37. Der neue Morgen

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Weder Eragon noch Arya hatten am gestrigen Abend noch lange miteinander geredet. Beide hatten es sich unter einem Baum am Rand der Lichtung bequem gemacht und ihre gegenseitige Körperwärme hatte sie sicher durch die Nacht gebracht. Saphira und Fíernen hatten sich am Rand der Lichtung zwischen ihren Reitern und den beiden Elfen platziert die in der zurückliegenden Nacht einiges miteinander zu klären hatten.
Eragon wurde durch ein geistigen Stoß seiner Drachendame geweckt.
- "Ich weiß dass du es genießt die Nächte so eng mit deiner Nistpartnerin zu verbringen Kleiner."-schmunzelte Saphira als sie den leichten Widerwillen ihres Reiters bemerkte. - "Aber ihr solltet jetzt mit Tialva und Bloedgram reden. Die beiden haben ihre Unterhaltung beendet und breiten gerade ein Frühstücks vor." -
Als Eragons Denken langsam aus seinem Wachträumen in die Realität zurückkehrte erinnerte er sich auch an die Vorfälle des gestrigen Abends. Er ließ die Ereignisse noch einmal an sich vorbeiziehen und kam nicht umhin sich ein wenig zu schämen.
-" Unsinn!"- kommentierte Saphira diese Anwandlungen ihres Reiters.-" Denk mal daran wie Fíernen reagiert hat als er Aryas Schmerz gespürt hat. Es ist doch wohl das natürlichste von der Welt, sich um die, die einem nahe stehen Sorgen zu machen."-
-" Da hast Du schon recht Saphira aber ich habe mich sehr hinreißen lassen. Auch wenn Arya mir ihr Verständnis ausgesprochen hat, denke ich sie hätte Besseres von mir erwartet." -
-"Ach Kleiner."-summte die blaue Drachendame. - "Du bist was Du bist. Das kannst du nicht ändern. Erinnere dich doch einmal daran wie aufgeregt deine Liebste gewesen ist als du dich beim Kampf gegen Shruikan auf dem Helgrind fast für sie geopfert hättest. Da war sie auch außer sich. Sei also nicht zu streng mit dir. Außerdem hatte es letztlich positive Konsequenzen. Du hast die Wand aus Zorn durchbrochen die Bloedgram um seine Seele gelegt hatte. Wer weiß ob sie das mit einem ruhigen Gespräch gelungen wäre."-
-" In jedem Fall hat man in einem ruhigen Gespräch mehr Kontrolle."- murmelte Eragon.-" Das Problem bei Zorn ist nun einmal, dass er wie ein reißender Fluss ist. Nur mit Glück landet man am sicheren Ufer. Es hätte auch leicht eskalieren können."-
Saphira seufzte.
-" Na gut, ja, es hätte eskalieren können. Zieh deine Lehren aus der Situation und dann richtet den Blick nach vorne. Es bringt nichts wenn du mit dir zu hart ins Gericht gehst. Ich werde mir jetzt mein Frühstücks besorgen. Fíernen wird mich begleiten sobald er mit seiner Reiterin gesprochen hat. Die ist nämlich bereits auf den Beinen also solltest du vielleicht auch langsam aufstehen."-
Beschämt stellte Eragon fest, dass Saphira recht hatte. Er spürte Aryas schlanken Körper nicht mehr neben sich. Er war offenbar so in die Unterhaltung mit seiner Darachendame vertieft gewesen dass er gar nicht bemerkt hatte dass die Elfen sich erhoben hatte.
Schnell tat er es ihr nun gleich und beobachtete wie sich Saphira in den wolkenlosen Morgenhimmel erhob. Ihr grüner Gefährte lag noch immer am Rande der Lichtung und musterte seine Reiterin mit strengen Blick. Arya stand zwischen den Vorderbeinen ihres Drachen und strich beschwichtigend über Fíernens Schuppenkleid. Offenbar war er also nicht der einzige Reiter der sich von Zeit zu Zeit eine Standpauke seines Seelenpartners anhören musste.
- "Natürlich nicht."-meldete sich Saphira die auf der Jagd nach Beute inzwischen in einen lautlosen Gleitflug übergegangen war. - "Aber kein anderer Reiter braucht so oft eine Standpauke wie du."-
Nach diesen Worten verschloss Saphira schnell ihren Geist vor ihrem Reiter um keine Widerworte zu ernten. Kopfschüttelnd verfolgte Eragon wie nun auch Fíernen in den morgendlichen Himmel stieg um sich ein Frühstücks zu besorgen.
Leise trat er an die Seite seiner Gefährtin und ergriff ihre Hand. Aryas Blick blieb zunächst auf den kleiner werdenden grünen Punkt am Himmel gerichtet
"Es tut mir leid dass ich gestern so die Kontrolle verloren habe." flüsterte Eragon schließlich so dass nur seine Gefährtin ihn hören konnte.
"Ich weiß." erwiderte Arya ebenso leise. "Ich verstehe dich aber. Das habe ich dir gestern schon gesagt. Fíernen fand deine Handlungen übrigens auch sehr angemessen."
Als sie von ihren Drachen sprach umspielte ein leichtes Lächeln die wohl geformten Lippen der Elfe.
" Er meinte sogar, dass du ruhig noch etwas weiter hättest gehen können."
Nun musste auch Eragon schmunzeln.
"Ich danke deinem ehrenwerten Scublaca für sein Verständnis. Es hat mich nur so unerwartet getroffen verstehst du? Ich hatte nicht erwartet, dass Bloedgram so weit gehen würde. Dass er wirklich bereit sein würde jemanden von uns zu verletzen nach allem was wir erlebt haben...."
Arya nickte kaum merklich.
"Das hätte ich auch nicht erwartet. Zu seiner Verteidigung muss ich allerdings sagen, dass dies wirklich eine traditionelle Warnung meines Volkes ist. Man greift einen Feind an, nicht in der Absicht ihn zu töten oder dauerhaft zu verletzen sondern nur um ihm die eigene Verwundbarkeit vor Augen zu führen. Allerdings ist dies eine Tradition die noch aus der Zeit vor unserem Frieden mit den Drachen stammt. Sie wird heutzutage als primitiv und archaisch angesehen. Ich hätte es von Bloedgram nicht erwartet."
"Vielleicht war es eine Taktik." murmelte Eragon. "Indem er sich so aggressiv verhalten hat wollte er uns abschrecken. Als ich dann mit Zorn geantwortet habe hat er relativ schnell eingelenkt. Vermutlich war er selbst entsetzt welche Reaktion er ausgelöst hat. Dadurch konnten wir ihn erreichen mit unseren Argumenten. Unbewusst habe ich wohl dadurch in der Tat das Richtige getan aber wie gesagt unbewusst."
"Es ehrt dich dass du so streng mit dir selbst bist." sagte Arya." Nun sollten sie diesen Vorfall aber hinter uns lassen. Verspricht mir nur bitte, dass du sollte mir je etwas geschehen den guten Mann der Du bist nicht sterben lässt um Rache zu vollziehen. Allein schon um Marlenas willen."
Eragon zögerte einen Augenblick. Eine Antwort auf diese Frage zu geben zwang ihn an eine mögliche Zukunft ohne Arya zu denken. Etwas dass er sich nur schwer vorstellen konnte.
Arya schien seine Gedanken zu erraten und der sanfte Druck ihrer Hand verstärkte sich etwas.
"Ich will nur nicht mehr über diese Möglichkeit nachdenken müssen." versicherte sie und schenkte Eragon ein zärtliches Lächeln.
"Dann hast du mein Wort als Drachenreiter mein Stern." antwortete dieser.


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