79. Teil 2: Warum II

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Veröffentlicht am 22.09.2019

CATHARINA
Ich komme auf die Intensivstation, weil ich heute da Dienst habe. Ich gehe ins Schwesternzimmer. Dort schaue ich in bedrückte Gesichter. Es wird still als ich den Raum betrete. Ich merke, dass was passiert sein muss.
Prof.Filou:"Gutentag Frau Dr. Engel."
Ich:"Hallo Prof. Filou. Was haben wir?"
Prof. Filou:"Setzen Sie sich bitte."
Ich schaue ihn irritiert an. Er schiebt einen Stuhl vom Tisch weg und ich setze mich darauf. Prof. Filou setzt sich neben mir.
Prof. Filou:"Es tut mir sehr Leid ihnen das mitteilen zu müssen" und stockt kurz. "Josef Engel wurde eingeliefert und ist auf der ITS."
Mein Onkel Josef liegt in der Klinik.
Ich:"Was hat er?"
Die Blicke der anderen gehen zur Seite.
Prof. Filou:"Er hat Brustkrebs. Metastasen sind u.a. in der Lunge und Leber. Die Leber zerfällt und die Lunge hat ihre Funktion aufgegeben." und stockt kurz. "Herr Engel ist vor ein paar Minuten verstorben."
Josef ist tot. Ich schlucke fest.
Prof. Filou:"Mein herzliches Beileid."
Ich bin geschockt und schaue zum Boden. Josef wirkte immer fit und gesund und jetzt soll er schwer krank gewesen sein und tot. Wieso weiß ich davon nichts? Warum hat Charlotte mir nichts erzählt? Charlotte würde doch mit mir darüber reden. Bedeutet das, dass sie auch nichts davon wusste? Wie furchtbar muss es für sie sein.

Ich schaue Prof. Filou an. "Weiß ihre Familie schon davon?"
Prof. Filou nickt. "Seine Frau und Tochter sind bei ihm."
Ich:"Ok." Ich finde gerade keine Worte.
Prof. Filou:"Ich werde jetzt dort hin gehen und sie aus den Raum bitten damit wir Herrn Engel runter bringen können. Möchten Sie mitkommen?"
Ich nicke.

Gemeinsam gehen wir zum Zimmer. Ich bleibe davor stehen und beobachte es vom Fenster aus. Ich habe das Gefühl, von dort aus Abschied zu nehmen.
Onkel Josef liegt da. Er sieht aus als würde er schlafen und doch weiß ich, dass ich ihn vermutlich zum letzten Mal sehen werde. Tränen schießen in meine Augen.

Und dann spricht Dr. Paula Martinson zu mir. "Hallo Catharina." Ich schaue zu ihr.
Paula:"Mein herzliches Beileid."
Sie breitet ihre Arme aus und wir umarmen uns. Ein paar Tränen fließen bei mir.

Die Umarmung löst sich und ich wische mir die Tränen weg.
Paula:"Ich übernehme deinen Dienst. Dann kannst du bei deiner Familie sein."
Ich:"Danke."
Meinen Dienst hatte ich inzwischen total vergessen und fähig den auszuüben bin ich emotional nicht mehr.

Plötzlich wird es hektisch. Charlotte rennt an mir lang. Prof. Filou hält meine Tante fest, welche weint. Ich renne hinter Charlotte her und rufe ihren Namen.

Ich hole sie ein und packe sie an den Armen, drehe sie zu mir und umarme sie. Ich halte sie fest und bei mir fließen Tränen. Charlotte ist erstarrt.

Nach einer Weile löse ich die Umarmung und schaue in ihr Gesicht, welches hilflos aussieht.
Ich:"Es tut mir so Leid."
Charlotte:"Warum? Ich versteh das alles nicht."
Ich:"Er war schwer krank."
Ihr Blick verändert sich. "Wusstest du davon?"
Ich schüttel den Kopf. "Nein. Prof. Filou hat es mir gesagt."
Charlotte:"Ok." und stockt. "Was machst du überhaupt hier?"
Ich:"Dienst auf der ITS. Paula übernimmt aber jetzt für mich."
Charlotte:"Ok." und schaut sich um. "Hast du Mama gesehen?"
Ich:"Zuletzt auf der ITS weinend bei Prof. Filou."
Charlotte:"Ich muss zu ihr. Wie schlimm es wohl für sie sein muss ihren geliebten Mann verloren zu haben."
Ich:"So wie für dich den Vater."
Charlotte zuckt mit den Schultern. Wortlos geht sie zurück zur ITS. Ich folge ihr.

CHARLOTTE
Ich gehe zur ITS. Direkt davor sitzen meine Mutter und Prof. Filou. Mama weint. Er hat eine Hand auf ihrem Rücken liegen.

Mama sieht, dass ich komme. Sie steht auf und kommt mir entgegen. Wir fallen uns in die Arme und auch bei mir fließen jetzt Tränen.
Mama schluchzt:"Es tut mir so Leid. Er wollte nicht, dass du es weißt. Er wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Er wollte nicht, dass du ihn unter Schmerzen siehst. Er wollte, dass du ihn so in Erinnerung behältst wie er war. Ich habe öfter zu ihm gesagt, dass er es dir sagen soll. Aber er wollte es nicht. Ich wollte nicht, dass du es so erfährst und er dann schon weg ist. Es tut mir so Leid."
Ich drücke sie ganz fest. "Ist schon ok."
Mehr kann ich dazu nicht sagen, denn in meinem Kopf bleibt die Warum-Frage. Hätte es aber wirklich was gebracht, wenn ich es gewusst hätte?

Das verlorene KindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt