7. Nach der Geiselnahme wieder in der Klinik

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Veröffentlicht am 17.03.2019

CHARLOTTE:
Es ist wieder Montag. Genau drei Wochen sind um und heute darf ich wieder arbeiten.

Letzte Woche hatte ich ein Gespräch mit Prof. Filou. Ich erzählte ihm, dass es mir gut geht, dass ich die Arbeit vermisse und dass ich genug Ruhe hatte. Er stimmte dem Wiedereinstieg zu, aber nicht ohne mich nochmal darauf hinzuweisen, dass ich jederzeit psychologische Hilfe in Anspruch nehmen kann und dass wir auch  Psychologen in der Klinik haben und ich diese jederzeit aufsuchen kann.
Psychologische Hilfe; warum? Mir geht es gut.

Ich schlafe seit ein paar Tagen wieder durch. Ich esse wieder, auch wenn ich alleine bin. Ich fühle mich gut.

Nach dem Gespräch war ich noch kurz im Ärztezimmer und habe ein paar Kollegen getroffen. Wie ich das genossen habe. Am liebsten hätte ich sofort wieder angefangen zu haben. Aber Prof. Filou bestand darauf, dass ich erst Montag wieder anfange.

Die 4 Tage bis dahin habe ich auch noch gut überstanden. Besonders auch, weil Frederik am Wochenende frei hatte.

Und jetzt ist der Tag gekommen. Ich, die in 4 Jahren immer nur 30 Tage wegen Urlaub abwesend war, nie krank war, kommt nach 3 Wochen Freistellung wieder zur Arbeit.
Ich machte es wie sonst auch. Stylen, schnelles Frühstück und ab zur Arbeit. Ich habe Frühdienst; Frederik Spätdienst, deshalb darf er noch schlafen. Doch er lässt es sich nicht nehmen mit mir zu frühstücken.
Frederik:"Und bist du aufgeregt?"
Ich:"Nein warum auch? Ich darf wieder arbeiten gehen. Ich freue mich darauf."
Er lächelt. Ich schaue auf die Uhr und ziehe schnell Schuhe an. Ich gebe Frederik noch einen Kuss und fahre dann zur Arbeit.

Ich gehe in die Klinik als wäre nichts gewesen. Die Freude aufs Arbeiten ist groß. Ich werde herzlich begrüßt von allen. Sie freuen sich alle darüber, dass ich wieder da bin.
Auf meinem Dienstplan steht Station und OP. Es lief super und als Frederik kam, kam ich gerade aus dem OP.
Frederik:"Und wie ist es?"
Ich:"Genial."
Ich umarme ihn kurz.

Küssen wollen wir uns in der Klinik nicht. Wegen den Patienten, aber auch den Kollegen. Rücksicht wollen wir nehmen.

Ich habe Feierabend und Frederik Dienst. Das ging die ganze Woche so und ich pendelte zwischen Station und OP hin und her.

Eine Woche später hatte ich Spätschicht und das in der Notaufnahme.
Es gab viele Fälle und alles mögliche war dabei. Von Kindern zu Erwachsenen, von der Prellung zum Herzstillstand. Keiner starb, das ist immer mein Ziel. Leben retten! Ich war in vielen verschiedenen Behandlungsräumen und auch in einem Schockraum, aber nicht in dem, wo die Geiselnahme war.

Doch jetzt kam ein Notfall rein-Verkehrsunfall. Nur der besagte Schockraum war frei. Ich rannte dort mit dem Notarzt Dr. Oliver Dreyer rein. Unterwegs und im Raum erzählte er mir was passiert war und was er bereits getan hat. Ich speicherte alles ab-wie immer.
Und jetzt stand ich in diesem Raum und in mir kam ein ungutes Gefühl im Magen auf. Ich schaute mich um.
Oliver:"Alles in Ordnung Charlotte?"
Ich reagiere nicht. Ich sehe Bilder von dem Mann.
Oliver laut:"Charlotte! Ist alles ok? Soll ich übernehmen?"
Ich erschrecke kurz und sage:"ja, alles ok. Ich mach das schon."
Und ab da an funktionierte ich nur noch und behandelte den Mann.
Nach dem Fall hatte ich Feierabend und fuhr nach Hause, wo Frederik im Bett lag und auf mich wartete. Ich erzählte ihm nicht von meinem unguten Gefühl. Ich wollte ihn nicht beunruhigen.

In den nächsten Tagen war wieder viel los in der Notaufnahme und ich versuchte den besagten Schockraum zu meiden. Ich versuchte, wenn irgendwie möglich, nicht in den Raum zu müssen. Jedes Mal wenn ich da rein musste kam ein ungutes Gefühl auf. Mir wurde kalt. Ich versuchte zu funktionieren.

Zu Hause waren die Bilder wieder da. Ich hatte es doch so gut verdrängt. Warum kommt es wieder?
Ich esse kaum mehr und wenn, dann nur mit anderen zusammen. Ich schlafe unruhig.

Das verlorene KindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt