Jeden Tag, den sie bei Mike und Hilde verbrachten, sah Samu besser aus. Frischer. Nicht mehr so, dass man jede Sekunde mit einem Zusammenbruch rechnen musste. Er war noch immer nicht der Samu, den alle kannten und gerne wieder hätten. Aber zumindest ging es ihm körperlich wieder besser. Jeden Morgen ging Samu seine Runde Laufen, bevor er sich von Hilde und ihrem leckeren Frühstück verwöhnen liess. Danach war immer eine Weile Proben angesagt. Der Rest des Tages, diente als Freizeit. Weshalb Mikko diese Woche auch angeordnet hatte.
Samu machte gleich noch eine Woche mehr daraus. Auf ihn wartete schliesslich niemand zuhause, der ihn vor der Tour gerne noch etwas um sich haben möchte. Samu würde direkt von Mike ans Konzert nach Finnland zurück kehren. Man möge sagen, dass das etwas Sinn frei war, weil er danach gleich wieder nach Deutschland musste. Doch Samu spürte einfach, dass er eine Woche mehr brauchte, um noch mehr runter zu kommen. Er musste so viel Energie, Kraft und Ruhe tanken, wie er nur konnte. Und so wie es aussah, war dies nur hier möglich. Zuhause würde Samu die Decke auf den Kopf fallen. Wahnsinnig werden. Denn Rikus Geist verfolgte ihn noch immer in ihrem gemeinsamen Haus. Sollte das mit ihm und Riku, definitiv nicht mehr zu flicken sein, würde Samu ausziehen. Er könnte nicht länger dort wohnen bleiben. Darüber dachte er jedoch erst nach, wenn es soweit war. Was Samu nicht hoffte.
Was für ein herrlicher Tag heute doch war. Samu sass, wie jeden Tag, am See. Die Stille dort, die nur zwischendurch durch Geräusche der Natur und dem leichten Plätschern des Wassers unterbrochen wurde, war wie Balsam für Samus gestresste und getrieben Seele. Er spürte, wie er ruhiger wurde. Weniger oft aus der Haut fuhr oder grundlos einfach in Tränen ausbrach. Die besten Voraussetzungen, um auf Tour zugehen. Weshalb ihn die Jungs gerne noch eine Woche hier liessen. Samu musste schmunzeln. Wenn sie könnten, würden sie ihn wohl noch länger hier lassen. Riku dazu stecken, damit endlich alles ein Ende hatte und gut wurde. Wenn es so einfach wäre.
„Ein Lächeln und doch so ein schweres Seufzen.“ Berührte Mike Samus Schulter und setzte sich neben ihn auf den Steg, der ins Wasser führt. Sie liessen ihre Füsse über dem Wasser baumeln. Wobei Samus immer mal wieder leicht das Wasser berührten. „Macht es nur den Anschein oder geht es dir besser?“ Sah Mike Samu von der Seite her an. Die dunklen Ringe unter den Augen, waren weg. Oder zumindest heller geworden. Seine Augen sahen frischer aus. Die ganze Erscheinung, dieses eins neunzig Mann, war wieder besser. Aufrechter. Irgendwie hoffnungsvoller. „Macht nicht nur den Anschein. Dieser Ort hier, ist eine wahre Wunderquelle. Seit Monaten Schlafe ich nicht mehr so gut und viel, wie hier, vom ersten Abend an. Man merkt erst, wenn man es wieder kann, wie essenziell Schlaf ist, um richtig zu funktionieren.“ – „Das freut uns, dass es dir besser geht. Wir haben uns wirklich Sorgen gemacht. Hilde hätte dich am liebsten in Watte gepackt, damit nichts passiert und dein Herz nicht noch mehr Schaden nimmt.“ Samu lächelte. „Sie ist ein wahrer Engel. Und ich verspreche dir, dass ich von nun an, mindestens einmal im Jahr, her kommen werde. Hier ist der perfekte Ort, um vor oder nach einer Tour, zur Ruhe zu kommen.“ – „Mit Riku?“ Samu schluckte schwer. „Wenn ich das, was ich vermasselt habe, wieder gerade biegen kann, dann...nur mit Riku.“ Samus Stimme zitterte. Nichts lieber würde er tun. „Wenn es dazu beitragen würde, dass wir wieder eins werden, würde ich ein Jahr lang die Karriere in der Ecke stehen lassen und mit Riku hier Zeit verbringen und das Leben geniessen.“ Mike musterte Samu erstaunt. „Das würdest du tun? Alles aufs Spiel setzen?“ Samu nickte. „Werde ich so oder so. Egal ob Riku mir jemals verzeihen wird oder nicht. Am Ende der Tour, setze ich alles auf eine Karte. Auf die Karte ‘Outing’. Und mir geht schon jetzt der Arsch auf Grundeis, wenn ich daran denke.“ Mike wusste nicht, dass Samu gerade so viele Kämpfe zu kämpfen hatte. „Was hast du vor? Erzählst du es mir?“ – „Wenn du mir erzählst wie es Riku geht?“ Sah Samu kurz zu Mike, der nickte.
„In Berlin sind meistens die grossen Bosse an den Konzerten. Um zu sehen, ob ihre Geld Esel, auch einen guten, in ihren Augen, den richtigen Job machen.“ Verdrehte Samu die Augen. „Die beste Gelegenheit, um allen mit zu teilen, wem mein Herz gehört.“ – „Du willst am Konzert, offen zu deiner Liebe zu Riku stehen?“ Samu nickte. „Wir haben uns eine etwas andere Set List für diesen Abend ausgedacht. Alles Songs, die etwas mit Riku und mir zu tun haben. Die wir entweder gemeinsam oder der eine für den anderen geschrieben haben. Bei ‘Welcome to my Life’ dem ersten Song, den wir gemeinsam geschrieben haben, werde ich die Bombe platzen lassen.“
Mike zog seinen imaginären Hut vor Samu. Das war noch einmal eine Nummer grösser, als es einfach in einen Post zu packen oder durch ein Interview öffentlich zu machen. Kein Wunder war Samu das reinste Nervenbündel. Zudem, dass er unter der Trennung und dieser Ungewissheit litt. „Das finde ich echt mutig, Samu. Hut ab.“ Klopfte Mike ihm auf die Schulter. „Es ist schon längst überfällig. Den richtigen Zeitpunkt, habe ich verpasst. Schon lange. Mehrmals.“ – „Und wann war der?“ Samus Blick war über den See gerichtet. Er sah sich und Riku dort, wie sie sich liebten. Fest kniff er die Augen zusammen. „Als diese Bilder von Riku und mir aufgetaucht sind und wir in die Schranken gewiesen wurden. Das mit Vivi als Freundin zum Schein anfing. Doch irgendwie...Ich fühlte mich damals so angreifbar. Ohne Schutz und Stärkung von hinten.“ – „Du meinst Mikko?“ Samu nickte. „Es ist nicht fair, ihm die Schuld in die Schuhe zu schieben. Will ich auch nicht. Er hat uns immer wieder gewarnt, dass wir vorsichtig sein sollen. Doch will man vorsichtig sein müssen, wenn man verliebt ist?“ Samus Blick war fragend. „Nein, will man nicht. Kann man auch nicht. Und am allerwenigsten, sollte man es sein müssen.“ – „Vielleicht, wenn ich von Mikko gespürt hätte, dass er hinter uns steht. Egal was kommt, wäre ich nicht auf all diese Vorgaben eingestiegen. Doch Mikko hat sie mir quasi aufgebrummt. Nicht aus freien Stücken. Aber dennoch.“ Samu schüttelte den Kopf. „Dennoch ist es meine Schuld, wie es jetzt ist. Denn Riku hat mich immer wieder darum gebeten, ja beinahe angefleht, dass sich endlich etwas ändert. Wer konnte es ihm verübeln, wenn er nicht mehr nur der beste Freund, quasi die zweite Geige, spielen wollte. Wenn er sich doch so viel mehr erträumt und erhofft hat. So viel mehr verdient hat. Er hat es verdient, dass man ihm die ganze Welt zu Füssen legt und die Sterne vom Himmel holt.“ Und was hat er getan? Nichts als ihn immer wieder verletzt.
„Riku will weder die ganze Welt vor seinen Füssen, noch die Sterne vom Himmel geholt. Alles was er will, bist du, Samu. Nicht mehr und nicht weniger. Wobei...“ Samu sah zu Mike. Riku wollte ihn immer noch? „Erstaunt dich das?“ So Mike auf Samus unausgesprochene Frage. Samu nickte. „Wie kann man ein Arsch wie mich noch haben wollen, nach allem, was ich ihm angetan habe?“ – „Ach Samu. Mach dich doch nicht so schlecht. Du bist ein Mensch und nicht Superman. Und Menschen machen nun mal Fehler. Am meisten bei den Menschen, die einen am meisten am Herzen liegen.“ Strich Mike über Samus Rücken.
Warum machten die beiden es sich nur so schwer? „Ich denke jedoch, dass du auf dem richtigen Weg bist, Riku entgegen zu gehen. Muss es denn gleich so öffentlich sein?“ Samu nickte. „Ich habe Riku mit meinem Verhalten das Gefühl gegeben, dass er mir weniger wichtig ist, als die Musik und meine Karriere. Das war von Anfang an, seine Angst. Die ich ihm selber bestätig habe. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Ohne Riku hat alles andere gar keinen Sinn. Ich kann nicht mal anständig Songs schreiben ohne ihn. Deshalb muss es gleich so sein. Öffentlich ist öffentlich. Doch auf diese Art und Weise, beweise ich Riku auch noch, dass ich immer noch der Mann bin, in den er sich verliebt hat. Der Mann, der ihn mehr liebt, als alles anderen in seinem Leben. Ich werde niemals jemand anderen lieben, als Riku. Deshalb muss ich es noch einmal versuchen. Muss ich mich an dem einen Strohhalm festhalten. Entweder alles oder gar nichts.“ Mike nickte.
„Es wird nicht reichen. Habe ich Recht?“ Samu suchte in Mikes Augen nach einer Antwort, die ihm Hoffnung gab. „Nun ja...sagen wir es mal so...Riku ist tiefer verletzt, als du es dir wahrscheinlich vorstellen kannst. Als wir alle überhaupt eine Ahnung davon haben. Mir hat er einen kleinen Einblick erteilt. Und ich war schockiert. Ich hatte keine Ahnung, dass ein Mensch eine so gebrochene Seele haben kann, wie sie Riku hat.“
Samu vergrub das Gesicht hinter seinen Händen. Er wusste es. Mikes Worte waren wie heisses Öl. Oder Wasser, welches man in eine Wunde tropfen lässt. Er allein, hatte Riku zu diesem gebrochenen Mann gemacht. „Warum sollte er mir demnach noch einmal eine Chance geben?“ Schluchzte Samu. „Weil er dich liebt, du Idiot!“ Strich Mike durch Samus Haare und zog ihn an sich. Er hätte Psychiater werden sollen, ging es ihm durch den Kopf. „Doch genau so sehr, wie er dich liebt, so sehr versucht Riku sich vor weiteren Verletzungen und Schmerzen zu schützen. Falls er dir, nach diesem unglaublich tollen Vorhaben, was du da auf die Beine gestellt hast, noch eine Chance gibt, erwarte nicht, dass er dir freudig um den Hals fällt und gleich alles wieder ist wie davor.“ Samu schüttelte den Kopf. Er hatte verlernt, naiv zu sein. „Du wirst danach weiter kämpfen müssen, Samu. Es wird weiterhin einer deiner schwersten Kämpfe sein, die du in deinem Leben kämpfen wirst. Oder jemals gekämpft hast. Bist du dir das bewusst?“
Samu löste sich aus Mikes Armen und nickte. „Dann bist du bereit weiter zu kämpfen? Denn wenn nicht, brauchst du gar nicht erst damit anzufangen.“ Fragend krauste sich Samus Stirn. „Eigentlich sollte ich dir das alles gar nicht erzählen. Aber es ist ja für einen guten Zweck.“ Schmunzelte Mike. Auch Samu huschte ein Lächeln übers Gesicht, während er sich die Tränen weg wischte. „Wenn Riku nur auf sein Herz hören würde, wäre er schon seit deiner öffentlichen Liebeserklärung wieder bei dir. Man konnte förmlich nach der Sehnsucht greifen. Seine Angst, dass du danach nicht weiter kämpfen und ihm endlich seinen Wunsch erfüllen würdest, hindert ihn daran. Hindert ihn grundsätzlich daran, auf sein Herz zu hören und diesem auch zu folgen. Und das wird nicht einfach aufhören, Samu. Du kennst Riku. Besser als jeder von uns. Rikus Vertrauen, holst du nicht zurück, in dem du endlich öffentlich zu ihm...zu euch stehst. Zumindest nicht nur. Du musst es ihm beweisen, dass du es ernst meinst. Du kennst all seine Wünsche, die sonst niemand kennt, die tief in ihm Schlummern. Den Grössten, dass ihr offen und frei mit eurer Liebe umgeht, musst du gemeinsam mit ihm leben. Anders wird es nicht funktionieren. Worte reichen nicht mehr aus.“ Das war sich Samu bewusst.
Mike legte den Kopf schräg und musterte Samu. „Doch ich bin mir sicher, dass du das schaffst. Wer, wenn nicht du?“ Wenn nicht Samu, dann schaffte es keiner. „Ich sehe es doch schon in deinem Kopf arbeiten. Wahrscheinlich hast du dir schon tausend tolle, schöne und total romantische Dinge zurecht gelegt, mit denen du Riku wieder mit deiner Liebe überschütten willst.“
Samu biss sich auf die Lippe. Seine Augen bekamen dabei einen ganz besonderen Glanz. „Ich habe schon lange eine Liste im Kopf, mit allem, was sich Riku wünscht zu tun, was andere Paare auch tun. Ich nenne sie die ‘Rikus Freiheit – Wünsche Liste’. Jeden einzelnen Wunsch darauf, werde ich Riku erfüllen. Falls...“ Samu liess seinen Blick wieder in die Ferne schweifen.
„Riku kann gar nicht anders, als dir noch eine Chance zu geben. Nach allem, was du mir erzählt hast, wird der Abend perfekt und genau nach seinem Geschmack. Und passt so unglaublich gut zu dir. Und so lange dir bewusst bist, dass es kein Sonntagsspaziergang werden wird, bist du auf dem richtigen Weg.“ Mike stiess mit seiner Schulter gegen Samus Oberarm. „Schau nicht so trüb in die Zukunft, Samu.“ Erneut schimmerten Tränen in seinen Augen.
„Was ist, wenn sowas noch einmal passiert?“ – „Was genau meinst du?“ Konnte Mike ihm gerade nicht folgen. „Das ich Riku als selbstverständlich ansehe. Ihn über dem ganzen Stress, welcher berühmt sein mit sich zieht, wieder vergessen werde.“ Angst konnte Mike in Samus Augen sehen. „Das wirst du nicht. Niemals.“ – „Woher willst du das wissen?“ – „Weil du, erstens daraus gelernt hast. Und zweitens, weil die Ausgangslage ein andere sein wird. Du musst Riku dann nicht mehr verstecken. Das hat doch überhaupt zu alle dem geführt.“ Samu nickte. „Ich werde ihn niemals mehr verstecken oder verleugnen.“ – „Na also, siehst du. Ausserdem denkst du schon wieder zu weit in die Zukunft und machst dich wegen etwas Unnötigem verrückt. Lass es, Samu. Du hast gerade genügend Dinge in deinem Kopf, die dich verrückt machen.“ Da hatte Mike recht. „Zuerst zählt jetzt die Tour und dein Abend.“ – „Wirst du da sein?“ Bittend sah Samu Mike an. „Das lass ich mir doch nicht entgehen! Ausserdem, kannst du jede mentale Unterstützung gebrauchen. Habe ich Recht?“ Samu nickte. „Dann bin ich da! Ich bin immer für dich da!“ – „Danke!“ Umarmte Samu Mike überschwänglich. „Nicht dafür, Samu. Dafür sind Freunde da!“ Dies scheint für Samu im Moment nicht mehr so selbstverständlich zu sein, da er das Gefühl hat, jeden hintergangen zu haben und all diese Freundschaften nicht verdient zu haben. Ein Weile sassen sie noch dort und genossen gemeinsame die Stille.
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I am living in the Afterglow
FanfictionFortsetzung von 'Leave the past behinde' Riku hat sich, am Ende von 'Leave the past behinde', von Samu getrennt. Weil zu viel vorgefallen war, dass auch die tiefste Liebe, irgendwann nicht mehr ausreichte, um stark zu sein und so weiter zu machen. S...