Kapitel 44

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„Lass uns gehen. Jetzt ist das Licht noch so wundervoll, um mit dem Boot der Küste entlang zu schippern.“ Umfasste Samu Rikus Hand und holte diesen aus seinen Gedanken. Riku drehte seine Hand so, dass er seine Finger mit denen von Samu verschränken konnte. Samus Herz machte Purzelbäume. Etwas kühl, aber wundervoll, fühlte sich Rikus Hand an seiner an. „Was hast du bloss die ganze Zeit gemacht ohne mich?“ Küsste Samu Rikus Handrücken. „Gefroren.“ Wusste Riku genau, auf was Samu hinaus wollte. „Armer Kerl!“ Landete noch ein Kuss auf seiner Hand. Das war er wohl. Seine Hände mochten im Moment zwar etwas kühl sein. Doch ansonsten, floss eine angenehme Wärme durch Rikus Körper. Er fühlte sich wie zu Beginn ihrer Beziehung. Frisch verliebt, bis über beide Ohren. Es zeichnete ihm ein Lächeln ins Gesicht. Nicht nur dieses Gefühl. Sondern auch die Tatsache, dass er gerade Hand in Hand mit Samu durch Helsinki schlenderte. Als wäre es das Normalste der Welt. War es ja eigentlich auch. Und doch...in ihrer Situation und allem was geschehen ist, nicht selbstverständlich. Samu war es nicht entgangen, dass Riku auf ihre Hände sah. Sein Gesichtsausdruck, war nicht zu deuten. War es nun gut? Oder wollte er es nicht? Vorsichtig lockerte Samu seinen Griff, um Riku seine Hand zu entziehen. Obschon es für ihn gerade das schönste Gefühl überhaupt war. Noch bevor Samu seine Hand auch nur einen Lufthauch von der von Riku entfernen konnte, verstärkte dieser den Griff wieder. „Es ist so schön normal!“ War seine Antwort auf Samus fragenden Blick. „Ein Punkt von 'Rikus Feiheitswünsche Liste' abgehakt! Hand in Hand durch Helsinki schlendern.“ Grinste Samu. Ein leichter Kuss auf seine Wange folgte darauf von Riku. Samu verstand es als Rikus Art, danke zu sagen.
„Hast du ein neues Boot gekauft?“ Weiteten sich Rikus Augen, als Samu stehen blieb. Samu nickte. „Ich dachte, durch materielle Dinge, dieses Loch in mir stopfen zu können.“ Schmerzlich erinnerte Samu sich an diese Zeit vor einem Jahr. Das Leben war so verdammt sinnlos und vor allem leer, ohne Riku. Riku atmete tief durch, bevor er ihn in den Arm nahm. Ohne darauf etwas zu sagen. Es brauchte nicht immer Worte.
Als Riku an Board war, schrieb Samu kurz Liisa. Für seine kleine Überraschung, brauchte er Hilfe. Die Taue gelöst, sprang er zu Riku an Board. „Na dann, wollen wir das Baby mal aus dem Hafen bringen." Ein Grinsen traf Riku, der sich gesetzt hatte. „Sitzt du auch gut, Löckchen?“ - „Ja Captain! Bin bereit!“ Normalität. Was für eine Wohltat, hatten beide den selben Gedanken. Bei Riku löste es allmählich diesen Knoten. Liess die Gedanken leiser werden. Für Samu bedeutete es innere Ruhe. Seit einem Jahr, hatte er endlich mal wieder das Gefühl, dass alles in ihm zur Ruhe kam. Zwar konnte er bei Mike und Hilde ein wenig abschalten. War es jedoch kein Vergleich zu den Stunden, die er jetzt schon mit Riku verbringen durfte. Allein die Minuten auf dem Flughafen. Es war wie Urlaub für Samus Seele. Das war wohl auch der Grund, weshalb er letzte Nacht so unglaublich gut schlief.

Als sie den Hafen hinter sich gelassen hatten, gab Samu Gas, bis zu einer ganz bestimmten Stelle. Dort schaltete er den Motor aus und liess das Boot so vor sich hin schaukeln. Er setzte sich neben Riku. Gemeinsam, ganz nah nebeneinander, sahen sie auf ihre Stadt. Ihr Zuhause. Ihre Heimat. Der Ort, an dem sie die Liebe fanden. Die Sonne, liess die weisse Fassade des Doms, beinahe funkeln. Riku liess seinen Kopf auf Samus Schulter sinken und legte eine Hand auf dessen Bein. Samu kniff kurz die Augen zusammen. Ein Kribbeln jagte von der Stelle, direkt zwischen seine Lenden. Beinahe schmerzlich regte sich sein, eben noch kleiner Freund, in der Hose. Samu legte seinen Arm um Riku und zog ihn noch etwas dichter an sich heran. Seine Nase strich kurz durch die weichen Haare, bevor Samu seinen Kopf gegen den von Riku lehnte. Etwas umständlich, fischte er sein Handy aus der Jackentasche. Dieser Moment, musste festgehalten werden. „Muss das sein?“ Brummte Riku. „Schscht, sei still und geniesse den Ausblick.“ Drückte er Riku einen Kuss in die Haare und zog ihn noch näher. Falls dies überhaupt möglich war. Er wollte später, falls Riku einverstanden war, einen Post damit machen. Es war einfach gerade der perfekte Augenblick. Samu würde wahrscheinlich noch oft dieses Gefühl haben, weil alles neu und doch so vertraut war.

