Veröffentlicht am 02.02.2020
CHARLOTTE
Seit 8 Tagen liege ich in der Klinik.Ich habe es noch geschafft Emma am Samstag einzuschulen. Seit dem Tag danach durchlaufe ich meine persönliche Challenge und es erinnert mich an die Schwangerschaft mit Oskar. Von einen auf den anderen Tag war ich nicht mehr zu Hause. Der große Unterschied zu damals ist, dass ich wusste, wann ich spätestens zu Hause sein werde. Ich wusste, dass ich Weihnachten zu Hause bin.
Es ist August, ich kenne meine Diagnose und weiß nicht, ob ich Weihnachten zu Hause sein werde. Damals wusste ich, dass ich weiter leben werde und jetzt weiß ich es nicht, denn der Krebs kann tödlich enden.Ich verbringe viel Zeit in meinem Zimmer. Ich langweile mich. Über Besuch freue ich mich, auch wenn es anstrengend ist und ich weiß, dass sich alle Sorgen um mich machen.
Emma kommt jeden Nachmittag mit Frederik zu Besuch. Das gibt mir Kraft.
Frederik arbeitet ab diese Woche wieder im Schichtdienst und eine Haushaltshilfe von der Krankenkasse aus unterstützt ihn mit Emma und beim Haushalt. Und wie der Zufall es will, ist es wieder Merrit. Frederik und ich freuen uns da sehr drüber und es beruhigt mich zu wissen, wer bei uns zu Hause ist. Emma freut sich auch darüber, obwohl ich mich frage, ob sie es macht, weil Frederik und ich es tun oder ob sie wirklich noch weiß, wer Merrit ist. Immerhin war sie damals erst 2 und jetzt 5, wobei es bei ihrem guten Gedächtnis durchaus möglich ist, dass sie sich noch an Merrit erinnert.Heute ist Montag und ich bekomme meine erste Chemotherapie. Gleich wird sie mir angeschlossen und ich habe das selber schon bei Patienten gemacht. Es nun selbst bei mir zu erleben, kommt mir komisch vor.
Die Lungenentzündung ist mithilfe der Antibiotika gut verheilt. Meine Atmung hat sich etwas verbessert, wobei mir Spaziergänge durch die Klinik schon schwer fallen.Um 10 Uhr kommen Dr. Martin Flemming und Schwester Selvia zu mir.
Martin:"Hallo Charlotte. Es ist soweit. Hast du noch Fragen?"
Ich:"Nein."
Martin:"Dann schließen wir die Infusion an. In ca. drei Stunden ist sie durch."
Ich sehe die große Infusion. Sie jagt mir schon etwas Angst ein. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen.
Ich:"Ok."
Martin:"Versuch dich zu entspannen. Schau Fernseh, lies ein Buch und wenn du was brauchst, dann klingelst du."
Ich:"Ok."
Selvia schaut zu Martin:"Dann fängt die Infusion jetzt an?"
Martin:"Ja."
Selvia:"Sie läuft. Ich schau regelmäßig nach dir. Wenn was ist klingelst du."
Ich:"Das mach ich."
Selvia:"Und bevor ich es vergesse, Mittagessen gibt es für dich erst um zwei. Denn Chemo und warmes essen verträgt sich nicht so gut. Ich bringe dir später Zwieback vorbei."
Ich:"Ok."
Sie verabschieden sich und verlassen den Raum.
Ich schaue zur Infusion und dann auf meinen Arm, danach an die Decke und weiß, dass nun was in mir rein fließt, was Zellen töten wird, was mein Leben verlängern soll und zeitgleich so viele Nebenwirkungen hat, welche ich nicht haben möchte. Ich versuche dieses beiseite zu schieben und mache den Fernseh an. Das lenkt ab.Immer wieder kommt Selvia rein und schaut nach mir. Sie bringt mir Zwieback, welche ich esse. Hunger habe ich nämlich schon.
Zwischendrin schreibe ich per Whatsapp mit Lucy (19) welche im Oktober Mutter wird. Seit Ende Juli wohnt ihr Freund Felix (21) mit bei ihr. Das Dachgeschoss wurde ausgebaut und nun sind da 3 Zimmer, Küche, Bad, wo sie wohnen. Beide haben im Juli ihr Abitur gemacht. Felix macht seit August eine Ausbildung zum Floristen und Lucy wartet auf das Baby.
Das Schreiben mit ihr lenkt mich sehr gut ab.Um 13 Uhr kommt Selvia und macht die Infusion ab.
Selvia:"Wie geht es dir?"
Ich:"Gut."
Selvia lächelt:"Das klingt gut. Sollte was sein klingelst du einfach."
Ich:"Mach ich."Um kurz nach 14 Uhr kommt Frederik. Er hat ein Tablet dabei.
Frederik:"Hallo. Ich bringe dir das Mittagessen." und stellt es auf meinem Nachtisch ab.
Ich:"Endlich. Was gibt es?" und setze mich so hin, dass ich zum Essen schauen kann.
Frederik zuckt mit den Schultern.
Ich öffne den Deckel. "Würstchen und Kartoffelpüree und Karotten. Nun ja , besser als gar nichts."
Frederik lächelt. "Wer meckern kann, dem geht es gut." und nimmt sich einen Stuhl und setzt sich darauf hin.
Ich:"Ich habe heute kein Frühstück bekommen und von drei Zwieback werde ich nicht satt."
Frederik:"Letzte Woche um diese Zeit wolltest du gar nicht essen."
Ich:"Das war letzte Woche." und esse weiter.
Frederik:"Dann scheint dir die Chemo gut bekommen zu sein?"
Ich nicke. "Und bitte lass uns von was anderen reden. Wie war dein Dienst?"
Frederik:"Ganz ok. Ich habe einen Fall, der etwas mysteriös ist. Da weiß ich noch nicht was der Patient hat."
Ich:"Was ist denn mysteriös daran?"
Frederik:"Das erzähl ich dir wenn du nicht gerade isst und im übrigen, bist du krank."
Ich:"Und trotzdem Ärztin. Vielleicht habe ich die Lösung."
Frederik:"Ich befürchte es."
Ich:"Also erzähl."
Frederik:"Beim Essen?"
Ich:"Das stört mich nicht."
Frederik erzählt von seinem Fall. Gemeinsam versuchen wir herauszufinden, was der Patient hat.
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Das verlorene Kind
FanfictionDr. Charlotte Engel ist 32 Jahre, Ärztin und arbeitet in der Klinik am Südring. Sie ist eine gute, beliebte Ärztin. Von ihren Kollegen wird sie sehr geschätzt, u.a. für ihre einfühlsame Art, wie auch ihrer Hilfsbereitschaft. Sie versucht jeden Fall...