Kapitel 702

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Sicht Wincent

Heute ging es endlich wieder los. Die erste Show nach fast einem Jahr. Ich war wahnsinnig aufgeregt, dabei lag ich gerade noch in meinem WG-Bett in München. Isa hatte die letzte Woche nochmal richtig über den Planungen gehangen, zumindest, wenn sie nicht gerade mit Johannes unterwegs war. Warum auch immer sie meint, dass sie zwei Künstler betreuen muss, aber es scheint wohl Spaß zu machen und die nächsten zwei Monate hatte ich ihre Aufmerksamkeit dann wenigstens mal gepachtet. Abgesehen davon, dass sie meine Frau ist und ich somit eigentlich noch viel öfter in ihrem Fokus stehen dürfte. Aber naja. Ich griff mir mein Handy und sah eine Nachricht von Isa. Sie war schon da und kümmerte sich darum, dass am ersten Tag alles organisatorisch lief. Wir hatten zum Glück ein erfahrenes Team dabei, jeder wusste eigentlich, was er zu tun und zu lassen hatte, aber nach so langer Pause war das auch für uns manchmal gar nicht so einfach. Ich schrieb Isa schnell zurück, dass ich mich jetzt fertig machen würde und dann auf den Weg machen wollte. Ich musste ja mit öffentlichen Fahren, da ich sonst mein Auto irgendwo hätte stehen lassen müssen. Ob das eine Gute Idee war, wusste ich nicht, aber ich hatte jetzt eh keine Wahl mehr.

Gut gelaunt machte ich mich auf den Weg und tatsächlich lief alles viel reibungsloser, als gedacht. In Wiesbaden angekommen musste ich mich erstmal orientieren und da es zeitlich doch langsam von Fans tummeln konnte, entschied ich mich für ein Taxi. Auch das klappte alles super und ich kam am Gelände an. Ich ging erstmal rein und sah mich um. Der Bus war noch nicht da und irgendwie war weit und breit niemand zu sehen. Ich schnappte mir mein Handy und rief Isa an, doch die Drückte mich sofort weg. Schulterzuckend schmiss ich meinen Rucksack in irgendeine Ecke und erkundete das Gelände ein wenig. Ich begrüßte jeden, der mir über den Weg lief und langsam wurde mir klar, dass heute endlich der Tag war, auf den ich schon so lange gewartet hatte. Ich wusste, dass Isa nicht wollte, dass ich hier überall rumlief, aber gerade hatte ich ja keine Wahl, ich musste sie ja erstmal suchen. Also vermaß ich einmal den Backstagebereich, bis ich im Innenraum des Stadions stand. Einen kleinen Moment betrachtete ich alles, bis ich Isa und Goldi mit mehreren Männern am Ende des Areals entdeckte. Ich wollte einfach nur noch meine Frau umarmen und küssen, nach der letzten Woche. Ich joggte ein Stück auf sie zu, wurde dann aber langsamer. Das schienen die Veranstalter zu sein, mit denen sie sich unterhielt und das klang alles andere als entspannt. Ich drehte also wieder ab und ging zu Tom, welcher schon aufbaute. Bei Tom war man immer gut aufgehoben. Wir quatschten ein bisschen, bis ich sah, wie Isa mit Noah da stand und sich unterhielt. Ich rannte sofort zu ihr und vergrub sie von hinten in einer festen Umarmung. Isa erschreckte sich kurz, entspannte sich dann aber sofort wieder. „Hey", murmelte ich leise und schlang meine Arme noch fester um sie. Ich schloss meine Augen und vergrub meine Nase in Isas Haaren. Wie sehr ich sie vermisst hatte und wie sehr ich sie vor allem zwischendurch gebraucht hätte. „Wincent", sagte Isa irgendwann leise und da wusste ich, ich musste mich lösen. Ich lockerte meine Umarmung also und Isa drehte sich zu mir. „Nachher, ja? Ich muss weitermachen", erklärte sie und sofort trat Enttäuschung in meine Augen. „Geh bitte mit Noah nach hinten und mach nochmal nen Corona-Test. Wenn ihr damit durch seid, könnt ihr ein bisschen rumlaufen und filmen oder Fotos machen, aber nur im Backstage. In zwei Stunden ist Besprechung, da kommt ihr dann hin und dann gibt es alles Weitere", erklärte sie und ich nickte einfach nur. Ich brauchte doch gerade einfach nur fünf Minuten mit meiner Frau und nichts anderes. Trotzdem trottete ich Noah hinterher und sammelte meinen Rucksack wieder ein. Wir gingen zu den Garderoben und ich bezog meine -kurz: innerhalb von einer Minute hatte ich für mein gewohntes Chaos gesorgt. Ich schob mir nen Stäbchen in die Nase und wartete dann mit Noah auf das Ergebnis. „Alles gut bei dir?", wollte er dann wissen. „Passt... ich mags nur nicht, wenn Isa so drauf ist. Sie hat mich nicht mal richtig begrüßt", brummte ich. „Hier ging auch schon die Hölle ab, bevor du kamst. Gib ihr Zeit das alles in den Griff zu bekommen und dann passts", sagte Noah. Ich nickte und sah ihn an. „Was war los?", fragte ich und sah ihn an. Und dann erzählte er die Storys, von komischen örtlichen Veranstaltern, Stress mit den LKWs, dem Tourbus, der nicht kam und so weiter und so fort. Kein Wunder, dass Isa ziemlich fertig mit den Nerven war. Nachdem der Test negativ war, gingen Noah und ich ein bisschen das Gelände erkunden und dabei lief Isa uns nochmal über den Weg. Sie sah wirklich fertig aus, schenkte uns aber trotzdem ein Lächeln.

Bis zur Besprechung verbrachten Noah und ich die Zeit mit lustigen Aufnahmen und ein paar Fotos. Überpünktlich ließ ich mich im Konferenzraum auf einen Stuhl fallen und wartete auf den Rest. Isa kam und blieb erstmal erstaunt stehen. „Ich kann auch pünktlich", grinste ich. „Sehr gut. Hier nach gibts Mittag und dann mach ich erstmal Pause so gut es geht", erklärte sie. „Hab ich dann auch Pause?", hakte ich skeptisch nach. „Ich denke das bekommen wir hin", nickte sie.

Die Besprechung war langweilig, aber wichtig. Es gab so verdammt viele Regeln, an die wir uns halten mussten und so viele Infos, die würde ich nie in meinem Leben in meinen Kopf bekommen, aber dafür hatte ich ja zum Glück Isa. Bis zum Soundcheck war es nun noch knapp über eine Stunde und die war fürs Essen reserviert. Wir hatten kein wirkliches Catering, also schnappte sich jeder nur irgendwas und verschwand in seiner Garderobe. Ich wollte Isa gerade schreiben, wo sie war, als sie mit ihrem Essen rein kam und die Tür hinter sich schloss. „Ich mag nicht mehr", lachte sie leicht und kümmerte sich dann erstmal um Goldi, welchen sie auch noch mitgebracht hatte. Sie machte ihm die Kenndecke und die Leine ab, gab ihm Wasser und streichelte ihn kurz, bevor sie zu mir kam und mich ansah. „Hey erstmal", schmunzelte sie und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. „Kann ich dir irgendwas abnehmen?", wollte ich wissen, doch Isa schüttelte mit dem Kopf. „Es läuft jetzt alles", sagte sie und biss in ihr Brötchen. Ich wusste gerade gar nicht so wirklich, was ich sagen sollte, ich aß einfach und starrte gedankenverloren in den Raum. „Geht es dir gut?", fragte Isa mich. Ja... gute Frage. Ging es mir gut?

Träume oder Wünsche // Wincent Weiß FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt