Kapitel 790

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Sicht Wincent

Den ersten Tag Zuhause hatte zumindest ich hauptsächlich schlafend verbracht. Isa war zwar auch fix und fertig von den Tourtagen, aber die musste sich trotzdem gelegentlich um Whisky und auch Goldi kümmern. Ich hatte immer wieder angeboten ihr zu helfen, aber das wollte sie nicht. Ihr war es wichtiger, dass ich mich ausruhte, schließlich war ich bald wieder gefordert. Aber am zweiten Tag Zuhause beschloss ich, dass wir auch irgendwas von unseren freien Tagen haben sollten und stand früh auf, noch vor Isa, und ging eine große Runde mit Goldi. Auf dem Rückweg kehrten wir beim Bäcker ein und ich richtete alles für ein gemeinsames Frühstück her. Ich wusste, dass wir sonst nichts vorhatten an diesem Tag, also wollte ich den für uns nutzen. Auch wenn das Verhältnis zwischen Isa und mir bei Weitem nicht mehr so angespannt war, wie noch vor ein paar Wochen, war dennoch nicht alles wieder im Reinen. Ich wusste, Isa wollte Zeit, die hatte ich ihr auch gegeben, aber ich hatte auch das Gefühl, dass noch Einiges unausgesprochen zwischen uns stand. Mir war klar, dass mich mit diesem Gespräch alles wieder einholen könnte, aber da musste ich wohl oder übel durch- zumindest wenn ich meine Ehe wieder zurückhaben wollte. „Was is denn hier los? Schon wieder Frühstück für mich?", holte mich Isas Stimme aus meinen Gedanken. Sie war scheinbar frisch aufgestanden, so sah sie zumindest aus, mit ihren zerstrubbelten Haaren und ihrem Schlafoutfit. Dazu gähnte sie herzhaft, ehe sie Goldi seine Streicheleinheiten schenkte. „Für dich immer", grinste ich nur und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Willst du erst ins Bad oder bist du schon bereit dich mit mir hier hin zu setzen?", fragte ich. „Ich geh erst nochmal schnell ins Bad", meinte sie und ich atmete etwas erleichtert auf. Irgendwie war ich nervös, dabei wusste ich gar nicht warum genau. Und die Nervosität schwand auch nicht, während ich mit meinem Kaffee auf der Terrasse saß und Isa mir mittlerweile gegenüber. Sie wirkte so unbedarft, so entspannt, dass ich mir wirklich überlegte, ob es das wert war wieder mit meinem Ausbruch die Stimmung zu killen. Aber ich konnte nicht mehr, dieses Hin und Her machte mich fertig. Weil ich immer wieder phasenweise das Gefühl hatte Isa wäre immer noch nicht ganz darüber hinweg. „Sag mal, Wincent, was is eigentlich los mit dir?", hörte ich plötzlich Isa sagen und da sah ich sie an. Sie legte ihren Kopf schief und musterte mich. Erst jetzt merkte ich, dass ich mich richtig an meine Kaffeetasse geklammert hatte. „Is irgendwas?", fragte sie wieder und langsam erkannte ich die Angst und Unsicherheit in ihrem Blick. „Ne, also ja...also ne", stammelte ich und wusste nicht, wie ich das Thema anfangen sollte. Meine Unsicherheit trug nicht unbedingt dazu bei, dass Isa sich entspannte- im Gegenteil. „Wincent, du machst mir Angst...", meinte sie. Okay, es war Zeit den Mund aufzumachen, mahnte meine innere Stimme. Ich versuchte ihr gut zuzureden, um sie erstmal von den Gedanken wegzubringen, dass was passiert war, denn das war es ja nicht. „Aber ich wollte nochmal über die Sache am Bodensee reden", schob ich nach und wartete auf ihre Reaktion. Sofort verkrampfte sie sich, denn nach wie vor war das nicht ihr Lieblingsthema. „Wir haben doch gesagt, das is durch", murmelte sie nur und stocherte in ihrem Müsli rum. Ja, das Thema war so richtig durch, ganz bestimmt, dachte ich. Ich musste weiter ausholen. „Ich weiß, wir haben viel darüber geredet und so, aber ich merke einfach, dass wir nicht darüber hinweg sind...dass dich das immer wieder einholt, und das will ich nicht mehr", redete ich weiter. „Ich hab doch gesagt ich brauch Zeit, Wincent", sagte Isa und so wie sich ihre Stimme überschlug, dachte ich, sie würde gleich wieder heulen. Aber sie schluckte und sah mir dann fest in die Augen. „Ich hab dir gesagt ich werd das hinkriegen, aber dass ich Zeit brauche. Du hast mich echt verletzt, Wincent. Und damit meine ich nicht, dass du das überhaupt gemacht hast, sondern dass du mich angelogen hast", sagte sie. Ich weiß doch, flehte ich in Gedanken. Ich griff nach meinem Handy und tippte darauf rum, bis ich gefunden hatte, was ich suchte. „Hilft es dir, wenn du das Video siehst?", fragte ich. Das wollte ich zwar eigentlich auf gar keinen Fall, aber wenn es die einzige Möglichkeit war, um einen Haken daran zu machen, würde ich das versuchen. „Nein", sagte sie sofort, sodass ich zusammenzuckte. Irgendwie war ich froh darüber, aber irgendwie auch nicht- schließlich fiel mir langsam wirklich nichts mehr ein. „Dann sag mir, was ich machen soll, damit wir diese Zeit hinter uns lassen können. Isa, ich würde alles tun, wirklich. Das war so bescheuert, ich weiß das. Ich hätte das nicht machen dürfen. Ich weiß nicht, was da in mich gefahren ist", betete ich ihr zum wiederholten Male meine Entschuldigung vor. Ich versuchte ihr zu erklären, was ich gefühlt hatte, warum ich dachte, dass diese ganzen Aktionen eine gute Idee waren. Dass ich mich urplötzlich so eingeengt fühlte und das als meine einzige Möglichkeit des Ausbruchs erschien. Ich brauchte den Adrenalinkick, ich wusste zu diesem Zeitpunkt doch auch nicht mehr genau warum. Isa hörte mir aufmerksam zu, bis ich wirklich keine Worte mehr hatte. Dann sah ich sie an und wartete auf eine Reaktion. Wegen mir konnte sie auch nochmal richtig ausflippen, jede Reaktion war mir lieb, solange es nicht Schulterzucken war. Aber was sie dann sagte, erwischte mich dann doch eiskalt.

Träume oder Wünsche // Wincent Weiß FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt