Kapitel 97: Geteilte Trauer

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„Du willst wissen was Dumbledore wollte? Firenze kam nicht zurück, Dumbledore macht sich Sorgen, er weiß, dass wir nachher in den Wald wollen und hat uns gefragt, ob wir nach ihm Ausschau halten könnten. Er hat uns gesagt, worauf wir achten müssen, wenn wir in die Vergangenheit reisen.", meinte sie mit gebrochener Stimme.
„Warum?", wollte er wissen, er hielt sie immer noch fest.
„WEIL WIR FRED RETTEN WOLLEN!", brüllte sie, sie riss sich los und die Kraft in ihr kam vollkommen zum Vorschein, löschte das Feuer im Kamin und schob Severus mit einer Wucht von sich weg, dass er fast das Gleichgewicht verlor.

Ihre Kristallstimme fraß sich in seine Ohren, als sie das Wort wieder an ihn richtete, „ich werde dir nicht immer sagen, was ich vorhabe und das musst du akzeptieren. Ich erwarte, dass du mir ein wenig Vertrauen entgegen bringst. Wir sind miteinander verbunden", sie hob ihr Handgelenk und die kleine sonst so unscheinbare Narbe, leuchtete wie ein Blitz in der Dunkelheit, „das gebe ich nicht auf. Ich weiß nicht, was Lazarus dir getan hat, aber bitte lass mich aus dem Spiel.
Ich mag ihn als Freund, er hilft mir, er ist ein großartiger Zauberer und hat ein schier endloses Wissen, was uns allen von großem Nutzen ist.", sie trat näher zu ihm. „Ich würde dir nie etwas verschweigen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.", meinte sie traurig und ihre Stimme wurde wieder normal.

Severus bei Salazar, warum verlierst du so die Kontrolle?, fragte er sich. Er sackte leicht in sich zusammen, er wusste selbst nicht, warum er so sauer war, so eifersüchtig (?). Sie gab ihm nie einen Grund dafür und er warf ihr das vor den Kopf.
Er stützte sich an der Couch ab, ihm fehlte plötzlich jegliche Kraft und er rutschte langsam an der Lehne herunter. Er saß auf der Erde und legte die Hände auf sein Gesicht, strich sich müde über die Augen.

Hermine atmete einmal tief ein und aus und die Kraft zog sich wieder zurück. Sie ging langsam auf ihn zu, ging in die Knie und hockte sich vor ihn, legte eine Hand auf seinen Arm. Er sah langsam zu ihr, sah sie traurig und beschämt an.
„Severus... was ist los?", fragte sie leise aber verständnisvoll.
„Ich weiß es nicht.", gab er offen zu. „Ich... weiß es einfach nicht."
„Ich weiß nicht, ob das gerade hier was mit Eifersucht zu tun hat oder nicht, ich will nichts von Lazarus... und er nicht von mir. Wir... arbeiten quasi nur zusammen. Du musst dir nicht immer so viele Sorgen machen, egal wie weit wir in die Vergangenheit reisen, ich werde immer zu dir zurück kommen. Nur... zu dir.", sagte sie mit einem freundlichen Lächeln.
Er sah sie traurig an, ein mattes Lächeln legte sich auf seine Züge.
„Entschuldige, dass ich so aus der Haut gefahren bin. Ich wollte dich nicht so anschreien.", er senkte seinen Blick.

Er dachte unweigerlich an Lily Evans, Lily Potter, seine Nemesis. Er dachte daran, wie er sie angeschrien hatte, beleidigt hatte, von sich gestoßen hatte.
Aber Hermine war nicht Lily und er würde Hermine nicht so wie Lily verlieren.
Lily war Geschichte, sie war seine Geschichte und das sollte sie bleiben. Diese Geschichte wird sich nicht wiederholen, dachte er sich. Für ihn gab es jetzt keine Lily Evans, Potter mehr. Für ihn gab es nur noch Hermine.

„Ich kann einfach nicht klar denken, wenn du diese Reisen machst. Wenn ich nicht bei dir bin...", meinte er und Wut mischte sich zu der Trauer.
Sie spürte etwas in ihm, sie spürte die Farbe Grün, sie musste an Harry denken und an eine Lilie. Dachte er an Lily? Sie fühlte einen komischen Schmerz in der Magengegend, ein leichtes Stechen.
Sie schluckte einen dicken Kloß herunter, der sich in ihrem Hals bildete.
„Denkst du an Lily?", fragte sie mit zittriger Stimme. Er nickte.
„Warum?", wollte sie mit derselben Stimme wissen.
Er sah in ihre Augen und war sich nicht sicher, was er sah.
„Ich habe damals auch eine Frau von mir weggestoßen und sie ist gestorben...", sagte er traurig. „Das wird sich nicht wiederholen, glaub mir."
„Denkst du oft an sie?", fragte sie wie in Trance.
„Immer wenn ich Harry sehe...", sagte er gedankenverloren.

Sie stand auf und lief ins Badezimmer, ihr wurde schlecht. Er schlief mit ihr, sie sagte ihm, dass sie ihn liebte und er dachte an Lily Potter? Sie lief schnell zur Toilette und übergab sich. Severus verstand nicht, was los war. Er hörte sie sich übergeben und lief eilig zum Bad.
„Hermine?", fragte er besorgt. Er überlegte, was gerade passiert war. Er dachte an seine Worte, dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er schlug sich die Hand vor die Stirn, wie konnte er nur so dumm sein.

„Hermine!", sagte er und klopfte energisch an die Tür.
„Geh", forderte sie schwach.
„Das war ich über Lily gesagt hab... bitte.. das war nicht so gemeint. Bitte komm raus."
Sie übergab sich erneut. Dann konnte er sie nuscheln hören, „Lily Potter... natürlich... dumm... Severus..."
Er schloss verzweifelt die Augen.
„Ich denke an Lily, wenn ich Harry sehe. Das stimmt. Seine Augen, sind ihre Augen. Aber... ich liebe sie nicht. Nicht mehr. Eine lange Zeit schon nicht mehr... es ist wie ein Mahnmal. Seine Augen... sind ein Mahnmal...", er war verzweifelt.

Er sah plötzlich Szenen vor seinem inneren Auge, der Abend, an dem er zu den Potters ging und Lily tot aufgefunden hat.
Aber es war nicht Lily die er im Arm hielt, sondern Hermine. Er konnte sich nicht bewegen, konnte nur zugucken. Er war wie eingefroren. Über sein Gesicht liefen Tränen, immer weiter, immer mehr. Er konnte dieses Bild nicht verdrängen, konnte seine Gedanken nicht ablenken. Er sah sich selbst auf der Erde sitzen, in seinen Armen Hermine, tot, mit einem gebrochenen Blick.

Hermine benetzte ihr Gesicht gerade mit kaltem Wasser, als sie eine plötzliche schwere Trauer wahrnahm, sie konzentrierte sich darauf, es schien von hinten zu kommen, aus dem Schlafzimmer. Da wo Severus war.
Sie hörte nichts, „Severus?", fragte sie leise. Keine Antwort.
Sie öffnete langsam die Tür und sah vorsichtig ins Wohnzimmer, sie sah niemanden. Dann fiel ihr Blick auf die Erde, auf dem Boden vor dem Badezimmer, an der Wand gelehnt saß er. Sein Blick war starr und eingefroren, über sein Gesicht liefen Tränen, sein Gesicht gezeichnet von Trauer.
Sie fasste ihn am Arm, dann schreckte er hoch und sah sie an. Mit roten Augen und einem Ausdruck auf dem Gesicht, als hätte er einen Geist gesehen oder Lord Voldemort persönlich. Sie hockte sich zu ihm und versuchte zu ergründen, was in ihnen vorging.

Er ließ sie eintreten in seinen Geist, gab seine Mauern frei und Hermine sah Severus auf dem Boden sitzen, sie in seinen Armen. Tot. Sie glaubte das Bild schon einmal gesehen zu haben und erkannte die Szene, aus den Erinnerungen von Severus, die Harry ihnen gezeigt hatte. Es verschlug ihr den Atem. Er hatte offenbar so eine Angst sie ebenfalls zu verlieren, dass er sie in seine Erinnerung projizierte.
Als sie die Trauer in seinem Gesicht sah und in seiner Seele fühlte, konnte sie die Tränen nicht aufhalten, die ihr ebenfalls über das Gesicht liefen. Es brach ihr das Herz, ihn so zu sehen.

„Severus...", flüsterte sie. Sie nahm ihn in die Arme, er legte seine um sie und beide trösteten sich gegenseitig. Sie löste sich von ihm und stand auf, er sah sie an, konnte sich immer noch nicht bewegen.
Sie hielt ihm eine Hand hin, um ihm beim Aufstehen zu helfen. Zögerlich nahm er sie, sie zog ihn mit einem ungeahnten Schwung zu sich hoch und setzte ihn auf das Bett.
Sie setzte sich zu ihm und sah ihn an. Er sah zu Boden, spürte aber ihren Blick auf sich ruhen.
Er sah kurz aus dem Augenwinkel zu ihr, drehte etwas den Kopf, sah dann wieder zu Boden. Hermine wollte etwas sagen, aber sie fand keine Worte. Er spürte ihren Konflikt, nahm ihre Hand und hielt sie fest. Sie legte ihre andere über seine und drückte sie.

„Ich muss gleich los", meinte sie leise, als sie sich die Tränenspur aus dem Gesicht wischte. Er nickte nur, drückte nochmal ihre Hand. Sie stand langsam auf, trat vor ihn und gab ihm einen Kuss auf den Kopf, ließ ihre Hand in seinem Nacken ruhen.
Als sie sich löste, umdrehte und zur Tür ging, kam ein leises „Hermine", von ihm.
Sie drehte sich noch einmal zu ihm um und sah ihn an. Er hob den Kopf, drehte sich zu ihr und sah ihr aufrichtig in die Augen.

„Ich liebe dich auch, darüber muss ich nicht länger nachdenken."
Hermine schenkte ihm ein schiefes Lächeln, „bis nachher."

Schlimmstenfalls wird alles GutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt