Kapitel 211: Der Morgen oder Die letzte Reise

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Der Morgen
Ich frag mich, was wir taten, du und ich,
Bis wir uns liebten? War'n wir nicht entwöhnt?
Gesäugt von Kinderspielen lächerlich?
In Siebenschläfers Höhle schlafgewöhnt?
So war es wohl -; doch all dies, - eitler Schaum.
Jedoch, wenn jemals Schönes ich erblickt,
Was ich ersehnte, fand: es war von dir ein Traum.
Jetzt den erwachten Seelen Guten Morgen,
Die nun einander, nicht aus Furcht, bewachen;
Denn Liebe wird die Lieb' zu andern schmälen,
Und einen kleinen Raum zur Welt sich machen.
Entdecker laß zu neuen Welten reisen,
Laß Karten Andern Welt um Welten weisen:
Laß eine Welt uns haben - und als eine kreisen!
In deinem Aug erscheint mein Angesicht,
In meinem deins, die reinen Herzen zeigend;
Zwei bessre Hemisphären fand man nicht:
Ohn kalten Nord, und nicht nach Westen neigend.
Was ungleich war gemischt, muß Tod erleiden -
Ist unsre Liebe eins nur, und wir beiden
Gleich liebend: nie kann eins ermatten noch verscheiden.
(John Donne (1572 - 1631))

Hermine wachte mit Schmerzen im Rücken auf, sie verfluchte ihr Alter. 101, keine Kuh wird so alt, dachte sie, musste dann über ihre Gedanken schmunzeln, sie hatte das Todesalter ihrer Eltern schon lange überholt, Muggel werden meistens nicht so alt, Zauberer schon.
Sie streckte sich mit einem Knacken; dem Rücken ging es besser, sie sah auf ihre Hand mit dem immer noch schönen filigranen goldenen Ring mit den roten Saphiren zwischen den ineinander verschlungenen Schlangen, sie glitzerten wie am ersten Tag im Licht der Sonne und warfen immer noch Spiegelungen an die Wand des kleinen Hauses in Spinners End.
Ihre Hand war mit den Jahren alt und runzlig geworden, Altersflecken schienen sich auf ihrer Haut über Nacht zu verdoppeln und sie schüttelte jedes Mal den Kopf, wenn sie neue entdeckte.

Sie sah zur anderen Seite des Bettes, Severus war schon wieder auf den Beinen und wuselte im Haus umher. Je älter er wurde, desto früher stand er auf, etwas, was Hermine nie verstehen konnte.
Sie stand langsam auf, streckte sich noch einmal, die Knochen und Wirbel knackten wieder in ihrem alten Körper, dann schlurfte sie in leicht gebückter Haltung zum Badezimmer und sah in den Spiegel.
Sie hatte lange weiße Haare, die zu einem geflochtenen Zopf zusammengebunden waren. Sie hatte einen aufmerksamen und wachsamen, aber gütigen Blick, ihr Gesicht hatte ebenfalls einige Altersflecken und kleine feine Fältchen um die Augen, die fast schwarz waren, mit einem kleinen Schleier darüber.
Ihre Lippen formten ein weiches Lächeln und waren ebenfalls von Falten umrandet.
„Wie kann man sich so verändern?", fragte sie ihr Spiegelbild und schüttelte den Kopf, dann fing sie an sich zu waschen.

Nach der Morgenpflege ging sie zurück ins Schlafzimmer und zog sich an.
Sie zog einen weiten beigen Wollpullover an und eine schlabberige schwarze Hose, mit warmen Pantoffeln ging sie in die Küche, in der das Frühstück bereits auf sie wartete.
„Guten Morgen Severus", sagte Hermine mit einer rauen Stimme. Severus sah von seiner Zeitung auf und lächelte sie an.
„Guten Morgen mein Liebling", meinte er freundlich und immer noch dunkel.
Seine 120 Jahre sah man ihm mittlerweile an, er hatte einige Falten im Gesicht, die Furche zwischen seinen Augenbrauen die schon mit 37 eine beachtliche Tiefe hatte, war noch sichtbarer, viele Lachfalten zierten seine Augen und seine Mundpartie, er hatte immer noch ein charmantes Lächeln, die Lippen waren mittlerweile nicht mehr ganz so voll, aber trotzdem schön. Sie ging zu ihm und gab ihm einen kleinen Kuss.
„Warum bin ich eigentlich komplett weiß und du komplett schwarz geblieben? Das ist nicht fair", meckerte Hermine, wie jeden Morgen, über ihre Haarfarbe.
Severus seufzte auf, „jeden Morgen diese Diskussion", er schüttelte seine rabenschwarzen Haare etwas mehr, als er eigentlich müsste und lachte, als Hermine genervt die Augen verdrehte.
„Du bist doch auch mit weißen Haaren wunderschön", sagte er und strahlte sie an.

Sie sah ihn zerknautscht an, was mit den vielen Falten im Gesicht recht einfach ging.
Sie kochte einen Ingwertee auf und gab ihm die Tasse, nahm sich selbst einen Schwarzen Tee und setzte sich auf ihren Platz um mit dem Frühstück zu beginnen.
„Ich glaube ich muss heute endlich mal den Vorgarten in Ordnung bringen", sagte Hermine kopfschüttelnd.
„Ja, der sieht wirklich aus wie Kraut und Rüben", meinte er und nahm einen Schluck von dem heißen Tee und verbrannte sich die Zunge und fluchte leicht.
„Warum trinkst du jeden Morgen direkt den heißen Tee?", fragte sie lachend, „Du weißt doch, dass du dich verbrennen wirst."
„Du könntest ihn ja auch einfach nicht so heiß kochen.", sagte er, wie jeden Morgen, mit einer komischen Aussprache wegen der verbrannten Zunge.
„Natürlich mein Schatz, morgen werde ich den Tee mit kaltem Wasser aufkochen", sie atmete laut aus und aß ihr Brötchen.
„Die Heidelbeermarmelade, die wir gemacht haben schmeckt übrigens toll", schob sie nach und besah sich das Glas.
„Danke", sagte er, als er die Zeitung beiseitelegte und sah Hermine eindringlich an.
„Wofür?", sie vermutete, dass er nicht die Marmelade meinte.

Schlimmstenfalls wird alles GutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt