42. Teil 2: Kämpfer auf Zeit

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Veröffentlicht am 24.05.2019

CHARLOTTE:
Es ist morgens. Meine Visite ist vorbei. Mein Kreislauf soweit stabil. Nur die Nachwehen sind schmerzhaft. Dafür bekomme ich Schmerzmittel und damit ist es auszuhalten.

Es ist 10 Uhr als an der Tür klopft und Frederik kommt herein. Er kommt neben mein Bett.
Frederik:"Gutenmorgen Schatz. Konntest du gut schlafen?"
Ich:"Es geht."
Frederik:"Wie geht es dir?"
Ich:"Mal abgesehen von den Nachwehen, gut. Warst du schon bei Oskar?"
Frederik schüttelt den Kopf. "Ich wollte erst zu dir und dachte mir, vielleicht darfst du mitkommen."
Ich:"Davon gehe ich doch aus."
Frederik:"Frag nach. Nicht einfach abhauen."
Ich:"Ja, mach ich."

Ich drücke die Klingel. Schwester Stefanie kommt ins Zimmer.
Stefanie:"Hallo."
Ich:"Hallo Steffi. Ich möchte mit Frederik zu Oskar. Ist das ok?"
Stefanie:"Ich denke schon. Gib mir ein paar Minuten. Ich kläre ab, wer dich dort hin bringt."
Ich:"Frederik ist dabei."
Stefanie:"Der kann aber keinen Rollstuhl schieben."
Ich:"Ich kann laufen."
Stefanie:"Auf keinen Fall. Gib mir einen kleinen Moment. Bis gleich."

Ich schaue Frederik an. "Ich kann laufen."
Frederik:"Du hast eine frische OP-Narbe. Die sollte auf keinen Fall belastet werden und dadurch  reißen."
Ich drehe meine Augen nach oben. "Ja, Herr Besserwisser."
Frederik:"Da brauchst du deine Augen gar nicht so zu drehen. Das sehe ich."
Ich schaue zu ihm. "Ok."

Die Tür öffnet sich wieder und Stefanie kommt mit einem Rollstuhl herein.
Stefanie:"Darf ich bitten?"
Ich setze mich hinein und sie schiebt mich zu Oskar.

Ich sitze vor seinem Wärmebettchen. Er ist nicht mehr im Inkubator. Die Atemunterstützung ist auch minimiert worden. Er ist so klein und zierlich und doch ein größer Kämpfer.
Ich streichel seinen Körper. Es ist ein schönes Gefühl.

Die Tür öffnet sich und Dr. Tabea Rohde kommt herein. Sie hat das mobile Ultraschallgerät dabei.
Tabea:"Gutenmorgen ihr zwei. Ihr seit ja früh dran. War die Sehnsucht so groß?"
Frederik und ich nicken.
Tabea:"Ich möchte nochmal ein Sono vom Kopf machen. Rein zur Vorsicht."
Sie macht das Sono. Ich schaue auf den Bildschirm, kann allerdings keine Auffälligkeiten erkennen.
Tabea:"Es ist alles gut."
Sie beendet das Ultraschall.
Tabea:"Oskar macht sich gut. Er hält seine Temperatur schon fast alleine. Auch die Atmung wird besser. Er trinkt bis zu 50ml Muttermilch aus der Flasche. Der Ausfluss über den Katheter funktioniert gut. Alles in allem bin ich zufrieden mit ihm."
Sie schaut uns traurig an.
Tabea:"Wenn da nicht der Herzfehler und die nicht funktionierende Niere wäre."
Frederik:"Wie wird es mit ihm weiter gehen?"
Tabea:"Früher oder später werden die Herzklappen ihre Funktionen ganz aufgeben. Das kann von jetzt auf gleich der Fall sein. Wann das ist kann euch niemand sagen."
Ich:"Wenn er jetzt doch operiert werden würde, wie stehen seine Chancen dann?"
Tabea:"Das kann ich schwer sagen. Ich bin keine Kinderkardiologin. Dazu möchte ich gerne Georg dazu holen. Der kann da mehr zu sagen."
Ich:"Ok. Mach das bitte."
Frederik schaut mich irritiert an.
Ich:"Ich möchte alle Optionen kennen."
Frederik:"Ich auch."
Tabea:"Ich werde Georg gleich anrufen. Möchte jemand von euch so lange Oskar auf dem Arm nehmen?"
Ich lächle und nicke.
Tabea:"Dann darfst du dich dort hinsetzen."
Ich setze mich auf einen Stuhl, wo die Rückenlehne verstellbar ist.
Tabea:"Wenn du magst, kannst du  deinen Oberkörper frei machen."
Ich mache das.
Tabea nimmt Oskar aus seinem Bett und legt ihn mir auf die Brust. Danach deckt sie ihn zu.
Endlich ist der Moment da, auf den ich so lange gewartet habe. Ich habe meinen Sohn bei mir. Ich spüre seine Wärme und seinen Atem. Es ist ein wunderschönes Gefühl.

Eine halbe Stunde später kommt Georg herein.
Georg:"Hallo. Ihr wolltet mich sprechen bzgl. möglicher Herz-OP bei Oskar. Ist das richtig?"
Ich:"Ja."
Georg nimmt sich einen Stuhl und setzt sich vor uns hin.
Georg:"Ich habe Oskar gestern untersucht. Nach dem Stand gestern ist eine OP wegen des Fehlers der Herzklappen und Loch im Herzen möglich. Wir würden dafür den Brustkorb öffnen und versuchen die Klappen wieder herstellen. Sollte das nicht gehen, dann würden wir künstliche Klappen einsetzen. Mit den künstlichen Klappen kann heutzutage auch gut gelebt werden. Der Patient muss dann ein lebenslang Medikamente nehmen. Insofern der Kreislauf vom Baby mit macht würde ich das Loch vom Herzen schließen. Sollte der Kreislauf instabil sein würden wir die OP beenden und in einer zweiten OP das Loch schließen."
Ich:"Wie stehen Oskars Chancen?"
Georg:"Ich muss es realistisch sehen. Er wiegt wenig. Jedes Gramm mehr wäre gut. Allerdings muss auch geschaut werden wieviel Zeit noch verstreichen kann. Denn umso schlechter der Zustand von Oskar ist, desto schwerer ist die OP."
Frederik:"Kann Oskar die OP überleben?"
Georgs Blick wird betrübt. "Ich kann dazu keine Aussage machen, denn jede OP verläuft anders."
Frederik schaut zu mir und dann wieder zu Georg.
Frederik:"Hätten seine Chancen gestern besser gestanden?"
Georg schüttelt den Kopf. "Heute ist sein Zustand wesentlich besser und wenn Oskar so weiter  macht wie jetzt, dann stehen seine Chancen morgen bzw. die nächsten Tage noch besser. Allerdings steckt niemand im Baby drin. Schließen die Klappen sich besteht lebensgefahr und eine OP sehr schwer. Im besten Fall sollte eine OP im Zustand wie jetzt statt finden."
Ich schaue zu Oskar.
Georg:"Habt ihr noch Fragen?"
Ich schüttel den Kopf.
Frederik:"Nein."
Georg:"Wenn ihr noch was wissen möchtet, dann sagt Bescheid."
Frederik:"Das machen wir."
Georg geht.

Das verlorene KindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt