Kapitel 161: Herantasten

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Sie griff vorsichtig nach seiner Hand, erst ein Finger, dann zwei, sie achtete auf sein Gesicht ob er sich bewegte.
Als keine Reaktion kam, nahm sie die ganze Hand und hielt sie in ihrer.

Er hatte erstaunlich warme und weiche Hände dafür, dass er sonst immer so eine Kälte ausstrahlte. Sie hing ihren Gedanken nach, sie konnte sie selbst kaum fassen, es war immer noch alles so verstrickt, aber sie fühlte sich gerade zum ersten Mal seit einer langen Zeit etwas beruhigter.
Sie mochte merkwürdigerweise seine Nähe und wenn er sie nicht anbrüllte oder mit Blicken schikanierte, war er ein angenehmer Zeitgenosse.

Gedankenversunken strich sie über seine Knöchel, den Handrücken, hoch zu seinem Handgelenk, sie strich über eine kleine Erhebung der Haut. Sie drehte seine Hand vorsichtig und langsam etwas ins Licht und sah eine kleine Narbe, die nicht aussah wie ihre, ihr aber irgendwie ähnelte.
Was hat es mit diesen Narben auf sich?, fragte sie sich und strich noch einmal darüber.

Snape regte sich leicht und Hermine stoppte in der Bewegung, blieb wie angewurzelt sitzen.
„Hermine?", nuschelte er leise und verschlafen. Sie schluckte, was sollte sie machen?
„Bist du das?", fragte er noch einmal und drückte ganz leicht ihre Hand.
„Äh... ja..", sagte sie ebenso leise und rückte etwas näher zu ihm.
Ein verschlafenes Lächeln legte sich auf seine Züge und er drückte ihre Hand etwas mehr, aber nicht so, dass es wehtat. Es war ein angenehmer Druck, er fühlte sich gut und vertraut an.
„Gut, dass du wieder da bist. Du hast mir gefehlt.", sagte er, als er wieder in den Schlaf dämmerte.
Hermine sah ihn perplex an, sie hatte ihm gefehlt? Wo war sie denn? Und was hatte er damit zu tun? Ihr Kopf schwirrte wieder, sie war verzweifelt.
Er klang so glücklich und fast schon liebevoll dabei, das Lächeln, welches sich auf seine Züge gelegt hatte, löste in ihr ein Ziehen in der Magengrube aus.
Es tat ihr leid, dass sie nichts mehr wusste. Wovon wusste sie nichts mehr? War etwas zwischen ihnen passiert? Hatten sie sich in den wenigen Tagen, in denen sie in Hogwarts war, ausgesprochen und das Du angeboten? Und warum hatte er dieselbe Art von Narbe, wie sie?

„Hermine", nuschelte er sich noch einmal leicht wach.
„Schlaf jetzt... Severus", sagte sie und strich ihm über die Hand, sie wusste nicht genau, warum sie es tat, aber es funktionierte. Er lächelte und fand Frieden in seinem Schlaf. Hermine löste ihre Hand von seiner, stand auf und ging auch hier zum Fenster.
Sah auf die Ländereien. Das Gewitter hatte sich langsam beruhigt und die Blitze zogen weiter. Sie sah die Sterne am Himmel aufleuchten und lächelte leicht.
„Könnt ihr mir nicht helfen?", fragte sie leise an sie gerichtet.
Eine Sternschnuppe zog über den gereinigten Himmel und erhellte ihr Gesicht für einen kurzen Moment. Sie lachte ungläubig auf, dann schüttelte sie den Kopf. Sah wieder nach hinten zu Snape, sie ging langsam zurück zum Stuhl, setzte sich drauf und sah ihn wieder an. Je länger sie ihn ansah umso besser fühlte sie sich.

Was ist da nur zwischen uns?, fragte sie sich wieder. Nahm wieder vorsichtig seine Hand und strich darüber.
Ein leichtes Prickeln fuhr durch ihre Haut und ein Kribbeln machte sich in ihrem Bauch breit. Sie hielt seine Hand und spürte die Müdigkeit, die sich langsam auf sie legte. Sie legte ihren Kopf auf ihren Arm, der auf seinem Bett lag. Ihre Augenlider wurden immer schwerer und schlussendlich schloss sie die Augen und gab der Müdigkeit nach.

Am nächsten Morgen wurde sie von einer vorsichtigen Berührung an ihrer Wange geweckt.
Sie blinzelte leicht, es war ziemlich hell, sie hatte leichte Kopfschmerzen.
„Miss Granger?", fragte eine dunkle umschmeichelnde Stimme, die sich wie Honig in ihre Ohren legte. Sie hob leicht den Kopf und sah verschlafen in das leicht lächelnde Gesicht von Professor Snape.
Gestern wäre sie einige Meter zurück gesprungen, heute sah sie ihn interessiert an, ihr Blick glitt über seine Züge.

Sie räusperte sich, „ähm... Guten Morgen Professor.", sagte sie kleinlaut.
„Warum haben Sie hier geschlafen?", fragte er ruhig und sah sie an.
Hermine errötete leicht, „ich... wollte mich eigentlich bei Ihnen entschuldigen gestern Abend... dafür... dass ich Ihnen, laut Lazarus schon wieder, die Rippen gebrochen habe..", sie formulierte sie Entschuldigung als leichte Frage, sie wusste es nicht genau.

Er schmunzelte leicht, „ich bin es mittlerweile gewohnt, dass Sie mir ab und zu weh tun."
„Das ist nicht meine Absicht", sagte sie traurig, ihr Blick war schuldbewusst.
„Ich weiß", sagte er langsam.
Er senkte den Blick, „diese ‚Erinnerung', die Sie gestern gesehen haben, das war keine echte.. es war eine schreckliche Vision, die sich auch für mich sehr echt angefühlt hat.", sagte er nachdenklich.
„Woher wissen Sie das?", fragte sie leise.
„Sie haben es mir gezeigt.", sagte er leicht lächelnd, „Es gab eine Zeit, in der wir uns gut verstanden haben, sehr gut sogar. Wir... haben einander sehr vertraut.", er sah kurz zu ihr, dann wieder auf das Bett.
„So wie... Freunde?", fragte sie verwirrt.
Er lachte leicht auf, „ja... so ähnlich.", er sah sie an.
Etwas in seinem Blick ließ sie erröten. Es fühlte sich irgendwie sehr intim an, als hätten sie wirklich eine große Nähe geteilt.
Diese Gedanken waren noch unwirklicher, als der ganze Zustand, in dem sie sich befand. Hermine und Professor Snape... Freunde... sie schüttelte leicht den Kopf.

„Kaum zu glauben, oder? Befreundet zu sein mit der dunklen, griesgrämigen Fledermaus...", sagte er und musterte sie.
Sie verzog das Gesicht, „ich mag es nicht, wenn Sie sich so bezeichnen...", sagte sie, was er mit einem Lächeln kommentierte.
„Danke", sagte er leise.
„Wofür?", fragte sie und legte den Kopf schief.
„Dafür... dass Sie einfach Sie selbst sind.", meinte er sanft, sah ihr vorsichtig ins Gesicht. Sie tastete mit zitternden Finger nach seiner Hand.
Ließ ihre Finger über seine gleiten und lächelte ihn leicht an. Sein Blick löste wieder einmal ein weiteres Chaos in ihr aus, er sah sie an, als wäre sie der Schatten ihrer selbst, als würde er vor Vermissen vergehen und Nichts und Niemand hätte in davor bewahren können.
Die sonst so kalten Augen von Professor Snape gaben Hermine eine Wärme, die sie irgendwie vermisst hatte.
Sie öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, wurde aber von einem plötzlich erscheinenden Dumbledore unterbrochen.
Hermine sah erschrocken auf ihn und nahm ruckartig die Hand zurück.

Schlimmstenfalls wird alles GutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt