41. Licht der Erkenntnis

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Ein eisiges Schweigen erfüllte nun den Raum und jagte Eragon einen Schauer über den Rücken. Auch wenn die Worte der Elfe Adira nach den Regeln des guten Benehmens gewählt waren machte ihre Körperhaltung und der Klang ihrer Stimme doch große Ablehnung, ja sogar Verachtung deutlich.
Mehrere Minuten vergingen bevor Tialva schließlich ihre Stimme erhob:
"Wenn Ihr wisst wer hier vor euch sitzt, sollte euch eigentlich klar sein worum es uns geht."
"Es geht um unseren Sohn!" fügte Bloedgram hinzu. Die Worte des Wolfkatzenelf wurden von einem Geräusch begleitet, dass Eragon an einem wütenden Hund erinnerte der mit gefletschten Zähnen einen Gegner an knurrte um diesen einzuschüchtern. Ein Beweis dafür, dass die Veränderungen die der Elf an sich vorgenommen hatte sich nicht nur auf sein äußeres Erscheinungsbild bezogen.
"Ich will wissen wie ihr mir das antun konntet?"
Während Bloedgram hauptsächlich von seiner Wut beherrscht zu sein schien dominierte bei Tialva nun Trauer. In ihren Worten lag ein leichtes Zittern, dass Eragon an einen Windhauch erinnerte der über die glatte Oberfläche eines Sees strich und das Wasser dazu brachte leichte Wellen zu schlagen.
"Als ich das von euch geleitete Geburtshaus aufsuchte habe ich das in dem Glauben getan, das Beste für mein Kind zu tun. Ich habe mich euch anvertraut. Ihr habt dieses Vertrauen schamlos ausgenutzt und ich will wissen wie ihr das rechtfertigt.
Während die ehemalige Gefährtin des Wolfkatzenelfs weiter sprach festigte sich ihre Stimme und auch in ihren Augen zeichnete sich jetzt Wut und Enttäuschung ab.
"Ich habe nur getan was in eurem Interesse war."erwiderte Adira mit fester Stimme. Anschließend richtete sie einen feindseligen Blick gegen Eragon und Arya. Dem Anführer der Drachenreiter entging nicht, dass dieser Blick hauptsächlich seiner Gefährtin galt. Mit eisiger Ruhe sprach Adira weiter. "Es wäre für alle Beteiligten besser gewesen wenn ihr die Wahrheit nie erfahren hättet. Die Reiter begreifen offensichtlich nicht die Notwendigkeit unseres Tuns. Aber was soll man auch erwarten unter einer Führung, der es eindeutig an Schamgefühl fehlt."
Eragon wollte etwas erwidern aber bevor er dies konnte trat Arya aus dem Hintergrund vor und platzierte sich an der Kante des Tisches an dem Adira, Tialva und Bloedgram versammelt waren. Ohne dass die Elfe ein Wort sprach machte sie damit deutlich, dass sie von nun an beabsichtigte an dieser Unterhaltung teilzunehmen.
Arya begegnete Adiras feindlichem Blick und hielt ihm mühelos stand.
"Wenn Ihr mir etwas zu sagen hat, dann sprecht bitter offen."
Aryas Worte veranlaßten die andere Elfe zu einem kurzen, freudlosen Lachen.
"Ich lehne es ab mit einer so vulgären Person sie euch zu sprechen. Bereits eure Eltern haben ja nicht den Wert unserer Tätigkeit erkannt und versucht sie zu hintertreiben. Aber selbst Islanzadi und Evander wäre über euer mangelndes Schamgefühl wohl entsetzt."
Adira schien nicht weiter mit Arya reden zu wollen doch Eragons Gefährtin hielt ihren Blick mit der ihr eigenen Autorität fest und trat einen Schritt näher auf sie zu. Die stumme Aufforderung hinter dieser Geste war klar. Arya verlangte weitere Erklärungen.
Einige Sekunden lang musterten sich die beiden Frauen nur feindselig, dann sprach die Heilerin weiter. Eragon kam jedoch nicht umhin, zu bemerken dass sich eine Spur von Defensive in Adiras Stimme geschlichen hatte.
- "Deine Gefährtin mag nicht mehr die Königin ihres Volkes sein aber in ihr wohnt immer noch große Autorität." - bemerkte Saphira und Eragon konnte sich nur stumm ihrer Meinung anschließen. Dann jedoch konzentrierte er sich auf das was Adira nun sagte.
"Ihr glaubt vermutlich, dass ihr das Mischblut, dass ihr mit euren Gefährten gezeugt habt durch den Segen unseres gegenwärtigen Königs und die Aussagen des Menoa-Baums legitimiert habt aber ich weiß es besser. Ihr nutzt eure Stellung als Drachenreiterin aus um euer schamloses Benehmen zu rechtfertigen. Selbst in unserem Zirkel hab ihr Unsicherheit gesäht. Es kann tatsächlich zu Diskussionen als man von eurer Schwangerschaft erfuhr. Man war sich nicht sicher ob man auch gegen eure Tochter aktiv werden sollte. Schließlich sind wir aber überein gekommen, dass es unsere Pflicht gewesen wäre etwas zu unternehmen wenn ihr der Tradition unseres Volkes gefolgt werden und eure Niederkunft in einem unserer Geburtenhäuser gehabt hätte."
Eragon konnte nur bewundern, dass Arya ob dieser Aussage Adiras kaum Reaktion zeigte. Seine Gefährtin hatte die Arme auf dem Rücken verschränkt und ihre einzige Reaktion auf diese Offenbarung war, dass sich ihre Hände zu Fäusten verkrampften. Weder ihrem Gesicht noch ihrer Stimme merkte man Zorn an. Eragon war jedoch klar, dass seine Gefährtin tiefer getroffen war als ihre Reaktion vermuten ließ. Er erinnerte sich, dass sie während ihrer Schwangerschaft einen Brief aus Du Weldenvarden erhalten hatte in dem man ihr anbot eines der Geburtshäuser aufzusuchen. Die Elfe hatte damals ernsthaft darüber nachgedacht weil sie in dieser Einladung einer Anerkennung ihres Kindes sah. Eragon hatte darüber hinaus den Eindruck gehabt, dass es Arya freute dieser Einladung zu erhalten und es ihre Zuversicht gestärkt hatte. Nun, rückwirkend zu erkennen was wirklich hinter diesem Schreiben stand konnte nur schmerzhaft für die Elfe sein.
Ihrer Antwort fiel jedoch völlig ruhig aus.
"Dann sollte ich wohl froh sein, dass ich mit dieser Tradition gebrochen habe. Es geht hier aber heute nicht um mich oder meine Tochter. Dort sitzen zwei Äfikyn die durch euch viel Schmerz und Leid erfahren haben. Euer Handeln hatte weit reichende Konsequenzen für sie. Eine davon ist, dass ihre Gefährtenschaft zerbrochen ist. Sowohl Bloedgram-Elda als auch Tialva-Älfa-kona sind offensichtlich bereit ihr Kind mit allen Schwächen anzuerkennen. Das Drachenvolk hat durch Voratan deutlich gemacht, dass eure Rechtfertigung, missgebildete Kinder wären eine Beleidigung für unseren Frieden mit den Drachen, nicht zutrifft. Über meine Tochter die das Blut zweier Völker in sich vereint mögt ihr Denken was ihr wollt aber ich habe den Eindruck, dass ihr trotz aller Beweise die vorgelegt wurden immer noch glaubt, im Recht zu sein und zum Wohl aller gehandelt zu haben. Wie begründete ihr das?"
"Genau das ist unsere Frage!" sagte Tialva mit großer Entschlossenheit.
"Im Falle eures Sohnes hatte es absolut praktische Gründe. Er ist stumm. Geboren ohne Stimmbänder. Ihr seid einer der herausragenden Magier unseres Volkes Bloedgram Elda und auch ihr Tialva müsst euch darüber im klaren sein, dass Magie bei uns eine wesentlich größere Rolle spielt als bei den anderen Völkern Alagaesias. Die Fähigkeit sie anzuwenden und in einem gewissen Maß zu nutzen ist in unserer Gesellschaft so selbstverständlich wie die Fähigkeit zu atmen. Wie hätte sich euer Sohn wohl in unserer Gesellschaft behaupten sollen? Aufgrund seiner Unfähigkeit zu sprechen wäre er nur zu ungesagten Zaubern in der Lage. Eine plumpe und unpräzise Anwendung der Magie. Er wäre ein bemitleidenswerter Außenseiter gewesen."
Im Stillen bedankte sich Eragon noch einmal bei Saphira, dass sie ihn an den Beweis, den sie mit führten erinnert hatte. Dies war der perfekte Moment den Gegenstand zu präsentieren den er mit Magie zu sich gerufen hatte. Er trat an Aryas Seite, öffnete ohne weitere Erklärungen das Paket dass er zu sich gerufen hatte und präsentierte den Inhalt indem er die Glasskulptur die er enthüllte auf den von der Sonne beschiedenen Tisch stellte. Augenblicklich stellte sich der einmalige Effekt ein, der diesem Kunstwerk innewohnte. Diese Skulptur stellte einen Laubbaum dar und war von solch filigraner Strucktur, dass unmöglich schien das etwas so zartes und feines überhaupt existierte. Die Laubkrone des in Glas verewigten Baumes bestand aus tausenden von hauchdünnen Glasplättchen die allesamt gestaltet waren wie die Blätter eines echten Waldriesen. Man erkannte nicht nur die typische Form eines Eichenblattes sondern auch die charakteristische Maserung echter Blätter.
Seine ganze Schönheit entfaltete das Kunstwerk jedoch erst wenn es von der Sonne beschienen wurde. Die Lichtstrahlen brachen sich in der gläsernen Struktur und schienen sie förmlich auszufüllen. Der Stamm des Baumes und seine Äste leuchteten strahlend weiß während die einzelnen Blätter das Licht in sämtliche Farben des Regenbogens auf spalteten. Das Kunstwerk schien nicht mehr aus Glas zu bestehen sondern aus reinem Licht erschaffen zu sein.
Eragon gab den Anwesenden einige Sekunden um das Kunstwerk zu bestaunen, dann sagte er in die andächtige Stille hinein:
"Das, Bloedgram, Tialva, hat euer Sohn durch ungesagte Magie erschaffen."
"Unmöglich!" Adira starrte Eragon an und schien geradezu entsetzt zu sein. Der Anführer der Reiter kam nicht umhin diesen Gesichtsausdruck bei der arroganten Elfe zu genießen.
"Ich gebe Adira ungern recht aber....." Bloedgram begann zu sprechen.".... Schattentöter ich habe noch nie davon gehört, dass es einen Magier, ganz gleich ob aus unserem Volk stammt oder nicht, gelungen sein soll etwas derartiges ohne die Verwendung der alten Sprache zu erschaffen. Bei uns gilt im allgemeinen die Tatsache als Wahrheit, dass ungesagte Magie ein plumper Ausbruch von Kraft ist. Grobe Aufgaben lassen sich so bewältigen aber nichts so komplexes so fein gearbeitetes!"
"Hat denn je ein Mitglied eures Volkes versucht ohne die Verwendung von Worten die Anwendung der Magie auf ein solches Niveau zu perfektionieren?"
Eragon deutete auf die Skulptur des kleinen Baumes und blickte in die Runde. Nach einem Moment der Stille fuhr er fort:
"Ich nehme an die Antwort auf meine Frage lautet nein. Warum sollte auch jemand versuchen ungesagte Magie so zu bändigen? Es steht schließlich ein perfektes Mittel zur Verfügung um präzise Aufgaben zu erfüllen. Die alte Sprache. Eurem Sohn allerdings steht sie nicht zur Verfügung. Sowie einem Blinden sein Augenlicht nicht zur Verfügung steht. Doch die Natur nimmt niemals mehr als sie gibt! Das hat mich der trauernde Weise Oromis gelehrt. Jemand den sein Augenlicht versagt bleibt entwickelt ein besseres Gehör als jeder Sehende! Euer Sohn konnte die alte Sprache nicht nutzen also hat er andere Wege gefunden. Sein Wille allein kontrolliert die Magie in einer Form die einzigartig ist."
"So wie auch die Drachen es tun." fügte Arya hinzu. "Auch sie verwenden keine Worte wenn sie ihre Wunder vollbringen. Allein ihr Wunsch etwas zu erschaffen entfesselt ihrer Magie. Vor diesem Hintergrund ist es geradezu vermessen zu behaupten ein Kind, geboren mit dieser Einschränkung, wäre eine Beleidigung für den Frieden. Steht euer Sohn durch seine Anwendung der Magie der Lebensweise der Drachen nicht sogar näher als jeder von uns?"
"Genau sagen kann das natürlich niemand." Eragon ergriff wieder das Wort nachdem er seiner Gefährtin dankbar zugenickt hatte. "Aber es ist möglich. Genau so wie es möglich ist, dass die Kinder die ihr und eure Mitstreiter verstoßen habt Adira so sind wie sie sind beide Natur es so wollte. Vielleicht will sie uns an ihre eigene Vielfalt erinnern und an die Tatsache, dass ein etwas anderer Blickwinkel das Tor zu einer Wahrheit sein kann."
Alle Blicke richteten sich nun wieder auf die Heilerin Adira. Auf dem Gesicht der Elfe zeigte sich nun eine regelrecht gehetzter Ausdruck. Sie wirkte wie ein Beutetier, das von seinen Jägern in die Enge getrieben wurde. Sie sprang vor, ergriff die Glasskulptur und schleuderte den Baum mit der Wucht der Verzweiflung gegen die Wand.
"Ihr versteht es alle nicht. Ich spüre es einfach!"
Adiras Blick war nun fiebrig und sie klopfte sich mit der Hand auf die Brust direkt über ihrem Herzen. "Ich spüre es hier drin. Diese missgebildeten Kinder sind einfach...... sie sind falsch! Ich fühle mich unwohl in ihrer Gegenwart! Ihre Anwesenheit belästigt mich und deshalb müssen sie gehen!"
Der Blick der Elfe flog von einem Gesicht zum anderen und als sie nirgendwo Zustimmung für ihre Worte erblickte strafte sie ihre Gestalt. Noch immer ging ihr Atem stoßweise als sie sagte:
"Ich werde mich jetzt zurückziehen. Ich berufe mich auf mein Recht keine weiteren Aussagen zu machen."
Mit diesen Worten stürmte Adira aus dem Raum. Bloedgram machte Anstalten ihr zu folgen doch Arya hielt ihn zurück.
"Das kann doch nicht die Erklärung sein!" ereiferte sich der Wolfkatzenelf. "Das einige aus unserem Volk Angst hatten, dass die Drachen sich beleidigt fühlen könnten kann ich nachvollziehen. Auch dass man vielleicht glaubt, dass gewisse Behinderungen den Aufbau einer lebenswerten Existenz in unserer Gesellschaft unmöglich machen aber das? Nur weil sie sich belästigt fühlt? So irrationalen Hass kann es doch gar nicht geben!"
"Doch das gibt es mein Freund." unterbrach Arya sanft aber bestimmt." Erinnere dich alter Freund. Während des großen Krieges, als Eragon bei den Zwergen war um die Wahl des neuen Königs zu überwachen schlich sich ein menschlicher Krieger der Varden in das Nachtlager der Urgals und tötete einen von ihnen. Er tat es nicht weil er durch die Gehörnten einen Verlust erlitten hätte oder dieser spezielle Soldat den er im Schlaf erdolchte ihm ein Leid zugefügt hätte. Das hätten die Urgals sogar noch verstanden. Rache respektieren Sie. Aber dieser Varde hatte kein solches Motiv. Seine einzige Begründung war dass er die Urgals verabscheute. Es gibt leider Wesen in allen Völkern die fürchten und verachten was anders ist. Nicht weil eine tatsächliche Gefahr vorliegt oder ihnen ein Unrecht angetan wurde. Sie fürchten und hassen einfach alles andersartige ohne jede Begründung. Weißt du noch was du damals über diesen Mann gesagt hast Bloedgram-Elda?"
Aryas Frage schien für den Wolfkatzenelf einem Schlag ins Gesicht gleich zukommen. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen da er offenbar der Standkraft seiner Beine nicht mehr traute. Als er sprach war seine Stimme nur ein Flüstern:
"Ich sagte, dass man keine Zeit darauf verschwenden sollte einen solchen Mann zu hassen. Jemand der sein Leben so mit Missgunst vergiftet kann einem nur leid tun."
-" Ich glaube nicht, dass ihr euch um Ohren-spitz-Fell-blau-Bloedgram noch Sorgen machen müsst Kleiner."-vermutete Saphira. - "Ich denke er hat nun endgültig verstanden, dass Rache Zeitverschwendung wäre." -
-" Da gebe ich dir recht Saphira. In einem Punkt haben wir uns jedoch geirrt meine Schöne."-
Ein fragendes Gefühl flutete von Saphira aus Eragons Geist.
- "Diese Adira ist nicht wie Vanir. Er war zwar auch am Anfang überheblich aber als ich ihm meine Stärke bewiesen hatte, hat er sich bei mir entschuldigt und sein Verhalten damit begründet, dass er in Sorge um sein Volk war. Seine Ablehnung hatte, aus seiner Sicht, realistische Gründe. Bei Adira ist das anders. Sie besitzt diese Größe nicht und daher stimme ich Bloedgram zu: Sie kann einem eigentlich nur leid tun."-


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