Das verlorene Kind

182. Aufgeben III

Veröffentlicht am 29.08.2024

DR. CATHARINA ENGEL
Das Handy klingelt kurz. Da ich auf eine Nachricht von meinem Sohn warte schaue ich sofort darauf. Ich erschrecke mich kurz, als ich lese, dass es Tabea ist. Zeitgleich freue ich mich darüber.

Ich wollte antworten, da ruft Johanna an. Sie erzählt mir was passiert ist und das Tabea im Krankenhaus liegt. Es scheint, als hätte sie sich ihr gegenüber ein wenig geöffnet. Sie erzählt mir auch, was Tabea über mich gesagt hat. Das sieht sie falsch. Ich mache das gerne und sie ist doch auch quasi Familie. Schließlich ist Emma die Halbschwester von Leo.

Nachdem wir das Gespräch beendet habe spreche ich mit meinem Mann. Er befürwortet es, dass ich nach München zu ihr fahren soll.

Ich rufe Miriam, Oliver und Prof. Filou an um mitzuteilen, dass Tabea gefunden wurde. Prof. Filou stimmt einer Aufnahme in der Klinik am Südring zu. Da stellt sich nur die Frage ob Tabea verlegungsfähig ist.

Ich packe meine Sachen. Währenddessen bucht Robert mir ein Zugticket nach München. Er bringt mich zum Bahnhof. Die Nacht werde ich somit  im Zug verbringen.

DR. CATHARINA ENGEL
15.05.
Nach zweimal umsteigen komme ich in München an. Sofort fahre ich mit einem Taxi zum Krankenhaus und gehe zu Tabeas Zimmer.

Ich klopfe an, öffne die Tür, gehe rein und schließe sie wieder. Ich gehe ein paar Schritte auf Tabea zu welche mich überrascht anschaut.
Ich: „Hallo Tabea“, stelle meinen Koffer an die Wand und gehe zu ihr ans Bett.
Tabea: „Hallo Cati.“
Ich: „Was machst du nur für Sachen. Ich habe nichts dagegen, dass du reisen möchtest. Beim nächsten Mal sagst du mir bitte vorher Bescheid.“ und möchte sie in den Arm nehmen. Sie zeigt keine Gestik das auch zu wollen. Stattdessen schaut sie an die Decke. Daher umarme ich sie nicht.
Ich setze mich auf die Bettkante. „Mir  erspart das ein paar graue Haare und wache Nächte.“
Tabea: „Das wollte ich nicht, dass du dir Sorgen machst.“
Ich: „Was hast du denn gedacht wie ich damit umgehe?“
Tabea zuckt mit ihren Schultern.
Ich: „Niemand wusste wo du bist. Da macht man sich als Freundin schon Sorgen. Du bist eine Freundin von mir. Sogar mehr. Du bist Teil der Familie.“
Tabea schaut zu mir. Ich sehe, dass sie rot im Gesicht geworden ist.
Ich: „Du gehörst dazu.“
Tabea schüttelt ihren Kopf.
Ich nicke. „Ich bin für dich da.“
Tabea: „Das musst du nicht. Ich bin nur eine Last.“
Ich: „Das bist du nicht. Du bist wunderbar, so wie du bist.“
Tabea schaut wieder zur Decke. Ich sehe, wie Tränen bei ihr fließen.  Sie schaut direkt zur anderen Seite.
Ich: „Du hast so viel erlebt. Und du warst in deinem Leben oft alleine. Du hast vieles alleine durchstehen müssen. Das ist jetzt anders. Du hast Menschen, welche dich mögen und welche für dich da sein wollen.“
Ich sehe wie sie Tränen wegwischt.
Ich: „Ich bin für dich da und du bist keine Last für mich. Darf ich dich umarmen?“
Tabea schüttelt ihren Kopf. Ich merke, dass sie mehr weint.
Ich streichle ihr über den Arm.
Langsam schaut sie zu mir. „Warum machst du das? Du könntest ein einfacheres Leben haben ohne mich.“
Ich: „Mit dir ist es viel schöner“, beuge mich zu ihr und nehme sie in den Arm. Sie umarmt mich auch.
Ich höre wie sie weint. Ich versuche ihr Halt zu geben.

Nach einer Zeit beruhigt sie sich und die Umarmung löst sich auf.
Tabea: „Ich bin nichts wert.“
Ich: „Du bist viel wert.“
Tabea schüttelt ihren Kopf. „Ich spüre nichts mehr wenn ich bei Leo bin. Es ist leer. Wenn ich an ihn denke, dann bekomme ich Angst, aber keine Freude. Ich trau mich nicht zu ihm zu gehen, weil ich Angst habe,  dass er geht. Ich fühle mich schlecht, denn als Mutter sollte ich für ihn da sein und ihm Liebe geben.  Ich kann das nicht. Ich fühle keine Liebe für ihn.“ Tränen fließen bei ihr.
Ich: „Tief im Inneren fühlst du es schon. Denn sonst würdest du nicht so viel an ihn denken.“
Tabea: „Ich bin keine gute Mutter.“
Ich: „Das bist du doch.  Es braucht Zeit. Gerade in deiner Situation. Da ging alles sehr schnell. Da kann es schon vorkommen,  dass es dauert bis die Gefühle da sind. Und Angst ist übrigens auch ein Gefühl.“