Kapitel 177: „Für immer die Deine"

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Hermine warf ihre Serviette auf den Tisch und rannte durch die Große Halle, viele verwirrte Blicke folgten ihr. Sie rannte so schnell, dass ihr die Seiten weh taten und sie fast einige Schüler umrannte.

Im siebten Stock angekommen, lief sie durch den Flur und stand vor dem Raum der Wünsche.
War er hier drin?, fragte sie sich innerlich, konnten Dumbledore und Lazarus ihn deshalb nicht ausmachen? Selbst auf der Karte des Rumtreibers wurden die Leute nicht angezeigt, die sich in diesem Raum aufhielten.

Sie atmete einmal tief durch, konzentrierte sich so sehr sie konnte auf Severus und lief drei Mal an der Wand auf und ab.
Langsam, ganz langsam formte sich eine Tür. Sie war dunkel und schwer und sah aus wie die Tür zu Severus' Privaträumen.
Sie schluckte, strich sich ihre verschwitzten Hände an ihrer Hose ab und legte die Hand an die Klinke.
Ein leichter Stromschlag durchfuhr ihren Körper, dann drückte sie die Klinke herunter und trat langsam ein.

Der Raum war sehr dunkel, als wäre sämtliches Licht von Wolken verschluckt.
Sie spürte eine merkwürdige Kälte, die in jede Zelle ihres Körpers drang.
Sie war noch nervöser, als zuvor.
Langsam ging sie weiter, sie wollte gerade nach Severus rufen, als sie leise Klänge wahrnahm.
Es hörte sich an wie ein Klavier, sie folgte den Tönen, die wie pure Traurigkeit klangen, es zog ihr den Magen zusammen. Sie sah sich um, hier und da könnte sie kleine Kerzenleuchter stehen sehen, die ein wenig Licht spendeten und die sonst so trostlose Umgebung aufhellten.
Sie ließ das Feuer in ihre Augen strömen und nahm eine dunkle Präsenz wahr.
Es war unverkennbar Severus, den sie spürte.

Er war nicht gegangen, er war zwar fort, aber nicht weg. Nur unsichtbar für die Augen der anderen.
Sie lächelte, als sie das feststellte und ging mit mutigen Schritten weiter in den Raum. Nach einer kurzen Strecke sah sie Umrisse, sah jemanden auf einem Hocker sitzen, hinter einem Klavier.
Sie ging leise näher und erkannte, dass es Severus war, der dort saß und seiner Traurigkeit eine Melodie verlieh. Sie schloss kurz die Augen und nahm sie in sich auf, das Herz wurde ihr ganz schwer. Sie stellte sich hinter ihn und musterte ihn.

Er spielte, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Konzentriert, akribisch genau mit einer unfassbaren Flut von Emotionen flogen die Finger nur so über die Tasten und erfüllten den Raum mit der süßesten und traurigsten Melodie, die sie je gehört hatte.
Sie ging einen Schritt weiter zu ihm, stand nah hinter ihm und hob eine zitternde Hand, um sie ihm auf die Schulter zu legen. Als sie ihn berührte, wurde sein Spiel schneller und erboster, er atmete heftig auf und krümmte sich leicht nach vorne, als hätte er unsagbare Schmerzen.
Sie legte die zweite Hand auf die andere Schulter, strich ganz langsam über sie. Nach und nach beruhigte sich sein Spiel wieder. Er war weniger angespannt, lehnte sich langsam gegen sie.
Sie spürte seinen Rücken an sich und festigte den Druck um seine Schultern. Er seufzte auf.

„Warum? Warum quälst du mich so? Immer wieder diese falschen Visionen...", sagte er schwach, seine Stimme war rau.
„Severus", flüsterte Hermine und legte ihre Wange auf seinen Kopf, ihre Hände glitten über seine Brust, sie drückte sich nah an ihn, nahm seinen Kräuterduft auf und lächelte in sich.
Er nahm die Hände von den Tasten und legte sie auf ihre Hände.
„Ich schaffe das nicht länger", sagte er und löste sie von sich.
Sie seufzte und ging um ihn herum, sah ihn an. Sein Blick war traurig und gebrochen, er sah müde zu ihr.
„Ich bin echt", sagte sie und streichelte vorsichtig seine Wange.
Er zog die Augenbrauen zusammen und musterte sie.
„Ich bin hier, bei dir...", fügte sie hinzu und lächelte. Er nahm ihre Hände und hielt sie fest, strich mit dem Daumen über ihre Knöchel.

„Das wäre zu schön um wahr zu sein", sagte er bitter lächelnd. Sie löste ihre Hände von seinen, legte ihren linken Arm auf seinen linken.
Die Runen auf den Handgelenken berührten sich und sogen Hermine in erneute Dunkelheit.

Eine Atmosphäre legte sich um die beiden, Severus sah auf Hermine, auf die Atmosphäre und wartete darauf, dass Hermine wieder ansprechbar war.
Sie reiste in einer unfassbaren Geschwindigkeit durch alle ihre Erinnerungen, sie sah bekannte und neue, sie erlebte die ganze Geschichte, die sie mit Severus hatte. Die Aufeinandertreffen mit dem Obscurus, jedes einzelne Gespräch mit Severus, Lazarus, Remus, Tonks, Harry, Ginny, Molly, den Zwillingen und Ron.
Sie erinnerte sich an ihren ersten Kuss, hier im Raum der Wünsche, an die Abenteuer auf ihrer Couch und ihrem Bett, daran, dass sie jedes Mal gestört wurden und ein Fluch auf ihnen lag, der verhinderte, dass sie zusammen kamen.
Sie erinnerte sich daran, dass Severus gegangen war, wie sie sechs Monate mehr existierte als lebte, wie sie an Weihnachten wieder aufeinandertrafen bei den Weasleys und sie ihm die Rippen brach, sie erinnerte sich an Silvester, an die geflügelte Löwin, die am Himmel erschienen und aus Severus Feuerwerk entstanden war.
Sie sah das erste Treffen mit Lazarus, die Erinnerung, die er mit ihr geteilt hatte. Sie sah ihr erstes Mal mit Severus, all die Male vor dem letzten in seinen Räumen.
Sie sah Abraxas und ihre Reisen, alle Reisen, die sie mit Lazarus vollbracht hatte, alle Menschen, die sie gerettet hatte.
Sie sah den Spinnenangriff auf Hogwarts, sah Fang tot auf der Erde der Eingangshalle liegen, sah wie der Obscurus sich auf Hogwarts zu walzte, wie er Lazarus tötete. Sie konnte sich an die letzte Reise mit Dumbledore erinnern, dass Severus sich an Abraxas Flügel festgehalten hatte, dass Achatius ihn angriff und sie sich vor ihn stellte und durch die Wucht des Zaubers gegen eine der Statuen geschleudert wurde.
Sie erinnerte sich an alles. An einfach alles und jeden. Vor allem an Severus.

Als sie ihre Augen öffnete, strahlten sie Obsidian auf, genau wie die von Severus.
„Für immer die deine", sagte sie leise, lehnte sich zu ihm und küsste ihn.
Er war mehr als nur verwirrt, konnte sich nicht richtig auf den Kuss einlassen. Hermine spürte seine Zurückhaltung, sie sah ihn an.

„Ich weiß wer ich bin.", sagte sie, stand auf und schloss die Augen.

Sie hob die Hände, aus ihnen drangen immer mehr Blitze, sie bündelten sich und verwandelten sich nach und nach in gleißendes weißes Feuer.
Es trat immer weiter aus ihr heraus und legte sich um die Dunkelheit, verbrannte sie, schob sie zur Seite und löste sie auf.
„Man kann die Dunkelheit nicht verbrennen", hauchte Severus und sah ungläubig auf Hermine.
„Nur erhellen", sprach sie ruhig mit einer kraftvollen Kristallstimme.

Kaum hatte sie die Worte gesprochen, stob eine Feuerwelle aus ihr heraus und erhellte den kompletten Raum um sie herum. Severus wurde so geblendet, dass er sich die Hand vor die Augen hielt.
Sie war sein Licht in der Dunkelheit.
Es war nicht Abraxas an jenem Tag, der so geleuchtet hatte, sie war es.
Sie hatte Fred, Tonks, Remus und Lazarus mit ihrem Licht erfasst und erneut vor dem Tod bewahrt. 
Severus stand auf, konnte nicht sich aber nicht lange aufrechterhalten und fiel auf seine Knie, er saß vor ihr und starrte sie an.

Als das reinigende Feuer langsam abebbte, stand Hermine in ihrer unnatürlich mächtigen und wunderschönen Form vor ihm.
Ihre Augen, die während des Feuers gleißend hell waren, wie das Feuer selbst, wandelte sich jetzt wieder in das Obsidian und sahen auf Severus, der fassungslos vor ihr saß.
„Ich würde immer und immer wieder nur dich wählen", sagte sie liebevoll, ging einen Schritt auf ihn zu und kniete sich ebenfalls auf die Erde, nah vor ihm.
„Du... du kannst dich wieder erinnern?", fragte er vorsichtig und sah sie an.
„An alles... an jedes einzelne Detail. An jede Minute mit dir.", sagte sie glücklich. Sie legte ihre Arme um ihn.

Schlimmstenfalls wird alles GutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt