Kapitel 9

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Johannes:

Und als sie nun in ihrem alten, winzigen Auto davon fuhr, während ich in meinem schicken, verdammt teuren Sportwagen saß realisierte, wie sehr unsere beiden Welten sich doch unterschieden. Sie musste um jeden Cent kämpfen, während ich alles hatte, was man sich wünschen konnte. Und trotzdem war sie nicht unglücklich. Ganz im Gegenteil. Wenn man sie so mit ihren Pferden sah, könnte sie gar nicht glücklicher sein. Doch mir ging es nach diesem Tag auch nicht anders. Auch wenn ich Angst vor dem hatte, was mir noch bevorstand, hätte ich nicht glücklicher sein können, denn ich wusste, dass ich sie an meiner Seite hatte. Sie mit den strahlend grünen Augen in denen ich mich stundenlang verlieren könnte. Sie hasste mich nicht. Ganz im Gegenteil. Aus irgend einem Grund mochte sie mich und das machte mich unglaublich glücklich! Mit jedem Tag lernte ich ein bisschen mehr über sie und verstand langsam immer besser, warum sie so war, wie sie eben war. Und nun würde ich ein ganzes Wochenende mit ihr verbringen. Ein ganzes Wochenende nur sie und ich. Auch wenn es nur zwei Tage waren, freute ich mich dennoch so sehr darauf noch mehr über sie zu lernen.

Vorher ging es für mich allerdings nach Hause, wo ich erst einmal unter die Dusche sprang, bevor ich mich schlafen legte. Ich schlief auch tief und fest und wirklich gut, bis ich um drei Uhr morgens aufwachte. Und das war es dann mit Schlaf, denn in mir befand sich eine tierische Unruhe. Die Unruhe, die mir sagte, dass ich mir den nächsten Schuss setzen sollte, doch das würde ich nicht tun. Nie wieder. Ich versuchte mich also zur Ruhe zu zwingen und weiter zu schlafen, doch daraus wurde nichts, weshalb ich schließlich auf stand und meine Sachen packte, um mit ihnen zu dem Gestüt zu fahren. Dort war noch alles ruhig und in eine tiefe Dunkelheit versunken. Immerhin hatten wir gerade mal fünf Minuten vor vier. Müde stieg ich aus dem Auto und ging zu dem Stall, wo ich auf Jess wartete.

Diese stand wenig später auch schon neben mir und fragte verwundert: "Was machst du denn schon hier? Du hättest doch noch schlafen können."

"Konntest du während deinem Entzug perfekt schlafen?", fragte ich.

"Achso. Schlafstörungen. Wie geht's dir sonst so?", fragte sie, während sie ihre Schlüssel hervor kramte.

"Es geht so.", antwortete ich ehrlich.

"Das Schlimmste kommt noch. Momentan dürfte es nur die Unruhe sein, weil das Zeug langsam deinen Körper verlässt.", meinte sie und schloss die Tür auf.

"Was kommt denn noch alles auf mich zu?", fragte ich.
"Das ist bei jedem unterschiedlich, aber du schaffst das schon.", sagte sie und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter, bevor sie in die Sattelkammer ging. Ich brauchte allerdings erstmal einen Moment, um mich zu beruhigen. Sie hatte mich berührt. Zum aller ersten Mal hatte sie mich berührt und auch wenn es nur eine winzige Geste war, löste das so viel in mir aus! Dann beeilte ich mich allerdings ihr hinter zu kommen und fragte: "Was machen wir jetzt?"

"Hast du schon mal Sattelzeug geputzt?", fragte sie und wenig später saß ich dann auch schon mit einem mächtigen Stapel an Sattelzeug in der Sattelkammer und schrubbte alles gründlich. Eine wirklich spaßige Aufgabe war das jetzt nicht, aber es konnte ja nicht alles toll sein.

Am Ende war jedenfalls alles blitz blank geputzt und ich machte mich auf die Suche nach Jess. Ich fand sie auch schon bald auf der Stallgasse, wo sie auf einem Hocker stand und die Zöpfe, die sie Melody geflochten hatte, ordentlich einrollte und oben am Mähnenkamm fest nähte.

"Kann ich dir noch irgendwie helfen?", fragte ich und stellte mich neben sie.

"Ich nähe ihm nur schnell die drei Zöpfe noch hoch und dann können wir den Transporter beladen.", sagte sie ohne den Blick von ihrer Arbeit zu lösen. Kurz darauf war sie auch schon fertig und erklärte: "So. Und jetzt hol ich den Transporter, dann räumen wir den noch schnell ein und dann muss ich auch schon wieder los."

Ich folgte ihr noch nach draußen und wenig später stand ein riesiger Transporter vor dem Stall und ich staunte nicht schlecht.

"Damit fahren wir?", fragte ich erstaunt.

"Ja. Da passen alle Pferde mit Sattelzeug rein."

"Darf man den denn so einfach fahren?"

"Nein, aber ich hab einen LKW Führerschein. Ich darf das."

"Echt?"

"Ja. Den kriegen wir von Carol bezahlt. Und jetzt los."

Gemeinsam packten wir nun alles, was wir so brauchten, in den Transporter, bevor Jess auch schon wieder verschwand, während ich Stephanie bei der Fütterung half und mit ihr zusammen alle Pferde raus brachte. Zu dem Zeitpunkt sollte dann eigentlich Jess kommen, doch von ihr war keine Spur und auch nachdem ich mit Stephanie noch einen Kaffee getrunken hatte, war sie noch immer nicht zu sehen.

"Kann ich dir noch was helfen?", fragte ich daher unruhig.

"Ne. Ich komm schon klar und Jess sollte dann auch gleich kommen.", meinte sie und verschwand. So war ich allein und lief unruhig hin und her, bis Jess endlich kam. Und das ganz ungewohnt in Jogginghose und mit hochgesteckten Haaren.

"Wow! Ein ganz neues Outfit.", bemerkte ich.

"Ja. Das ist Turnieroutfit.", lachte sie.

"Aber du hast nicht vor so zu reiten, oder?"

"Nein. Ich hab die Reithose und das Turniershirt drunter. Das sollte nur möglichst weiß bleiben.", erklärte sie.

"Achso."

"Und jetzt müssen wir Gas geben. Da mein geliebter Professor zu spät war, müssen wir jetzt sehen, dass wir die Zeit beim Verladen wieder rein holen. Du holst die Jungs und ich verlade Melody.", wies sie an und war auch schon verschwunden, während ich Lord und Lucifer aus den Boxen holte. Lucifer war das Pferd von Stephaie, was Jess allerdings, wie ich gelernt hatte, einmal die Woche im Training ritt und mit zu den Turnieren nahm, da Stephanie ihn nur freizeitmäßig ritt und Lord war ein Pferd von Carol, dass als Vertretung für Halim mit kam. Mit den Beiden ging ich also zum Transporter, wo Jess bereits Melody verladen hatte und den Hengsten noch schnell Transportgamaschen anlegte, bevor sie auch sie nach einander verlud. Und dann ging es auch schon los. Die drei Stunden Fahrt sollten sich allerdings ziehen wie Kaugummi. Da wir Beide nicht so recht wussten über was wir reden sollten, schwiegen wir die Meiste Zeit und still sitzen und nichts tun war in meinem Zustand garantiert nicht die schönste Beschäftigung.

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