153. Getäuscht in ihm

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Veröffentlicht am 13.05.2021

TABEA
Es ist Mitte April.
Ich bin in der 27.SSW.

Seitdem ich versucht habe mit Miriam zu sprechen meidet sich mich. Sie geht mir aus den Weg. Es schmerzt in meiner Seele, dass sie das macht. Ich würde gerne wissen, was sie denkt.
Ich würde gerne wissen, wie sie sich fühlt. Sie fühlt sich ausgeschlossen. Mit welchem Gefühl kommt sie zur Arbeit?
Es fällt mir schwer es so hinzunehmen. Ich würde gerne für sie da sein, weil ich merke, dass es ihr nicht gut geht.

MIRIAM
Ich gehe mit mulmigen Gefühl zur Arbeit. Die Kollegen halten zu Tabea. Sie ist schwanger und ich bin diejenige, die sich nicht für sie freut. Ich kann es nicht. Ich bin enttäuscht von ihr. Sie hat immer gesagt, dass sie keine eigenen Kinder will. Als sie mir erzählte, dass sie ein Kind verloren hat, war das schon zu einer Zeit, wo sie keine Kinder wollte. Sie sagte, sie sei ausversehen schwanger geworden. Ich habe ihr geglaubt und in dem Moment hat sie mir geholfen, denn ich habe mein Kind verloren. Von ihr habe ich mich verstanden gefühlt. Und dann erfahre ich nebenbei von Kollegen, dass sie wieder schwanger ist. Es schmerzt, so enttäuscht worden zu sein. Zweimal kann es kein Versehen sein. Sie ist alt genug um aufzupassen. Ich glaube ihr deshalb nicht.
Jetzt ist sie schwanger, obwohl sie es nicht will. Und ich möchte schwanger sein und werde es nicht. Das ist ungerecht.

Bei mir zuhause gibt es deshalb oft Streit. Nils wünscht sich sehnlichst ein Kind. Ich auch, aber es klappt nicht.

Es ist 21 Uhr als ich nach Hause komme. Nils ist schon da.
Ich gehe zu ihm ins Wohnzimmer. Er sitzt auf dem Sofa und schaut Fernseh.
Ich:"Hallo." und setze mich auf einen Sessel.
Nils:"Hi. Auch schon da?"
Ich:"Ich konnte nicht eher. Ich musste erst die OP beenden."
Nils:"Natürlich musstest du das. Du hast schließlich keine Kollegen an den du das abgeben kannst."
Ich:"Während einer laufenden OP geht das nicht."
Nils:"Das geht bei dir nie. Ich wollte dich heute Abend zum Essen ausführen, aber daraus wurde nichts, weil du nicht gekommen bist."
Ich:"Die Idee ist schön, aber wenn ich nicht gerade Frühdienst habe kann das zeitlich schwer werden."
Nils:"Du musst lernen abzugeben. Es kommt doch jemand für dich. Dann soll der weiter operieren."
Ich:"So leicht wie du dir das vorstellst ist das nicht. Der Kollege kennt den Fall nicht und muss sich erst ein Bild davon machen. Möchtest du, dass wenn du operiert wirst, während der OP die Ärzte tauschen, weil der Dienst von einem endet?"
Grimmig schaut er zur Seite.
Ich:"Du willst das auch nicht. Ich würde das auch nicht wollen."
Er schaut zu mir. "So egoistisch wie du dich verhältst wirst du nie schwanger, denn wir haben keine Zeit dazu eins zu machen."
Ich:"Das stimmt nicht. Schließlich arbeite ich nicht immer."
Nils:"Nur genau dann, wenn dein Eisprung ist. So wie heute."
Mein Blick wird nachdenklich. Ich habe das vergessen.
Nils:"Du weißt noch nicht mal, dass du den heute hast."
Ich:"Ich habe es vergessen."
Nils dreht seine Augen.
Ich:"Du brauchst deine Augen nicht zu drehen. So wie du mit mir umgehst habe ich garkeine Lust auf dich."
Nils:"Ich jetzt auch nicht mehr auf dich." und schaut zum Fernseher.

Ich gehe in die Küche. In mir brodelt es. Es verletzt mich, wie er mit mir spricht. Ich schaue aus dem Fenster und sehe, wie ein Pärchen spazieren geht. Sie halten sich an den Händen. Wie gern würde ich so mit Nils zusammen gehen.

Ich höre Schritte. Nils kommt zu mir. Ich drehe mich zu ihm um.
Nils:"Entschuldige mein Verhalten. Ich wäre gerne heute mit dir weggegangen."
Ich ergänze:"Und hättest mit mir geschlafen."
Nils nickt. "Wobei Letzteres noch nicht ausgeschlossen ist."
Ich:"Für mich schon. Ich gehe schlafen."

Ich gehe ins Schlafzimmer und höre die Wohnungstür, wie sie zuknallt. Nils hat die Wohnung verlassen.
Ich mache mich bettfertig und lege mich ins Bett. In mir kreisen Gedanken. Nicht nur, dass es bei der Arbeit schwer ist, das ist es nun auch zuhause.

Das verlorene KindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt