155. Angst um die Babys I

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Veröffentlicht am 20.06.2021

TABEA
Am Abend kommt Frederik und bringt mir Kleidung vorbei. Ich ziehe mich um und lege mich wieder ins Bett. Die Rückenlehne ist hochgestellt.

Frederik sitzt auf einem Stuhl neben dem Bett.
Frederik:"Wie geht es Dir?"
Ich:"Das fragst du inzwischen zum gefühlt tausendsten Mal. Mir geht es gut."
Frederik:"Ich mach mir halt Sorgen. Versprich mir, dass wen sich was ändert, dass du klingelst und es sagst."
Ich:"Das mach ich. Wobei ich davon ausgehe, dass es mir weiterhin gut geht und ich morgen nach Hause darf."
Frederik:"Das hoffe ich auch." und schaut kurz zum Fenster und dann wieder zu mir. "Da kommt was auf uns zu. Zwillinge."
Ich nicke.
Frederik:"Wenn meine Eltern das erfahren."
Ich:"Bringe es ihnen ruhig bei. Die Begeisterung bei nur einem Kind hielt sich schon in Grenzen."
Frederik:"Anfangs ja. Inzwischen freuen sie sich darauf nochmal Großeltern zu werden."
Ich nicke leicht.
Frederik:"Hast du einen anderen Eindruck?"
Ich zucke mit den Schultern.
Sein Blick wird fragend.
Ich:"Ich glaube, sie hätten es lieber gesehen, wenn Charlotte schwanger wäre. Sie haben mich zwar akzeptiert, aber dass wir ein Kind bekommen, und das in deinem Alter."
Frederik:"Was soll das denn heißen? Mit 46 darf ich doch wohl nochmal Vater werden."
Ich:"So habe ich das nicht gemeint. Natürlich darfst du es und wirst es auch. Für mich ist das kein Problem."
Frederik:"Und meine Eltern müssen sich damit abfinden. Ich weiß, dass es anfangs für die schwer war zu verstehen, dass ich eine Freundin habe und dann noch viele Jahre jünger. Sie haben es inzwischen akzeptiert."
Ich nicke.
Frederik:"Hey. Sie wollen uns nichts Böses. Wirklich nicht. Sie mögen dich. Warum sonst fragen sie nach dir und wie es dir geht?"
Ich:"Stimmt auch wieder."
Frederik:"Sie werden uns unterstützen. Bei zweien werden wir die Hilfe gut gebrauchen können."
Ich:"Mm."
Frederik:"Irgendwie bist du wortkarg. Was ist los?"
Ich:"Ich kann es noch nicht glauben, dass es zwei werden. Eins hätte mir gereicht."
Frederik:"Mir hätte auch eins gereicht, wobei jeder das bekommt was er schafft und vielleicht sind es zwei, weil unser verlorenes Kind dabei ist."

Soweit hatte ich nicht gedacht.
Frederik:"Entschuldige. Ich wollte das Thema nicht hochholen."
Ich:"Ist schon okay."
Er nimmt meine Hand. "Wir schaffen das zusammen." und lässt meine Hand los. "Weißt du, wir könnten beide in Elternzeit gehen. Gemeinsame Zeit zu Hause. Das wird schön. Emma und Lisa sind anfangs auch mit dabei."
Ich:"Es wäre eine Option."
Frederik:"Was schlägst du vor?"
Ich:"Mich überrannt es gerade. Ich brauche Zeit zum Nachdenken."
Frederik:"Die gebe ich dir, wobei so viel Zeit haben wir nicht mehr. Zwillinge kommen öfter früher. Da sollten schon gewisse Dinge geplant sein, wie wer in Elternzeit geht, welchen Kinderwagen wir nehmen. Kinderbett haben wir noch von Klara und dann holen wir uns eins dazu. Vielleicht haben Michel und Lara ihres noch. Dann geben sie es bestimmt uns."
Ich:"Ja, fragen können wir sie mal."
Frederik:"Ich rufe Michel morgen mal an."
Ich nicke.
Frederik:"Und jetzt lass ich dich mit dem Thema in Ruhe. Ich sehe, dass du Ruhe brauchst."
Ich:"Das ist lieb von dir."
Frederik nimmt meine Hand. "Ich bin immer für dich da. Ich liebe dich."
Ich:"Ich liebe dich auch."
Er kommt mir näher und küsst mich. Danach umarmen wir uns.

Die Umarmung löst sich.
Frederik:"Ich fahre nach Hause. Ich komme morgen früh wieder."
Ich:"Fahr vorsichtig. Bis morgen."
Er gibt mir einen Kuss und dann verlässt er das Zimmer.

FREDERIK
Ich verlasse das Zimmer. Ich gehe zur Schwesternkanzel und sehe, dass Dr. Saskia Smolka eine Übergabe an Dr. Miriam Dietz macht. Ich gehe hinein.
Ich:"Hallo. Ich will nicht stören. Ich wollte nur mitteilen, dass ich nach Hause fahre. Wenn was ist könnt ihr mich jederzeit anrufen."
Saskia:"Das wird Miriam heute Nacht machen, wobei wir davon ausgehen, dass die Nacht ruhig sein wird und Tabea morgen entlassen wird."
Ich:"Das hoffe ich auch. Bis morgen."
Saskia:"Bis morgen."
Ich verlasse die Station und gehe nach Hause.

TABEA
Ich schaue Fernseh, ehe ich um 22 Uhr den ausstelle und mich schlafen lege.

In mir kreisen Gedanken. Zwillinge. Ich wollte nicht mal ein Kind und jetzt werden es zwei. Frederik freut sich auf die beiden. Ich frage mich, wie ich es schaffen soll. Kann ich es überhaupt schaffen? Man wächst mit seinen Aufgaben. Vielleicht sollte ich an mich glauben.

Ich schlafe ein.

Um 2 Uhr wache ich auf. Ich merke, dass mein Bauch zuckt. Ich lege meine Hände auf das T-Shirt über meinen Bauch.
Ich:"Seit ihr auch wach?"
Habe ich wirklich >>ihr<< gesagt? Ich lächel.
Ich:"Ihr zwei. Ihr seit also diejenigen, für die ich Übelkeit ertragen habe. Für die ich einen Bauch bekomme. Für die ich meine Schlankheit abgebe. Und wenn ich so darüber nachdenke, dann mach ich das gerne. Schließlich bekomme ich dafür euch. Zwei Wunder, die entschieden haben in mein Leben zu wollen."

Mein Bauch zuckt weiter. Ich spüre, dass etwas nicht stimmt. Ich nehme die Klingel und drücke sie.
Schwester Anna kommt herein.
Anna:"Hallo Tabea. Was kann ich für dich tun?"
Ich:"Irgendwas stimmt nicht. Mein Bauch zuckt."
Anna:"Ich rufe Miriam an. Sie hat heute Nachtdienst."
Ich:"Miriam auf der Gynäkologie?"
Anna nickt. "Personalmangel."
Sie telefoniert und kommt wieder zu mir. "Sie ist gleich da."
Ich:"Es wird jetzt besser."
Anna:"Hat das Zucken aufgehört?"
Ich nicke.

Miriam kommt herein. "Was ist los?"
Anna:"Ihr Bauch hat gezuckt."
Miriam:"Ok. Wie lange war das?"
Ich:"Ich weiß es nicht genau. 5 Minuten. Vielleicht auch mehr."
Miriam:"Wie fühlte es sich an?"
Ich:"Komisch. Falsch."
Miriam kommt zu mir ans Bett. "Hattest du das schon mal?"
Ich:"Nein."
Miriam:"Ich würde gerne einmal deinen Bauch abtasten."
Ich mache meinen Bauch frei.
Miriam fasst ihn vorsichtig an.
Miriam:"Aktuell keine Zuckungen. Wie fühlst du dich?"
Ich:"Ich bin irritiert. Es fühlte sich falsch an. Das passte so nicht."
Miriam:"Ich werde ein Sono machen." und schaut zu Anna. "Bringst du sie mir bitte in den Behandlungsraum?"
Anna:"Ja, das mach ich." und schaut zu mir. "Ich hole einen Rollstuhl." und verlässt das Zimmer.
Miriam ist bereits gegangen.

Ich nehme mein Handy. Ich schreibe eine Whatsappnachricht an Frederik.
>>Hallo Freddy,
Miriam macht gleich ein Sono. Ich glaube, es stimmt was nicht. Kannst du bitte kommen?
Tabea<<
Ich lege mein Handy zur Seite.

Anna kommt mit den Rollstuhl rein. Ich setze mich rein. Sie schiebt mich in den Behandlungsraum, wo Miriam auf uns wartet. Ich lege mich auf die Liege und mache meinen Bauch frei.

Miriam sitzt auf einem Stuhl mlt Rollen neben der Liege und macht das Ultraschall.
In ihrer Mimik sehe ich, dass was nicht stimmt.
Ich:"Was siehst du?"
Miriam atmet tief durch. "Ich sehe einen Zwilling, dem es gut geht. Es ist aktiv.", stockt, "und ich sehe einen Zwilling, welcher leicht zuckt. Ich möchte sofort ein MRT machen." und schaut zu mir. "Ich weiß, dass das in der Schwangerschaft nicht gut ist. Doch hier geht es um das Baby und ich möchte wissen, ob und warum es zuckt, evtl. krampft."
Ich:"Krampft?"
Miriam:"Rein vom Bild her könnte es sein. Bist du mit dem MRT einverstanden?"
Ich nicke.
Miriam:"Ich ordne es an. Anna bringt dich hin. Und ich rufe Saskia an und bitte sie zu kommen."
Ich:"Ok."
Miriam:"Soll ich Frederik anrufen?"
Ich:"Ja, bitte."
Miriam:"Das mach ich."

Ich putze meinen Bauch ab, setze mich in den Rollstuhl und werde zum MRT gefahren. Dort komme ich direkt dran. Ich liege in der Röhre und hoffe, dass alles gut ist. Doch ich weiß auch, dass krampfende Ungeborene nicht gut sind.

FREDERIK
Ich höre das kurze läuten meines Handys. Ich schaue darauf und lese die Nachricht von Tabea.
Sofort stehe ich auf, ziehe mich an, verlasse die Wohnung, steige ins Auto und fahre zur Klinik.

Plötzlich sehe ich, dass die Klinik anruft.
Ich:"Seehauser."
Miriam:"Klinik am Südring. Dietz. Hallo Frederik."
Ich:"Miriam. Wie geht es Tabea?"
Miriam:"Deshalb rufe ich an."
Ich:"Was zeigt das Ultraschall?"
Miriam:"Du weißt schon, dass sie ein Sono hatte?"
Ich:"Ja. Sie hat es mir geschrieben. Wo ist sie jetzt?"
Miriam:"Sie ist im MRT."
Ich:"MRT? Warum das?"
Miriam:"Frederik. Komm erstmal hier an und dann erkläre ich dir alles. Versuch ruhig zu bleiben. Saskia ist auch auf dem Weg."
Ich:"Ok. Bis gleich."
Das Gespräch endet.
MRT in der Schwangerschaft? Dann muss es was Ernstes sein. Wenn Saskia nachts zur Klinik kommt, dann muss es auch was Ernstes sein.

Das verlorene KindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt