts anderes übrig als zustimmend zu nicken.
Saphira lachte heiser.
-"Und du glaubst, mein Kleiner war immer schon so "geschlossen"?"-
Wieder lachte die blaue Drachendame.
-"Oh Küken. Wenn du ihn nur so gekannt hättest wie ich damals in seiner alten Heimat. So unsicher und, ja, unfertig. Wir haben einen weiten Weg zusammen zurückgelegt. Ich habe seiner Seele beim Wachsen zugesehen Marlena. Ich habe verfolgt wie sie erblühte als er das geschriebene Wort meisterte. Wie sich ihm durch die Verse der Baden neue Welten erschlossen und er ihr Wissen zu seinem eigenen machte. Viele dinge haben deinen Vater geformt junge Marlena. Er at eine weite Reise hinter sich. du, und deine kleine Gefährtin hier, ihr steht erst am Anfang eures gemeinsamen Weges. Doch ihr werdet ihn gemeinsam beschreiten. Daran habe ich keinen Zweifel. Auch du wirst eines Tages "geschlossen" sein Eragon-Tochter-Marlena. Denn du trägst in dir was meinen Kleinen mit mir und deine Mutter mit meinem Nistpartner vereint hat. Sie haben dir vererbt was mich und Fírnen dazu bewogen hat unsere Eier zu verlassen. Du trägst es in dir."-
"Und was ist das Saphira?" fragte Marlena. Noch bevor die blaue Drachendame antworten konnte forderte Alonvy jedoch die Aufmerksamkeit ihrer Reiterin. sie hatte ihre Mahlzeit beendet und bestand darauf auf den Schoß genommen zu werden. Dort rollte sie sich genüsslich zu einem Nickerchen zusammen. Als Alonvy ihre Position gefunden hatte und Marlena wieder Aufblickte erkannte die junge Halbling, dass die Blaue Drachendame sich entfernt hatte. Vom Rand des Plateaus aus zwinkerte sie der Tochter ihres Reiters noch einmal zu, dann erhob sie sich in den klaren Morgenhimmel.





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