55. Teil 3: Explosives

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Veröffentlicht am 29.06.2019

CHARLOTTE
Es ist Mitte November.

Letzte Woche waren wir in Stuttgart. Mein Patenkind Anne hat ihren 1.Geburtstag gefeiert.

Meine Kollegen wissen, dass ich die Klinik verlassen werde. Begeistert ist keiner davon, weil sie mich gerne im Team haben.

In Düsseldorf sind Frederik und ich auch zurzeit öfter und suchen nach einer Wohnung für uns und Emma. Noch haben wir nicht das Passende gefunden.

Meine Schwiegereltern haben sich inzwischen mit der Situation arrangiert. Sie wollen immer noch, dass wir bleiben, sind aber auch froh darüber, dass es nur Düsseldorf ist. Da können sie noch für einen Tagesausflug hinkommen.

Catharina hat es gefasst aufgenommen. Sie sagt, dass ich meinen Weg gehen muss, mich aber nicht wundern soll, wenn sie regelmäßig zu Besuch ist.

Frederik kann seit ein paar Tagen wieder Auto fahren. Wenn wir in Düsseldorf sind bekommt er wieder ein eigenes Auto. Somit ist das tägliche Fahren leichter.

Emma freut sich auf Düsseldorf und dass sie dort in den Kindergarten gehen kann. Allerdings sagt sie auch, dass dort keine Erzieher wie Jana sein sollen. Ich hoffe sehr, dass das nicht der Fall ist.
Um den Platz in der Waldorfkita hat sich Dr. Grenz gekümmert.
Ab Mitte Dezember kann sie dort hingehen und das von 7:30-16:30 Uhr.

Ich werde meine Arbeit im Januar in der Schön-Klinik aufnehmen. Ich werde von Montag bis Donnerstag von 8:15-14:15Uhr arbeiten und den Rest per Nacht- und Wochenenddienst. So kann ich nachmittags Mama sein.

In der Klinik am Südring hat sich einiges getan. Es wurde Personal eingestellt, so dass alle Stationen wieder geöffnet sind. Das Arbeiten ist entspannter geworden und ich gehe wieder gerne hin.

Es ist ein Mittwochnachmittag als ein Jugendlicher mit scheinbarer Schussverletzung eintrifft. Der Zustand des Jungen ist instabil. Nach dem Röntgen kommt er direkt in den OP.

Die OP beginnt um 15 Uhr. Dr. Julia Dorn macht die Anästhesie, Dr. Anna Moschkowitz und ich die Chirurgie, Schwester Karin und Schwester Hanna unterstützen uns.
Das Ventil sitzt in der Niere, Nähe der Milz.
Ich:"Wir versuchen um die Milz herum zu arbeiten, ggf. mit kurzzeitiger Herausnahme. Entfernung der Niere wahrscheinlich nötig. Milz soll erhalten bleiben."
Anna:"Ok."
Wir fangen an zu operieren. Immer wieder schaue ich auf das Röntgenbild.
Der Zustand des Jungen ist instabil. Unter Medikamenten kann er gehalten werden.
Julia:"Zu lange sollte das nicht mehr dauern. Sein Zustand ist kritisch."
Ich:"Ich weiß, aber ich bin noch nicht am Ventil dran."

Da klingelt das Telefon im OP. Hanna geht ran.
Hanna:"Charlotte, die Polizei. Sie möchte mit dir sprechen."
Ich:"Später. Ich operiere gerade."
Hanna:"Es ist sehr wichtig, sagt der."
Ich bin genervt. "Halte es mir ans Ohr."

Ich:"Engel."
Polizist:"Polizei Köln. Wiebel. Frau Dr. Engel, wie weit sind Sie mit der OP?"
Ich:"Mittendrin."
Polizist:"Können Sie die OP noch abbrechen?"
Ich:"Nein."
Polizist:"Frau Engel, der Junge hat kein normales Ventil in sich, sondern ein Ventil, welches noch explodieren wird."
Ich:"Wie bitte?"
Polizist:"Das Ventil ist noch nicht explodiert. Jede Bewegung kann zur Explosion führen."
Ich:"Und was kann ich jetzt dagegen tun?"
Polizist:"Es bleiben nur zwei Möglichkeiten. OP Abbruch oder sie operieren weiter, aber es kann jederzeit zur Explosion kommen. Sie müssen wissen, dass eine Explosion weitreichende Folgen hat für alle Personen, welche mit im OP sind."
Ich schaue zu meinen Kollegen, welche mich fragend anschauen.
Ich:"Was passiert bei Variante 1?"
Polizist:"Wir würden eine gezielte Explosion machen. Ausgelöst von außen und ohne Gefährdung von Menschenleben."
Ich:"Das ist sein Tot."
Polizist:"Ja, aber das Leben vieler Menschen. Umso mehr sie sich jetzt auch bewegen, desto gefährlicher ist es. Sie können keinesfalls mit allen zu Ende operieren. Der Druck des Bodens ist zu hoch. Es muss eine Entlastung geben. Am besten verlassen sie alle den OP."
Ich:"Das werde ich nicht. Ich werde weiter operieren."
Polizist:"Frau Engel, das ist gefährlich."
Ich:"Wenn die Druckentlastung zu niedrig ist kommt es auch zur Explosion."
Meine Kollegen schauen mich geschockt an.
Polizist:"Leider ja."
Ich:"Das heißt, dass sowieso nicht alle raus können. Dann kann ich auch weiter operieren."
Er sagt nichts mehr.
Ich:"Sagen Sie jetzt nichts mehr?"
Polizist:"Wir holen sie da raus."
Ich sage nichts mehr dazu und sage zu Hanna:"Gespräch beendet."
Hanna legt auf.

Das verlorene KindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt