40. Wo ist Emma?

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Veröffentlicht am 17.05.2019

CHARLOTTE:
Ich bin in der 34.SSW. Heute beginnt mein Mutterschutz.
Es ist Anfang Oktober.

Seit 10 Wochen liege ich jetzt in der Klinik. Es ist anstrengend, denn mir ist so langweilig. Zwar bekomme ich Besuch, aber nicht jeden Tag.

Frederik ist jeden Tag kurz da. Er arbeitet jetzt wieder Vollzeit. Es gefällt ihm sehr gut. Ich sehe, dass ihm das gefällt. Es geht ihm gut.
Zur Physiotherapie geht er einmal die Woche nachmittags.
Seit ein paar Tagen kann er alleine stehen. Stehen mit Festhalten geht schon länger. Alleine Stehen ist ein großer Fortschritt.
Es gibt mir die Hoffnung, dass er doch noch irgendwann wieder laufen wird.

In den letzten Wochen wurde bei uns in der Wohnung umgebaut. Die Dusche im Badezimmer wird ebenerdig gemacht und somit behindertengerecht. Frederik wünscht sich das, damit er selbständig duschen kann.
Zurzeit kann er nur bei seinen Eltern selber duschen. Zwar kommt der Pflegedienst auch noch einmal am Tag für 1 Stunde, doch Frederik möchte das nicht mehr. Er möchte ohne Pflegedienst auskommen.

Ich verfolge den Umbau auf Bildern. Gerne würde ich es in echt sehen und dabei sein.

Emma findet die Baustelle toll. Sie soll stundenlang vorm Badezimmer sitzen und den Arbeitern zu schauen. Die Arbeiter finden das toll und mögen Emma gerne. Sie haben sich wohl schon in Emma >>verguckt<<.

Merrit kümmert sich weiterhin um Emma und Emma mag sie. Wenn Emma bei mir ist erzählt sie auch von Merrit. Sie mag Merrit. Ich finde es gut, dass sie gut miteinander auskommen. Trotzdem ist Wehmut da, denn ich wäre lieber selbst zu Hause. Ich vermisse Emma.
Ich genieße es wenn sie bei mir in der Klinik ist. Wir kuscheln viel miteinander und am Wochenende hält sie oft ihren Mittagsschlaf bei mir. Wenn sie wieder mit nach Hause muss klammert sie sich an mich fest. Sie möchte bei mir bleiben. Letztlich geht sie doch bei Frederik mit, aber widerwillig und mit traurigem Blick. Sie sitzt dann bei Frederik auf dem Schoß und fährt mit raus.

Frederik sagt, dass sie an den Abenden schlechter einschläft. Sie fragt jeden Tag nach mir und besonders abends fragt sie immer, ob ich morgen wieder nach Hause komme. Frederik sagt ihr die Wahrheit und wenn er zu ihr sagt, dass ich morgen nicht nach Hause komme und sie auch nicht zu mir geht, dann weint sie auch mal, weil sie zu mir möchte. Wenn er ihr sagt, dass ich nicht nach Hause komme und sie mich morgen besucht, dann lacht sie. Sie schläft dann auch schneller und ruhiger ein.

Wir haben uns dazu entschlossen Emma nicht anzulügen, auch wenn das für Emma emotional ist und für Frederik anstrengend, denn er ist dann bei ihr und muss das aushalten.
Wie gerne wäre ich zu Hause.

Die beiden Männer vom Unfall sind nicht mehr in der Klinik.
Herr Max Hersch wurde schon eine Woche nach seinem Unfall entlassen. So viel mir mitgeteilt wurde kann er seinen Fuß gut wieder belasten. Er wird den Unfall ohne Folgeschäden überstehen. Zumindest körperlich gesehen, denn beruflich hatte es Folgen für ihn.
Herr Jonathan Julz ist aus dem künstlichen Koma geholt worden und aufgewacht. Er weist keine psychischen Schäden auf. Der Beckenbruch ist verheilt und seit ein paar Wochen ist er in einer Reha um wieder laufen zu erlernen.

Herr Julz ist bei mir zu Besuch gewesen und hat sich für meine Hilfe bedankt. Ohne mein schnelles Eingreifen würde er nicht mehr leben. Herr Julz schaut angespannt in die Zukunft, denn er hat mit Folgen aus dem Unfall zu rechnen. Es kann nicht gesagt werden, dass er wieder richtig laufen wird. Seine Ausbildung zum Polizisten in NRW hat er aufgrund des Unfalles verloren. Allerdings könnte er diesen auch körperlich nicht mehr ausüben. Er wird sich beruflich umorientieren müssen.
Das Gespräch mit ihm war sachlich und ich habe gemerkt, dass es ihm Leid tut, was geschehen ist.
Er hat sich auch nach mir erkundigt und von seinen Eltern erfahren, was sein Freund Herr Hersch getan hat. Er entschuldigte sich dafür.
Als ich ihm erzähle, dass ich vermutlich aufgrund des Schlages eine Plazentaablösung habe und deshalb noch in der Klinik bin, sehe ich, wie nah es ihm geht.
Herrn Julz trifft keine Schuld. Ich finde, es war ein Unfall und die Folgen sind für ihn enorm.

Das verlorene KindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt