Jess:
"Kleines, niemand erwartet, dass du das alles völlig allein und problemlos machst. Du bist keine Maschine. Auch du hast Gefühle und ich kann mir vorstellen, dass das momentan alles echt hart für dich ist. Es bringt nur nichts dann ab zu hau-en. Jetzt kommst du bitte erstmal runter und erzählst mir in aller Ruhe, was dich bedrückt. Ich versuche dir zu helfen."
"Du verstehst das nicht. Das kannst du nicht."
"Dann erklär es mir! Waren das die Eltern von dem Patienten von dem du mir erzählt hast?"
"Ja. Er hat so eine tolle Familie und es tut echt weh Men-schen so fertig zu sehen. Diesen Blick von seiner Mutter, als ich ihr erklärt habe, dass er vergewaltigt wurde. Das tat so verdammt weh!"
"Das glaub ich dir. Und was ist mit deiner Chefin? Welche meinst du? Ist irgendwas mit Carol?"
"Nein. Kasey. Das darf ich dir eigentlich gar nicht sagen."
"Du musst reden. Leg einfach los."
"Sie ist selber in gewisser Weise traumatisiert. Zu der Zeit, als ich bei ihr in Behandlung war, hatte sie eine sehr schweres Erlebnis. Sie war damals mit einem ehemaligen He-roin Junkie verlobt. Die Hochzeit stand kurz bevor, aber an dem Abend vorher ist er an einer Überdosis gestorben. Sie hat sich die Schuld gegeben und aufgehört zu behandeln. Sie hat mich und all ihre Patienten abgegeben und seit dem nie wieder auf Heroin behandelt."
"Wie kann sie dann deine Chefin sein, wenn sie nicht behan-delt?"
"Nicht auf Heroin. Heroin ist nicht die einzige Droge von der man abhängig werden kann. Wir behandeln sämtliche Drogen Abhängigkeiten. Wir sind nur auf Heroin spezialisiert und weil ich mich in meiner Ausbildung nochmal extra auf Heroin spezialisiert habe, behandle ich fast nur Heroin kranke. Sie behandelt alles außer Heroin Kranke."
"Und was ist daran so schlimm? Ihr seid doch genug Leute."
"Eben nicht. Sue wird in ein paar Monaten ausfallen, mein Kollege ist in der Zeit in Elternzeit und ich weiß nicht in wie weit ich dann noch arbeiten kann. Wir sind alle drei auf Heroin spezialisiert und wenn wir alle ausfallen, muss sich irgendwer um alles kümmern. Meine Chefin ist die Einzige, die das fachlich alles kann und dazu noch die Erfahrungen hat. Selbst wenn Sue und mein Kollege nicht ausfallen, kann niemand außer mir und ihr den wirklich extremen Patienten helfen. Das heißt wenn ich nicht mehr arbeiten kann und sie sich weigert zu behandeln, ist niemand da, der diesen Men-schen hilft."
"Dann gehen die eben in eine andere Klinik."
"Warst du schon mal in einer Entzugsklinik?"
"Du weißt warum ich nie wieder in irgend eine Klinik gehe."
"Ja. Ich war schon in einigen Kliniken und glaub mir, da willst du nicht freiwillig hin. Wir sind die einzige Klinik in ganz Iowa, die sich ernsthaft um ihre Patienten kümmert. Wenn diese Klinik auch noch weg fällt, wird die Todesrate auf Grund von Heroin in dem ganzen Staat und noch über die Grenzen hinweg mindestens um die Hälfte ansteigen. Das kann ich dir garantieren."
"Und das ist dein Problem?"
"Ohne diese Klinik wäre ich gestorben. Ich habe in der Kli-nik Menschen, die so unglaublich viel Scheiße erlebt haben. Die brauchen jemanden, der sie versteht und die Kompetenzen, die man da braucht, stehen in keine Lehrbuch. Diesen Men-schen kann man nur helfen, wenn man das alles selber durch-gemacht hat. Sonst kann man das alles nicht verstehen. Das weißt du selber. Genauso, wie du weißt, dass man in dieser Situation Hilfe braucht."
"Jess, du kannst nicht jeden retten. Das funktioniert."
"Aber bei denen wo ich es kann, will ich es auch tun und ich wünsche mir dass das nach meinem Tod jemand weiter führt."
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Angel behind the Appearance
Teen Fiction!Achtung! In diesem Buch werden Themen wie Gewalt, Drogen, selbstverletzendes Verhalten und verschiedene psychische Krankheiten behandelt. Wenn diese Themen dich triggern, solltest du dir gut überlegen, ob du dieses Buch wirklich lesen möchtest. "En...