Das verlorene Kind

66. Und ich wollte noch Abschied nehmen

Veröffentlicht am 03.08.2019

CHARLOTTE
Es ist Anfang August.

Ich bin in der 37SSW.

Ich wohne noch immer bei Catharina, Robert, Lucy und Lennox.

Frederik und ich verstehen uns gut und mit Emma läuft es perfekt.

Ich sitze auf dem Sofa als mein Handy klingelt. >>Unbekannte Nummer<< wird angezeigt. Ich gehe dran.
Ich:"Hallo."
Frau:"Schön-Klinik Düsseldorf. Spreche ich mit Charlotte Engel?"
Ich:"Ja."
Ich bin überrascht. Was möchte die Klinik von mir? Ich wollte dort ab Januar arbeiten, aber habe dann doch abgesagt. Und jetzt ist August und die rufen mich an?

Frau:"Entschuldigen Sie bitte den Anruf. Mein Name ist Schwester Christa. Ich habe ihre Nummer von Lisa Täsch bekommen."
Lisa, meine Tochter.
Frau:"Lisa ist bei uns in der Klinik eingetroffen, weil die Polizei ihr mitgeteilt hat, dass ihre Eltern einen Autounfall hatten."Sie stockt kurz. "Herr Misch ist bei dem Unfall gestorben und Frau Misch ist bei uns in der Klinik."
Ich:"Oh nein. Wie geht es ihr? Wie geht es Lisa? Ist jemand bei ihr?"
Frau:"Ich darf Ihnen zum Zustand von Frau Misch nichts sagen. Ich unterliege der Schweigepflicht. Lisa wurde von der Polizei über den Tot ihres Vaters informiert und dass ihre Mutter hier ist. Die Beamten haben sie in die Klinik gebracht. Unsere Klinikpsychologin kümmert sich um sie und bei ihr hat Lisa ihre Nummer genannt."
Ich bin geschockt und traurig zugleich. Luis war für sie ihr Vater und ist jetzt tot und Antje, welche für sie wie eine Mutter ist, ist verletzt. Wie muss Sie sich jetzt fühlen?
Frau:"Frau Engel, besteht die Möglichkeit, dass Sie kommen können? Wir müssen Lisa sonst ans Jugendamt übergeben, weil sie mit 16 Jahren noch nicht volljährig ist."
Ich:"Natürlich komme ich. Ich bin in einer Stunde da."
Frau:"Ok. Ich werde es Lisa wissen lassen. Fahren Sie vorsichtig."
Ich:"Das tu ich."
Wir verabschieden uns.

Ich lege auf. Ich kann es noch nicht begreifen, dass Luis tot sein soll.
Ich ziehe mir meine Schuhe und Jacke an und fahre mit dem Auto zur Schön-Klinik. Den Weg kenne ich gut, weil Frederiks Cousine Martha und ihr Mann Dennis und Tochter Selma dort in der Nähe wohnen.

Es ist 12 Uhr als ich in der Schön-Klinik ankomme. An der Rezeption erkundige ich mich nach Lisa. Eine Krankenschwester kommt auf mich zu.
Christa:"Frau Engel?"
Ich:"Ja."
Christa:"Schwester Christa. Wir haben telefoniert. Ich bringe Sie zu Lisa."
Wir gehen durch die Gänge, bis wir vor einem Zimmer anhalten.
Christa:"Warten Sie bitte kurz hier."
Ich warte, während Christa herein geht und kurz darauf wieder raus kommt.
Christa:"Sie dürfen jetzt zu Lisa."

Christa hält mir die Tür auf. Ich gehe hinein. Christa macht die Tür zu.
Lisa sitzt auf einem Stuhl. Als sie mich sieht steht sie auf. Wir gehen uns entgegen und umarmen uns.
Dann schaut Lisa mich an. "Danke, dass du gekommen bist."
Ich:"Das habe ich gerne gemacht. Wie geht es dir?"
Lisa zuckt mit den Schultern. "Luis ist tot."
Ich:"Ich weiß."
Lisa:"Und Antje wird gerade operiert."

Eine Dame ist mit im Raum und steht neben uns.
Dame:"Hallo Frau Engel. Sandra Bosch. Ich bin Psychologin."
Wir geben uns die Hand.
Sandra:"Ich würde sagen,  wir setzen uns erstmal alle hin."
Lisa und ich setzen uns nebeneinander auf je einen Stuhl. Sandra sitzt uns gegenüber.
Sandra:"Wie Lisa ihnen gerade schon erzählt hat, wird Frau Misch noch operiert."
Ich:"Warum?"
Sandra:"Das darf ich ihnen nicht sagen."
Ich:"Ich bin Ärztin."
Sandra:"Aber nicht mit Frau Misch verwandt."
Lisa:"Aber mir dürfen sie es sagen und ich möchte, dass Lotte dabei bleibt."
Sandra nickt. "Frau Misch hat eine Milzruptur, wie auch weitere innere Verletzungen."
Lisa:"Sie wird es doch schaffen oder?"
Sandra:"Wir müssen die OP abwarten. Ich bin keine Ärztin. Ich kann dazu nichts sagen."
Lisa schaut mich fragend an. "Lotte?"
Ich:"Ich weiß es nicht."
Lisa:"Ich will nicht, dass Antje auch noch stirbt. Ich hab doch schon Luis verloren."
Tränen fließen bei ihr. Ich nehme Lisa in den Arm.
Lisa:"Wäre ich doch nur mitgefahren."
Ich:"Dann wäre der Unfall auch passiert."
Lisa:"Aber wir wären noch zusammen."
Ich kann darauf nichts sagen. Mir fehlen die Worte.