144. Aurelia

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Lächelnd betrachtete Marlena Garaths kleine rote Drachendame. Mit unsicheren Schritten die mehr zu einem Storch als zu einem Drachen passen würden erkundete das Drachenkind die Geheimnisse des Zimmers, dass man ihrem Reiter zugewiesen hatte.
Derzeit erforschte das Küken das Bett. Mit staksigen Schritten bewegte sich das Drachenfräulein über die Matratze und beobachtete aufmerksam wie der Untergrund nachgab.
So gefesselt war das Küken, dass es erst bemerkte, dass es sich einem Bettpfosten näherte als es mit der Brust dagegen prallte. Entsetzt quietschte das kleine Drachenfräulein auf, machte einen Satz rückwärts und ging in Abwehrstellung.
Der Hölzerne Bettpfosten zeigte sich von den nadelspitzen Zähnen der kleinen Drachendame allerdings wenig beeindruckt.
"Alles in Ordnung meine Kleine?"
Garaths besorgte Stimme schallte vom Kleiderschrank seines Zimmers herüber.
Der junge Reiter schloss die hölzerne Tür des Möbelstücks, trat zu seiner Seelenschwester und setzte sich neben sie auf die Bettkannte. Freudig schmiegte sich das namenlose Drachenmädchen an den Oberschenkel seines Reiters, bedachte den Bettpfosten allerdings noch mit einem letzten vernichtenden Blick.
"Ich hoffe dir gefällt das Zimmer?" erkundigte sich Marlena nachdem sie das neue Gespann des Ordens einige Augenblicke lang die Zweisamkeit hatte genießen lassen.
"Es ist wundervoll." bestätigte Garath sofort.
Marlena entging aber nicht die leichte Unsicherheit in der Stimme des jungen Reiters.
"Aber?" fragte sie daher.
"Naja...." räumte Garath ein. "Ist es nicht etwas......"
Er machte eine unbestimmte Geste.
"Etwas viel...?"
Marlena lachte leise. Sie konnte die Sorge des jungen Mannes gut verstehen. Ihr Vater, Eragon, hatte bei der Unterbringung der Schüler stets auf ein gesundes Mittelmaß geachtet. Dank der Magie, die den Reitern im Überfluss zur Verfügung stand, wäre es ohne Probleme möglich gewesen jedes Ordensmitglied fürstlich unter zu bringen. Doch dagegen hatte Eragon stets Stellung bezogen. Drachenreiter sollten sich nicht als über andere erhaben fühlen und in Palästen wohnen.
Nach diesen Vorgaben hatten sich auch Narie und Marek gerichtet. Als die beiden Reiter ihr Heim in Cosaria erbauten, hatten sie auch an Unterkünfte zukünftiger Schüler gedacht.
Die Unterkünfte bestanden aus einem Wohn- und Schlafzimmer in dem auch ein Schreibtisch untergebracht war. Dieser Arbeitsplatz stand vor dem großzügigen Fenster der Unterkunft welches Ausblick über den Jörmundur ermöglichte.
Außerdem stand jedem Schützling ein Waschraum mit einer Badewanne zur Verfügung.
Nach Maßstäben der Elfen oder des Adels war die Unterkunft einfach und schlicht. Für einen Menschen aus dem einfachen Volk jedoch musste es in der Tat luxuriös wirken.
"Mach dir keine Sorgen Garath." versicherte Marlena. "Das hier sind normale Schülerunterkünfte und der Orden kann es sich leisten seine Mitglieder angemessen unterzubringen."
"Danke." erwiderte Garath schüchtern und widmete sich wieder seiner kleinen Drachendame. diese hatte sich inzwischen auf den Rücken gedreht und fischte nach den Fingern ihres Reiters.
"Du solltest dir einen Namen für sie überlegen." schlug Marlena vor.
"Ich?" Garath sah die junge Halbling überrascht an. "Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ich habe nie geglaubt, dass ich ein Reiter sein könnte. Ich hatte ursprünglich gar nicht vor zur Prüfung zu gehen."
"Wirklich?" fragte Kenai.
Der ältere Schüler hatte es gemeinsam mit Marlena übernommen den neusten Novizen des Ordens einzuquartieren. Narie und Marek hatten sich in ihr arbeitszimmerzurückgezogen um die Ordensführung zu informieren, dass der Bund der Reiter um zwei Mitglieder gewachsen war.
"Dafür hattest du aber viel Gepäck bei dir."
Kenai deutete auf den Schrank indem Garath bis vor wenigen Augenblicken seine Habseligkeiten verstaut hatte.
Marlena musste ihrem Freund recht geben. Garath hatte einen gut gefüllten Rucksack bei sich gehabt.
Mehr als dieser 'Umstand irritierte Marlena jedoch, dass Kenais Tonfall gegenüber Garath etwas unterkühlt klang.
Der Jüngere der beiden Schüler schien sich daran jedoch nicht zu stören. Er antwortete bereitwillig:
"Ich wollte weg, weg von meiner Mutter."
Einen Augenblick schwieg Garath betreten. Traurige Erinnerungen holten ihn offenbar wieder ein. Seine Mutter hatte eine schreckliche Szene gemacht als ihr Sohn sich weigerte sie zu begleiten. Jeder Versuch vernünftig mit der Frau zu sprechen war gescheitert.
Jeder der Elena ansprach war wüst beschimpft worden. Dazwischen hatte es immer wieder Phasen gegeben in denen die verzweifelte Mutter ihren Sohn bekniete "Vernunft" anzunehmen und sie nach Hause zu begleiten.
Es hatte Marlena regelrecht wütend gemacht wie Elena ihren Sohn unter Druck gesetzt hatte. Sie hatte alle Register gezogen um den jungen Mann emotional unter Druck zu setzen. Sie hatte die Verantwortung ins Feld geführt die Garath nach dem Tod seines Vaters für die Familie hätte. An die Liebe eines Sohnes appelliert, Tränen vergossen und sich die Haare gerauft.
Mehr als einmal schien Garath ins Wanken zu geraten doch die Weigerung seiner Mutter seine Drachendame zu dulden hatte ihn doch standhaft bleiben lassen.
Jede Weigerung von ihm hatte zu einem Wutanfall bei seiner Mutter geführt.
Gerade dieser plötzliche Umschwung hatte Marlena davon überzeugt, dass Elena nicht wirklich verzweifelt war. Nein, sie wusste einfach genau wo sie bei ihrem Jungen ansetzen musste um ihren willen zu bekommen.
Eragons Tochter fand es einfach nur schäbig. Liebe war das kostbarste Geschenkt, dass man einem anderen machen konnte. Es als Druckmittel gegen den anderen einzusetzen war das Niederste was sich die junge Halbling vorstellen konnte. Besonders von einer Mutter.
Narie hatte es schließlich nicht mehr mit ansehen können wie Elena ihren Schützling unter Druck setzte. Sie und Marek waren schließlich für Novizen des Ordens innerhalb ihres Einflussbereiches verantwortlich und hatten die Pflicht sie zu beschützen.
Sie hatte die Eiwächter schließlich angewiesen die aufgebrachte Frau aus dem Zelt zu schaffen, damit Garath und sein Drache zur Ruhe kommen könnten.
Elena hatte auch dies zu einem Schauspiel ohne jede Würde gemacht. Präfekt Thomas hatte schließlich erneut einschreiten müssen und Elena des Festplatzes verweisen müssen, da die aufgebrachte Frau die ganze Festgesellschaft in Aufruhe versetzt hatte.
Thomas hatte Garaths Mutter schließlich vor die Wahl gestellt entweder friedlich in ihr Heim zurück zu kehren oder er hatte damit gedroht sie über Nacht einsperren zu lassen.
Fast eine halbe Stunde war es hin und her gegangen. Immer wieder hatte Elena versucht eine Diskussion vom Zaun zu brechen. Dabei hatte sie schamlos ausgenutzt, dass alle im Grunde bemüht waren eine friedliche, für alle Seiten gute Lösung zu finden.
Schließlich hatte der Präfekt genug gehabt. Er hatte, wie Marlena auch begriffen, dass eine Diskussion mit Elena zu nichts führte. Sie wollte keine Lösung, keinen Kompromiss. Sie wollte ihren Willen durchsetzen und dazu war weder Präfekt Thomas noch die Drachenreiter bereit.
"Das eine Reiterprüfung stattfinden sollte wusste ich gar nicht." gestand Garath schließlich mit trauriger Mine." Wir wohnen etwas außerhalb der Stadt und meine Mutter hätte mir und meiner Schwester so etwas nie erzählt. "
Garath lachte bitter und blickte zu Marlena und Kenai auf.
"Da würden wir ja nur auf Dumme Gedanken kommen."
"Das wäre wohl auch kein besonders guter Plan gewesen." brummte Kenai. "Auf die Reiterprüfung zu setzen um von deiner Mutter weg zu kommen meine ich."
Erklärend fügte er hinzu:
"Ich meine, es werden nur die Wenigsten tatsächlich auserwählt. Der Orden ist vor mehr als vierzig Sommern neu gegründet worden und trotzdem gibt es immer noch weniger als zweihundert Reiter."
Marlena musste Irucans Reiter recht geben. Im Jahr wurden höchstens vier neue Reiter berufen und es hatte schon Prüfungen gegeben bei dem keines der Eier geschlüpft war und Jahrgänge in denen es nur zwei oder gar einen neuen Reiter gegeben hatte.
Darauf zu hoffen erwählt zu werden um ein neues Leben anzufangen war in der Tat eine Herausforderung an das Glück.
Marlena entging jedoch nicht, dass Kenai nur widerwillig Mitgefühl mit dem anderen Reiter entwickelte.
Sie nahm sich vor den jungen Mann später darauf anzusprechen. Jetzt und hier wollte sie nicht für weitere Konflikte sorgen.
"Ich wollte auf einem Handelsschiff anheuern." gestand Garath indessen ."Heute sollte eins ankommen um dann mit Gütern beladen ins alte Reich zurückkehren."
Garath starrte finster aus dem Fenster.
"Und wenn ich dort zum Landstreicher geworden wäre. Alles wäre besser gewesen!"
"Und deine Schwester?" erkundigte sich Marlena vorsichtig.
Garath zuckte kurz zusammen als hätte ihn ein Peitschenhieb getroffen.
"Sie wollte nicht mit." antwortete er knapp. "Auch wenn sie ebenso leidet wie ich. Aber sie hat mich nicht verraten. Fast einen Monat habe ich mich vorbereitet. Trotzdem konnte ich nicht alles mit nehmen was mir etwas bedeutet. Mutter hätte es ja bemerkt wenn plötzlich etwas gefehlt hätte. Da sind ein paar dinge, mein Vater hat sie mir vererbt, ich....."
Garath brach ab.
Eine drückende Stille breitete sich über die kleine Gruppe aus. Auch Garaths Drachenmädchen stellte ihr Spiel ein und blickte ihren Reiter aus großen Augen an.
"Also, einen Namen brauchst du." murmelte der junge Mann schließlich und begann das Kinn und den Hals seiner Drachendame mit dem Zeigefinger zu kraulen.
Sichtlich genoss das Drachenfräulein die Zärtlichkeit und schnurrte wie ein Kätzchen.
"Was hällst du von Aurelia?" fragte er schließlich.
Kurz unterbrach die kleine rote ihr behagliches Summen und dachte offenbar über den Namen nach.
"Das ist ein Wort aus dem Süden." erklärte Garath. "Es bedeutet "Die Schöne" "
Diese Erklärung löste bei der kleinen Aurelia sichtliche Begeisterung aus.
Marlena konnte darüber nur schmunzeln.
"Dann lassen wir euch zwei mal allein, damit ihr euch einrichten könnt" sagte sie zu Garath und verließ mit Kenai das Zimmer.
Die beiden jungen Reiter traten in den Flur hinaus und lenkten ihre Schritte in Richtung der Freitreppe die den Ersten Stock und die Wohnräume mit dem Erdgeschoss verband.
"Aurelia die Schöne." lächelte Marlena. "Ich finde da hat Garath einen guten Namen gefunden."
Kenai brummte nur.
Marlena ging langsamer und beobachtete den jungen Mann. Kenai blickte stur gerade aus.
Marlena hatte genug. Sie griff nach dem Arm des anderen Reiters, zog ihn zu sich herum und fing seinen Blick ein.
"Was?" fragte Irucans Reiter und klang dabei abweisend.
"Was ist los mit dir?" wollte Marlena wissen. "Magst du Garath nicht?"
"Doch," Kenai kratzte sich am Kopf und druckste weiter :"Es ist nur, du scheinst ihn ja sehr.....ich meine....."
Marlena brauchte einige Augenblicke, dann jedoch fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.
"Du bist eifersüchtig." flüsterte sie.
Am Rande ihres Bewusstseins spürte die junge Halbling, dass Alonvy die Gedanken ihrer Reiterin verfolgt hatte und sich königlich amüsierte.
Marlena dachte einen Augenblick nach, dann beschloss sie in die Offensive zu gehen.
Kenai suchte immer noch nach den richtigen Worten kam jedoch nicht zum Zug. Marlena ergriff sein Wams, zog den jungen Mann zu sich heran und hauchte ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen.
Marlena spürte wie ihr Kuss erwidert wurde und gestand sich zu es einige Sekunden zu genießen.
Als sie sich voneinander lösten setzte Kenai an etwas zu sagen, doch erneut war Marlena schneller: sie kniff den anderen Reiter so fest sie konnte in den linken Oberarm
"Aua!" jaulte Kenai völlig überrascht. "Was sollte das denn jetzt?"
"Das" Marlena deutete auf die Lippen des jungen Mannes. "Das bekommst nur du von mir. Und das!"
Sie deutete auf den Arm den Kenai entgeistert rieb.
"Das war dafür, dass du ein solcher Trottel bist. Ich warne dich!"
Manend hob die junge Halbling den Zeigefinger um ihre Worte zu unterstreichen.
"Ich werde nicht aufhören nett zu anderen männlichen Wesen zu sein nur weil du das gerne so hättest."
Verlegen rieb sich Kenai den Arm.
"Jetzt wo wir darüber geredet haben weiß ich, dass es dumm von mir war." räumte Kenai kleinlaut ein. "Es ist nur, du scheinst so besorgt um Garath."
Marlena legte den Kopf in den Nacken und atmete tief durch.
"Das hat doch nur bedingt etwas mit Garath selbst zu tun. Ich kenne ihn doch kaum." Marlena verschränkte die Arme vor der Brust. "Es geht um Aurelia."
Sie entfernte sich ein paar Schritte von Kenai und begann zu erklären:
"Kenai, wir waren dabei als dieses Drachenmädchen geboren wurde. Ihre eltern haben sie uns anvertraut! Es ist für mich das erste mal, dass mir ein wilder Drache so vertraut! Ich habe mir geschworen auf diesen kleinen Drachen aufzupassen und dafür zu sorgen das sie es gut hat. Und jetzt....?"
Die junge Halbling machte eine hilflose Geste.
Kenai nickte verstehend.
"Elena." brummte er.
Irucans Reiter überlegte einen Moment.
"Manchmal frage ich mich ob rote Drachen eine Schwäche für schwierige Reiter haben."
"Du meinst wegen Dorn?" erkundigte sich Marlena.
"Auch wegen Meisterin Kira." ergänzte Kenai. Inzwischen setzten die beiden jungen Reiter ihren Weg zur Treppe fort. "Du weißt doch, dass deine Tante praktisch auf der Flucht war als sie berufen wurde."
Marlena nickte. Sie kannte Naries Geschichte. Den Verrat ihres Vaters an ihrer Mutter. Naries Verzweiflung als sie von ihrem eigenen Volk gemieden wurde.
"Aber der Drache meines Schwagers Cale ist auch rot und Cale....."
"Hatte seinen Vater verloren, keine gute Beziehung zu seinem Onkel bei dem er aufwuchs und einen schweren Stand weil er das Blut eines erklärten Gegners der Menschen in sich trug."
Marlena musste Kenai recht geben.
"Trotzdem glaube ich nicht, dass das etwas mit der Schuppenfarbe zu tun hat." beharrte sie. "in jedem Fall werde ich alles tun um Garath und Aurelia zu helfen und sie zu beschützen. 'Und ich fange damit an, dass ich seine Mutter aufsuchen werde um die Erbstücke zu holen die Garath vermisst."
"Ich begleite dich." legte Kenai sofort fest.
"Schlechtes Gewissen?" fragte die junge Halbling mit schiefem Grinsen im Gesicht.
Bedeutungsvoll rieb sich Kenai den Arm.
"Ich habe gebüßt." erklärte er, wurde dann aber ernst. "Ich möchte dich einfach nicht mit Elena allein lassen."
Er hob abwehrend die Hände als Marlena zum Protest ansetzte.
"Ich weiß, dass du auf dich aufpassen kannst und ich glaube auch nicht, dass sie dich angreifen wird. Aber....."
Er suchte nach den richtigen Worten.
"Du hast doch gemerkt wie gedrückt die Stimmung auf dem Festplatz war, nach Elenas Auftritt. Damit....."
Er machte eine unbestimmte Geste mit der er das ganze Verhalten der besessenen Mutter umschrieb.
"Damit will ich dich nicht allein lassen."
Marlena dachte darüber nach, dann lächelte sie.
"Danke."






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