„Möchtest du auch mal?“ Unterbrach Samu irgendwann die Stille, die sie einfach genossen. Mit diesem herrlichen Blick vor ihnen. Riku schien tief in seinen Gedanken zu sein. „Hey Süsser.“ Berührte er Riku mit seinen Lippen. Samu konnte einfach nicht widerstehen. Etwas verwirrt, blinzelte Riku, dann sah er Samu an. „Hast du was gesagt.“ Jetzt einfach nur den Kopf etwas neigen und er könnte...Stoppte sich Samu in seinen Gedanken. „Ob du auch mal fahren möchtest?“ - „Warum reden wir nicht noch ein wenig?“ Riku wollte noch wissen, wie es bei den Meetings lief. „Ok. Was möchtest du wissen?“ Lenkte Samu ein. „Wie lief es in Berlin?“ Ein tiefer, schwerer Seufzer entwich Samu. „Die Kurzfassung...Dementieren oder wir sind draussen. Was uns, laut den Bossen, ruinieren wird.“ Riku umschloss Samus Hand, die eben noch in seinen blonden Haaren lag. „Und die lange Fassung?“ - „Die gibt es nicht." Ein fragender Blick, aus zwei warmen blaugrauen Augen, traf Samu. „Die haben uns...zumindest mich, behandelt wie der grösste Anfänger im Business. Und überhaupt den grössten Vollidiot auf Erden. Das liess ich mir nicht bieten und bin leicht ausgerastet.“ Zuckte Samu gleichgültig mit den Schultern. Konnte sich Riku lebhaft vorstellen. „Zweimal...Als ich dementieren sollte, gleich noch mal.“ Rikus Augen wurden gross. „Die taten tatsächlich so, als hätte ich das einfach so aus einer Laune heraus gemacht. Ohne jemanden einzuweihen. Dabei habe ich alles, ausführlich, mit Mikko und den Jungs besprochen. Ich habe immer noch ein schlechtes Gewissen, ihnen gegenüber.“ Redete sich Samu in Rage. „Nett, nannten sie es...ich hätte dem Krawatten Heini am liebsten...“ Schmale, kühle Hände an seinen Wangen, liessen Samu inne halten. „Bevor du mir noch von Board fällst, setz dich wieder hin.“ Redete Riku ruhig auf Samu ein. „Bitte!“ Zuerst sah Samu ihn nur an. Wut und Tränen, schimmerten in seinen Augen. Rikus Hand, die immer wieder über Samus raue Wange strich, beruhigten diesen allmählich. „Besser?“ Samu nickte.
„Jetzt setz dich wieder.“ Drückte Riku Samu auf die Sitzbank. „Hat Mikko einen Schlachtplan?“ - „Er hat mit Jukka irgendwas ausgeheckt. Sie wollten mich nicht mit rein ziehen, da es mir ziemlich beschissen ging. Universal Finnland hat mal Interesse gezeigt.“ Immer noch lag Rikus Hand an Samus Wange. Die andere lag auf dessen Hand. Seine ruhende Insel, ging es Samu durch den Kopf. Riku war immer schon der Mensch, der ihn beruhigen konnte. Wenn er durch die Decke ging oder kurz davor war, holte Riku ihn wieder da runter. „Was ist mit The Voice?“ - „Das war wie Tag und Nacht. Sie waren total nett und verständnisvoll. Mich jetzt noch raus schmeissen, wäre ohnehin unmöglich. Also muss ich bald noch einmal nach Berlin.“ Senkte Samu entschuldigend den Blick. „Das war mir schon klar. Wusste ich doch, dass du wieder mit machst. Wir wollen schliesslich endlich den Sieg hier in Finnland.“ Lächelte Riku leicht. „Du weisst, ich hatte nie etwas gegen deine Projekte. Gegen keines. Denn ich sah, wie viel Spass sie dir machten. Du bist wie gemacht für diesen roten Stuhl. Und ich...ich bin jedes Mal unglaublich stolz auf dich!“ Küsste Riku Samus Wange. „Es waren mehr die Umstände. Wie sich alles entwickelt hat.“ Samu nickte. „Das wird nicht mehr passieren. Erstens, weil wir jetzt offiziell zusammen sind...oder zumindest...“ Unsicher sah Samu Riku an. Dieser lächelte nur leicht. „Und zweitens, weil ich nicht mehr mit machen werde. Auch wenn sie mich gerne wieder haben möchten.“ - „Sie wollen dich für eine weitere Stafel?“ Riku war erstaunt. „Ja. Aber ich habe ihnen noch nicht zu gesagt. Werde ich auch nicht.“ - „Darüber reden wir noch einmal.“ Samu schüttelte den Kopf. „Doch, werden wir. Falls es noch einmal zur Sprache kommt.“ - „Du bist unglaublich, Riku Rajamaa. Weisst du das?“ Riku lächelte verlegen. „Ich möchte nur nicht, dass du wegen mir alles was dir Spass macht, aufgibst. Du hast schon deine grosse Leidenschaft aufs Spiel gesetzt. Wenn die dich, trotz deinem Outing, immer noch wollen, dann solltest du genau deswegen zu sagen. Um allen anderen zu zeigen, dass sie falsch lagen.“ Riku konnte noch nicht mal zu einem aufmunternden Lächeln ansetzen, spürte er auch schon Samus Hände an den Wangen und gleich darauf die warmen Lippen auf seinen.

I am living in the AfterglowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt