127. Warum macht sie das?

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Veröffentlicht am 14.05.2020

TABEA
Es ist Ende Januar. Die Zeit rannte so dahin.

Zwei Tage vor Heilig Abend kam endlich die Küche an. Helga ließ uns zwar mehr machen, aber ich merkte schon, dass es ihr schwer fiel. Sie ging oft mit Karl spazieren, wenn ich oder Frederik was in der Küche machten. An Karls Mimik merkte ich, dass er keine Lust dazu hat, es seiner Frau zu Liebe macht. Karl ist eher der Tüftler und werkelt im Keller. Bewegung schadet ihm nicht, aber täglich 2-3 Stunden, das war doch wohl viel.
Jetzt ist die neue Küche da. Schlicht, so wünschte es sich Frederik. Mir reicht es, denn es ist alles da, was gebraucht wird. Und seitdem die Küche da ist verbringen wir viel weniger Zeit unten.

Über die Weihnachtstage war viel los. Michel, Lara, Fritz (9) und Anne (5) waren da. Am 1.Weihnachtstag auch Catharina, Robert, Lennox (17), Lucy (21), Felix (22) und Carlotta (2). Am 2.Weihnachtstag waren Silas, Inka und Tessa (13) da. Es war immer was los.
Frederik hatte die Feiertage über Urlaub genommen; ich hatte Frühschicht.

Silvester verbrachten wir mit seiner Familie. Am nächsten Tag reiste sein Bruder mit Familie ab.

Inzwischen sind ein paar Wochen vergangen und der Alltag ist wieder da. Wir gehen beide arbeiten und kümmern uns zusammen um Emma.

Die Renovierung meiner Wohnung geht voran. Nachdem ich keine Miete mehr gezahlt habe hat der Vermieter damit begonnen sie zu renovieren, denn soweit ich rein kann zahl ich wieder. Und somit tut sich da nun was. Zum 15.Februar möchte er fertig sein.

Und dann ziehe ich zurück, nachdem ich 4 Monate bei Frederik gewohnt habe. Ich weiß, dass Frederik es nicht möchte. Ich weiß nicht, ob ich schon bereit bin für immer dort zu wohnen. Noch ist es auf Zeit und der Gedanke gefällt mir. Andersherum weiß ich, dass wenn ich in Köln wohne, dass ich Frederik und Emma weniger sehen werde. Er müsste sich mehr aufteilen.

Ich sitze im Aufenthaltsraum als Dr.Miriam Dietz rein kommt.
Miriam: "Hi Tabea."
Ich:"Hi."
Sie setzt sich an den Tisch. "Wie geht es dir?"
Ich:"Gut und selbst?"
Miriam:"Soweit auch, wenn da nicht der Streit mit meinem Vermieter wäre."
Ich:"Streit? Warum?"
Miriam:"Er möchte alle Wohnungen im Haus sanieren. U.a. sollen wir einen Balkon bekommen. Wir wollen das nicht. Wir sind zufrieden mit dem was wir haben."
Ich:"Wobei Balkon klingt gut."
Miriam:"An sich schon, aber auf den Baulärm und vor allem Schmutz kann ich verzichten. Zumal dann tagelang ein Loch in der Außenwand ist. Zwar wird es abgedeckt, aber die Kälte kommt trotzdem rein. Und die Arbeiten dauern Wochen, denn alle Räume sollen neu gestrichen werden. Im Wohnzimmer und Küche soll neuer Boden verlegt werden. Das ist uns zu viel. Und am Ende wird die Miete erhöht."
Ich:"Hat er gesagt, dass er die Miete erhöht?"
Miriam:"Ja. Zwar erst drei Monate nach Abschluss der Bauarbeiten, aber um 25 Prozent."
Ich schaue sie entsetzt an.
Miriam:"Genauso haben wir auch geschaut. Erst wochenlang Lärm und Schmutz, Räume, welche wir nicht nutzen können, und dann mehr Geld zahlen. Das wollen wir nicht."
Ich:"Und was wollt ihr machen?"
Miriam:"Wir gehen dagegen vor. Reden hilft nicht, also kümmert sich nun unsere Anwältin Ariane Paulus darum."
Ich:"Und ihr meint das bringt was?"
Miriam zuckt mit den Schultern. "Frau Paulus meint, dass er es so oder so machen wird und dass wir mit der Methode Zeit rauszögern. Vermutlich wird er uns kündigen."
Ich:"Keine schöne Aussicht."
Miriam:"Nee. Vor allem nicht, wenn man die Mietpreise sieht. Ich möchte gerne weiter in der Nähe der Klinik wohnen und nicht eine halbe Stunde fahren müssen."
Ich schaue sie an mit dem Blick, das mach ich.
Miriam:"Ich weiß, du machst das, aber auch nur auf Zeit. Was macht eigentlich deine Wohnung? Gibt es schon ein Datum zum Einzug?"
Ich:"Voraussichtlich 15. Februar."
Miriam:"Das ist schon bald. Freust du dich darauf?"
Ich zucke mit den Schultern.
Miriam:"Möchtest du lieber bei Frederik bleiben?"
Ich zucke wieder mit den Schultern.
Miriam:"Du weißt es nicht, stimmt's?"
Ich nicke.
Miriam:"Welche Gedanken hast du denn wenn du an den Umzug denkst?"
Ich:"Gespaltene. Einerseits zurück in mein Heim, andererseits verlasse ich eine Familie. Wenn ich zurück gehe, dann sehe ich Frederik weniger wie jetzt. Ich frag mich, wie unsere Beziehung das mit macht."
Miriam:"Sie wird sich verändern, aber tut sich das nicht jede Beziehung mit der Zeit? Wobei in eurem Fall wird es ein großer Einschnitt sein. Was hältst du denn davon dort wohnen zu bleiben?"
Ich zucke mit den Schultern.
Miriam:"Was hält dich davon ab?"
Ich:"Ich weiß es nicht."
Miriam:"Das glaub ich dir nicht. Du denkst doch nicht erst seit gerade darüber nach, sondern auch schon vorher."
Ich weiche ihr mit dem Blick aus.
Miriam:"Was ist los?"
Ich:"Ich weiß nicht, ob es gut ist wenn ich da bleibe. Ich mag Frederik sehr, Emma ist mir auch wichtig, aber seine Eltern. Die denken, dass ich wieder ausziehe und ich glaube, seine Mutter freut sich sogar darüber."
Miriam:"Glauben ist nicht wissen und so wie ich den Vater einschätze hat er kein Problem damit. Mit der Mutter kommst du doch jetzt auch besser zurecht."
Ich:"Ja, weil es auf Zeit ist."
Miriam:"Aus Zeit kann immer werden.", stockt, "Du solltest das klären bevor du ausziehst, denn eigentlich findest du es gut dort, denn du nennst es Familie. Und wenn du es dort nicht mögen würdest, würdest du es nicht Familie nennen."
Ich:"Mmh."
Miriam:"Kann es sein, dass du dich nicht binden möchtest?"
Ich schaue sie fragend an.
Miriam:"Zurzeit ist es auf Zeit. Wenn du dort bleibst ist es für immer. Noch hast du die Möglichkeit zurück zu gehen, eine Ausweichmöglichkeit. Die hast du dann nicht mehr. Du würdest dich an ein Zuhause binden."
Ich nicke.
Miriam:"Und das fällt dir schwer, weil du es vermutlich noch nie musstest."
Ich:"Ich habe immer meine eigene Wohnung gehabt. Es hat zwar mal jemand mit mir zusammen gewohnt, aber in meiner Wohnung, und es war nur kurz. Und jetzt wohne ich das erste Mal bei jemand anderem. Wenn ich dort bleibe, dann habe ich keine Rückzugsmöglichkeit. Was wenn wir uns streiten? Dann kann ich nicht weg."
Miriam:"Nee, dann redet ihr miteinander."
Ich:"Und wenn ich mal alleine sein möchte geht das nicht."
Miriam:"Warum nicht?"
Ich:"Weil es dort keinen Raum für gibt."
Miriam:"Der lässt sich finden. Du kannst ins Schlafzimmer gehen."
Ich:"Ja, könnte ich."
Miriam:"Es gibt immer eine Möglichkeit. Du musst sie nur zulassen."
Ich schaue auf den Tisch.
Miriam:"Denk nochmal in Ruhe darüber nach."
Ich schaue zu ihr. Da geht mein Pieper und ich verlasse den Raum.

Das verlorene KindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt