Veröffentlicht am 01.10.2019
CATHARINA
Es ist 2 Uhr in der Nacht. Ich liege wach im Bett. Die Gedanken kreisen um Josef und das >>Warum<< ist auch da. Wenn die Vernunft mir auch sagt, dass es für ihn keine Hilfe gegeben hat, mein Herz sagt was anderes.Ich stehe auf und möchte nach unten gehen und mir was zu trinken holen. Ich gehe den Flur entlang und höre etwas. Ich bleibe vor Lucys Zimmer stehen und horche.
Leise öffne ich die Tür und schaue hinein. Ein Lichstrahl fällt hinein. Ich schaue zu Lucy, welche schläft. Dann schaue ich zu Lisa, welche auf dem Schlafsofa liegt. Ich höre sie laut atmen. Ich habe das Gefühl, dass sie sich nur schlafend stellt.
Ich gehe leise hinein und zu ihr um mich davon zu überzeugen, dass sie schläft. Als ich bei ihr ankomme sehe ich, dass sie die Bettdecke vor ihr Gesicht gezogen hat.
Ich flüster:"Lisa."
Sie reagiert nicht.
Ich:"Lisa. Ich weiß, dass du nicht schläfst."
Langsam schaut ihr Kopf hervor. Ich sehe, dass sie geweint hat.
Ich hocke mich:"Kannst du auch nicht schlafen?"
Lisa schüttelt den Kopf.
Ich:"Magst du mit runter kommen?"
Lisa zuckt mit den Schultern.Lucy dreht sich im Bett und öffnet ihre Augen.
Lucy:"Mama. Was machst du hier?"
Ich flüster:"Schlaf ruhig weiter."
Lucy setzt sich hin. "Was machst du hier?" und schaut auf ihren Wecker. "Es ist mitten in der Nacht." Sie schaut zu Lisa. "Was ist mit dir Lisa?" und steht auf und geht zu ihr und setzt sich neben ihr.
Lucy legt ihre Hand auf Lisas Rücken. "Was ist mit dir? Bist du traurig?"
Ruckartig dreht Lisa sich zur anderen Seite und zieht die Decke über ihren Kopf.Hilfesuchend schaut Lucy mich an. Ich höre Lisa wimmern.
Ich:"Lisa, wir sind da."
Lucy:"Was machen wir jetzt?"
Ich:"Ihr die Zeit geben welche sie gerade braucht und da sein."
Lucy:"Und das hilft?"
Ich lege einen Arm um Lucy. "Das tut auf jeden Fall gut."
Lucy lächelt. Ich setze mich auf den Boden und sie lehnt sich an mich.Nach ein paar Minuten lösen wir uns. Ich gehe auf die andere Seite und setze mich dort hin.
Ich:"Denkst du an Opa?"
Lisa sagt mit weinerlicher Stimme:"Nicht nur."
Ich:"Magst du die Decke vom Gesicht ziehen? Dann verstehen wir dich besser."
Lisa macht es.
Ich streiche ihr Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Du bist traurig?"
Lisa nickt.
Ich:"Möchtest du darüber reden?"
Sie zuckt mit den Schultern.
Ich:"Reden hilft."Lucy kommt zu mir und setzt sich neben mir. "Genau."
Lisa schaut zur Decke. "Warum? Alle Leute die mir wichtig sind sterben. Erst Antje und Luis und jetzt Opa." Tränen fließen. "Alle gehen ohne >>Tschüß<< zu sagen. Und ich bin diejenige, die immer im schlechten geht. Antje und Luis wollten, dass ich mit zur Campingmesse fahre. Ich wollte es nicht. Und bei Opa bin ich abgehauen. Ich habe rebelliert." und stockt. "Würde ich doch einfach das machen was andere wollen, dann wäre es nicht so." Sie weint. Ich streiche ihr über ihren Arm.Nach kurzer Zeit sage ich:"Du bist du und du musst nicht das machen was andere von dir wollen. Bei Antje und Luis war es ein tragischer Unfall und Opa war schwer krank."
Lisa:"Ich war nicht da."
Ich:"Wo warst du nicht?"
Lisa:"Immer wenn die Leute mich zuletzt gesehen haben, dann habe ich rebelliert."
Ich:"Die Leute kennen dich und sie wissen wie du wirklich bist."
Lisa zuckt mit den Schultern.
Ich:"Sie wissen das. Sie kennen dich. Ich kenne dich und ich weiß, dass du verschiedene Seiten hast und das ist auch gut so. Ich habe auch verschiedene Seiten und das muss auch so sein, denn sonst funktioniere ich nur, anstatt ich zu sein."
Lisa zuckt wieder mit den Schultern.
Ich:"Opa hat dich geliebt. Er hat immer von dir erzählt und wie toll du alles meisterst."
Lisa schaut zu mir.
Ich:"Er hat dich sehr geliebt."
Tränen schießen in ihren Augen. "Ich ihn auch." und diese fließen.
Ich streichel weiter über ihren Arm.Nach kurzer Zeit fließen noch ein paar Tränen.
Lisa:"Ich frage mich wie Mama das verkraftet. Erst Oskar und jetzt Opa."
Ich:"Wovor hast du Bedenken?"
Lisa:"Ich habe Angst, dass sie damit nicht zurecht kommt."
Ich gehe kurz in Gedanken. Die Bedenken habe ich auch, aber ich weiß, wie sie es nach Oskar geschafft hat und hoffe darauf, dass sie es diesmal wieder so schaffen wird.
Ich:"Für Mama ist das gerade nicht einfach. Sie wusste nicht, dass Opa krank ist. Sie hat sich auf eine schöne Zeit mit ihm gefreut. Stattdessen ist er in ihrem Beisein gestorben. Weißt du, es ist nicht leicht geliebte Menschen zu verlieren, aber es gibt immer auch ein Leben ohne diese und wenn sie sie auch nicht mehr sichtbar sind, im Herzen bleiben sie für immer." In mir kommen Tränen hoch. Ich sehe, dass bei Lisa Tränen fließen.
Lucy legt eine Hand auf meinen Rücken. "Das hast du toll gesagt, Mama. Und Josef wird für immer einen Platz in unserem Herzen haben."
Lisa nickt.
Tränen fließen bei uns dreien.
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Das verlorene Kind
FanfictionDr. Charlotte Engel ist 32 Jahre, Ärztin und arbeitet in der Klinik am Südring. Sie ist eine gute, beliebte Ärztin. Von ihren Kollegen wird sie sehr geschätzt, u.a. für ihre einfühlsame Art, wie auch ihrer Hilfsbereitschaft. Sie versucht jeden Fall...