Veröffentlicht am 26.02.2020
EMMA
Es ist Anfang Mai.Mittwochnachmittag. Ich sitze auf dem Sofa im Hort und denke nach.
Für die 3.Klassen steht ein Mutter-Kind-Ausflug an. Frau Fara, meine Klassenlehrerin, geht davon aus, dass alle mitkommen. Die anderen Kinder freuen sich sehr darauf. Keine Schule und dafür mit Mama zusammen was machen. Ich freue mich nicht. Ich habe keine Mama mehr. Alle anderen haben eine Mama. Ich habe es meinen Mitschülern nicht gesagt, weil ich nicht möchte, dass sie es wissen. Manche wissen es, weil sie mit mir im Hort sind, aber wir sprechen da nicht drüber. Frau Fara weiß es und meinte zu mir, dass mein Vater mitkommen könnte oder eine gute Freundin oder Tante. Das ist doch blöd wenn alle mit ihren Mamas da sind und ich mit Papa. Das ist für Papa auch blöd als einziger Mann unter den Frauen.
Ich habe den Zettel wo drauf steht, dass der Ausflug ist mit einer Wandertour nach Köln, ins Aquarium gehen und anschließendes Grillen schon seit zwei Wochen in meiner Schreibtischschublade versteckt. Ich möchte nicht, dass Papa ihn findet. Allerdings weiß ich auch nicht wie ich den Tag verbringen soll, denn zur Schule und Hort kann ich am Freitag nicht.Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als eine Erzieherin sich neben mir aufs Sofa setzt.
Erzieherin:"Na Emma. Möchtest du nicht mit den anderen spielen?"
Ich schüttel den Kopf.
Erzieherin:"Ist in der Schule was gewesen, worüber nachdenkst?"
Schnell schüttel ich den Kopf.
Erzieherin:"Kann ich irgendwas für dich tun?"
Wieder schüttel ich den Kopf.
Erzieherin:"Wenn doch, dann kannst du jederzeit zu mir kommen, ok?"
Ich:"Ok."LUCY (20)
Es ist kurz vor 17 Uhr als ich mit Carlotta (1) im Kinderwagen Emma abhole. Eigentlich wollte Mama sie abholen, doch der Arzttermin mit meinem Bruder Lennox (16) dauert länger. Somit mache ich es, wobei es mit Vorlesung bis um 15 Uhr, mit der Bahn von Köln nach Erfstadt, Carlotta aus der Kita abholen und jetzt Emma zeitlich sehr eng ist und auch anstrengend.Ich gehe in den Hort. Eine Erzieherin sieht mich und kommt auf mich zu.
Erzieherin:"Hallo Lucy. Du möchtest bestimmt Emma abholen?"
Ich kenne die Erzieherin von früher. Ich war auch schon bei ihr im Hort.
Ich:"Ja." und schaue mich im Raum um.
Erzieherin:"Emma spielt mit den Bauklötzen. Allerdings wirkt sie heute sehr nachdenklich, als wenn sie was bedrücken würde. Weißt du da was?"
Ich:"Nein. Ist in der Schule was gewesen?"
Erzieherin:"Nichts was mir mitgeteilt worden ist. Leider wollte sie nicht mit mir sprechen. Vielleicht hast du da mehr Erfolg."
Ich:"Ich versuch es." und gehe zu Emma. "Hallo Emma."
Sie erschrickt als sie mich hört und ihr gebauter Turm fällt um.
Ich:"Oh nein. Ich wollte dich nicht erschrecken." und gehe auf die Knie.
Emma:"Schon ok. Ich räum das auf und dann können wir gehen."
Ich:"Ich helfe dir."
Emma sagt ernst:"Das brauchst du nicht. Ich mach das alleine."
Ich:"Aber ich möchte dir helfen."
Emma:"Nein!"
Ich stelle mich hin und warte bis sie aufgeräumt hat. Danach verabschieden wir uns.Als Emma fertig angezogen ist und ihre Schultasche auf dem Rücken hat gehen wir nach Hause.
Emma geht neben mir und versucht auf den Ritzen zwischen den Steinen zu balancieren.
Ich:"Das habe ich früher auch gemacht."
Emma:"Und warum jetzt nicht mehr?"
Ich:"Weil ich irgendwann damit aufgehört habe."
Emma:"Wahrscheinlich bist du zu alt dafür geworden."
Ich grinse. "Wahrscheinlich."Einen Moment beobachte ich es.
Ich:"Wie war heute die Schule?"
Emma:"Gut."
Ich:"Ist irgendwas besonderes gewesen?"
Emma:"Nein."
Ich:"Hattest du Streit mit jemanden?"
Ihre Stimme wird genervt. "Nein."
Ich:"Deine Erzieherin hat mir erzählt, dass du heute nicht mit den anderen Kindern gespielt hast. Warum war das so?"
Emma:"Darum! Gibt es kein anderes Thema außer Schule?" und rennt vor.
Ich laufe hinter ihr her.An der Straßenecke bleibt sie, wie gewohnt, stehen.
Ich hocke mich zu ihr. "Irgendwas ist doch?"
Emma:"Nein. Ich will nach Hause."
Ich:"Papa holt dich später bei uns ab."
Emma:"Ich will zu meinem nach Hause."
Ich:"Wir gehen jetzt zu uns."
Widerwillig kommt sie mit. Ich sehe an ihrer Mimik, das was nicht stimmt, aber spreche sie nicht weiter darauf an. Sie möchte gerade nicht darüber sprechen und ich akzeptiere es.
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Das verlorene Kind
FanfictionDr. Charlotte Engel ist 32 Jahre, Ärztin und arbeitet in der Klinik am Südring. Sie ist eine gute, beliebte Ärztin. Von ihren Kollegen wird sie sehr geschätzt, u.a. für ihre einfühlsame Art, wie auch ihrer Hilfsbereitschaft. Sie versucht jeden Fall...