Kapitel 66: Der weiße Trank

1.6K 95 1
                                    


Er überlegte, sie hatte recht. Neben der Bitte, die Albus an ihn gerichtet hatte, hatte er sich immer die Schuld gegeben, keinen ausreichend starken Trank für diesen Fluch erstellen zu können. Er presste die Kiefer zusammen und sah streng zu dem Buch.
„Würdest du mir dabei assistieren?", fragte er Hermine entschlossen.
Sie lächelte und nickte, „ja sehr gerne."
Er nahm ihre Hand und das Buch, stand auf und ging mit ihr in sein Privatlabor.

Er las die Zutaten und Materialien vor, die sie brauchten und Hermine suchte alles zusammen und stellte es auf einen Tisch in der Mitte des Raumes.
Er las gründlich die Anleitung, arbeitete sehr akribisch. Sein Ehrgeiz hatte ihn gepackt und er wollte den Trank perfekt brauen.
Hermine beobachtete seine Handgriffe, er war wirklich der Meister der Zaubertränke.
Sie bewunderte ihn schon früher im Unterricht für seine genaue und konzentrierte Arbeit. Das exakte Maß aller Zutaten, die Leidenschaft beim Brauen, das Wissen, wie der jeweilige Trank auszusehen, zu riechen hatte, welche Geräusche er machte.
Die schwarzen Augen, die alle Veränderungen wahrnahmen und jede mögliche Gefahr binnen Sekunden erkannten und verhinderten.

Sie verbrachten viel Zeit in seinem Labor, der Raum wurde immer weiter aufgeheizt und eine dicke Luft füllte ihn.
Der Trank musste mit hohen Temperaturen gebraut werden, zwischendurch musste die Temperatur auf 0 gebracht werden, dann für einige Zeit ruhen.
Die letzte Ruhephase sollte fast zwei Stunden dauern, Severus musste zum Unterricht.
„Ich werde hier bleiben und aufpassen.", meinte Hermine.
„Ich bin in anderthalb Stunden wieder hier, ist das in Ordnung für dich?", fragte er und musterte Hermine.
Sie lächelte und nickte, „ich möchte den Schülern von Hogwarts nicht den Zaubertränke-Unterricht verwehren.", sagte sie lachend.
„Danke.", meinte er lächelnd und rauschte aus dem Labor in seine Unterrichtsräume.
Severus erinnerte sich, welche Klasse er gleich haben würde. 2. Jahr- Gryffindor und Slytherin. Miss Nell.

Er verdrehte die Augen und stöhnte auf, er wäre am Liebsten wieder zurück in sein Labor gegangen, um mit Hermine den Trank zu beenden, als ihn eine leise Stimme aus den Gedanken riss, er drehte sich zu der Stimme und vor ihm stand eine kleine Gryffindor.
„Professor Snape..", sagte die kleine Miss Nell ehrfürchtig.
„Steht vor Ihnen.", gab er bissig zurück, was er bereute, denn die Augen des jungen Mädchens füllten sich wieder leicht mit Tränen.
„Was gibt es, Miss Nell?", fragte er, etwas freundlicher und ging zu seinem Schreibtisch, setzte sich dahinter und blickte auf die Pergamentrollen, die auf ihm lagen.
Sie ging einen kleinen Schritt in Richtung Pult und sagte, „i-ich, i-ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich gestern Nacht gegen die Regeln verstoßen habe."
Er sah vom Pult auf und hob eine Augenbraue, eine Gryffindor die ihre Fehler einsieht und sich entschuldigt, das kam nicht oft vor.
„Ich hoffe Sie halten sich in Zukunft an die Ausgangssperre.", meinte er belehrend, „was haben Sie überhaupt so spät in der Bibliothek gemacht?"
„Ich wollte etwas über Zaubertränke lesen.", sagte sie leise mit gesenktem Kopf
„Die Bücher, die Sie gelesen haben, kommen erst sehr viel später im Unterricht vor Miss Nell und das nicht ohne Grund. Sie sind für eine Zweitklässlerin viel zu schwer.", sagte er und sah sie eindringlich an.
„Ja Sir. Es tut mir leid.", sagte sie traurig. Es tat ihm leid, dass sie sich schlecht fühlte. Er freute sich insgeheim, dass eine junge Schülerin sich für Zaubertränke engagierte und dann noch eine Gryffindor. Sie ist Hermine wirklich irgendwie ähnlich, nur nicht so tough, dachte er.
„Warum wollen Sie etwas über so schwierige Tränke wissen?", fragte er jetzt doch interessiert.
Sie sah auf und ein Glitzern legte sich auf ihre Augen, „ich finde diese Tränke, dieses Fach sehr interessant. Was man alles herstellen kann mit einfachen Zutaten und der richtigen Technik. Flüssiges Glück... den Trank der lebenden Toten... der Wolfsbanntrank. Stimmt es, dass Sie diesen Trank wirklich für Professor Lupin hergestellt haben? Ich habe gelesen, dass es nur weniger Zauberer gibt, die diesen Trank so hinbekommen, dass er wirkt.", sagte sie aufgeregt. Severus schmunzelte innerlich, so viel Wissen und Neugier.
„Ich weiß zwar nicht, woher Sie diese Informationen haben, aber ja, ich habe diesen Trank für Professor Lupin gebraut.", antwortete er.
Das Glitzern verstärkte sich in ihren Augen und sie wirkte noch aufgeregter.
„Werden wir den Trank hier auch brauen?", fragte sie.
"Nein Miss Nell, er ist sehr schwer und die Zutaten sehr selten und kostbar."
Sie sah nun wieder traurig zu Boden, „achso. Verstehe."
„Aber wir werden im sechsten Jahr den Felix Felicis brauen, wenn Sie dann noch meinen Unterricht besuchen.", sagte er und versuchte sie etwas aufzuheitern, was ihm gelang.
„Ich werde bis dahin alle Zaubertränkebücher gelesen haben und viel lernen!", versprach sie.
„Dessen bin ich mir sicher, denn es wird nötig sein. Ich erwarte in meiner Klasse nur die besten und engagiertesten Schüler.", sagte er und ein leichtes kleines Lächeln huschte über seine Züge.
Gerade als er sich wieder den Pergamentrollen widmen wollte, richtete sie noch einmal das Wort an ihn, „Professor Snape, darf ich frei sprechen?"
Severus sah auf und nickte.
„Ich finde... Sie sind ein toller Lehrer, egal was andere sagen.", sagte sie und schenkte ihm ein kleines Lächeln, ging dann schnell auf ihren Platz, die Stunde würde gleich beginnen und die ersten Schüler der Klasse liefen unmotiviert in den Raum.

Severus lächelte für sich und schüttelte den Kopf, er richtete seine Lehrermaske und erhob sich vom Stuhl, augenblicklich war die Klasse verstummt und aufmerksame Blicke richteten sich auf ihn.
Ob es nun Angst, Respekt oder Antipathie ihm gegenüber war, er mochte den Effekt, den er auf Schüler hatte und begann seinen Unterricht.

Nach anderthalb Stunden war der Unterricht beendet, es war relativ ruhig gelaufen. Hier und da versuchten die Slytherins den Gryffindors falsche Zutaten in den Kessel zu zaubern, was Severus jedes Mal verhinderte und die Slytherins mit einem bösen Blick zu mehr Vorsicht mahnte, sie würden es einfach nie lernen, dachte er sich.
Er beobachtete Miss Nell beim Brauen des Trankes und war recht zufrieden mit ihrer Leistung, was er aber nie offen hätte zugegeben.
Er ließ Kessel, Zutaten und Chaos verschwinden und ging dann eilig in sein Privatlabor, wo Hermine geduldig auf ihn wartete.

Als Severus den Raum betrat, schlug ihm ein intensiver Geruch entgegen, dicke Luft lag zwischen Hermine und ihm und er erkannte, dass sie leicht abwesend auf dem Stuhl saß und in die Luft starrte.
Er ging zu ihr, legte eine Hand unter ihr Kinn und verlangte, dass sie ihn anschauen würde. Hermines verklärter Blick traf Severus' und er seufzte.
Er ging zum Buch, las das Rezept zuende und stieß auf einen kleinen Hinweis ganz am Ende der Seite.
‚Der Trank darf nicht in geschlossenen Räumen gebraut werden, da er starke Gase entwickelt. Das längerfristige Einatmen der Gase kann zu Benebelungen und starken Emotionsausbrüchen führen. '

Na toll, warum hatte er nicht sofort alles gelesen? Dann hätte er Hermine garantiert nicht hier im Raum alleine gelassen.
Er öffnete das Fenster hinter ihr und drehte sie in Richtung Frischluft.
Sie atmete tief ein und aus und schien langsam wieder aufzuklären.
Er ging zurück zum Trank, las noch einmal die letzte Zutat, die in der letzten Minute hinzugefügt werden musste und überlegte.
'Ein Tropfen des Lebenssaftes der schönsten und kostbarsten Blume in der unmittelbaren Umgebung. '
Er zog die Augenbrauen zusammen und sah sich in seinem Raum um, was für eine Blume? Er flog mit den Augen durch den Raum und suchte verzweifelt alles ab, als er zu der Stelle kam, an der Hermine vor dem Fenster saß.
Seine Augen blieben an ihr hängen und sein Gesicht klärte sich auf, er verstand.

Eilig ging er zu ihr, nahm ihre Hand und zog sie zu sich. Hermine wusste nicht wie ihr geschah, ihre Sinne waren immer noch nicht ganz funktionsfähig.
Sie ging mit Severus an den Tisch, er nahm ein Messer und einen ihrer Finger, hielt ihn über den Kessel, „vertraust du mir?", fragte er und wollte damit ihr Einverständnis.
Hermine nickte, er drückte ganz sachte das Messer in ihre Fingerspitze und ein Blutstropfen bildete sich, wurde größer und fiel schließlich in den Kessel.
Der Trank zischte auf, änderte seine Farbe von dunkelbraun in ein reines weiß.
Der Geruch änderte sich ebenfalls, es roch jetzt nach Feuer.

Severus setzte Hermine wieder auf den Stuhl, ging dann zum Tisch und füllte den Trank in Phiolen ab, wobei er wieder sehr akribisch und konzentriert arbeitete.
Hermine beobachtete ihn, durch den veränderten Geruch und das geendete Kochen, war ihr Geist wieder ganz vorhanden und sie musterte ihn.
Wie genau er war, die geübten Handgriffe, der Glanz in seinen Augen.
Ganze sieben Phiolen konnte er mit dem Trank füllen.

Schlimmstenfalls wird alles GutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt